Winzer ist ein Männerberuf. Denkt man. Und das stimmt auch, denn es gibt weltweit gerade mal ein paar Dutzend berühmte Winzerinnen.
Doch die Frauenquote steigt, das sieht man in den Weinbauschulen, wo immer mehr Frauen die Klassen bevölkern. Nicht nur Söhne übernehmen Höfe. Und das ist gut so.
Gibt es einen Frauenwein? Ich würde nein sagen. Alle Weine, die ich bislang von Winzerinnen getrunken habe, unterschieden sich kaum von den Weinen ihrer männlichen Kollegen.
Dagegen wird gerne angeführt, dass gerade Winzerinnen den derzeit modischen, schlanken, eleganten Weinstil bevorzugen. Doch den einzigen Unterschied, den ich hier festmachen kann, ist jener, dass Winzerinnen die Mineralität oft weniger kräftig herausarbeiten, als ihre männlichen Kollegen. Frauen riechen und schmecken Wein tatsächlich genauer. Und liegen damit meist völlig richtig. Das hat man hier am Schiff schon mal sehr genau besprochen:
Der Captain hat mal bei sich selber gegugelt und auf die schnelle eine Liste mit Winzerinnenportraits erstellt, die hier schon erschienen sind. Natürlich ist sie nicht komplett.
Chiara Lungarotti und Teresa Severini
In Deutschland gibt es mehr prominente Winzerinnen als in anderen Weinbaunationen. Das hat sicher auch mit der gesellschaftlichen Entwicklung zu tun und der veränderten Rolle der Frau, die man in mediterranen Ländern so noch nicht wahrnimmt.
Namen wie Eva Fricke, Eva Vollmer, Franziska Schätzle, Anette Closheim, Caroline Diel, Eva Clüsserath, Carolin Spanier-Gillot, Theresa Breuer oder Katharina Prüm sind den meisten Weinhändlern und Sommeliers seit Jahren ein Begriff.
Diese Winzerinnen keltern Weine, die sich wie von selbst verkaufen. Deswegen ist jede neue Winzerin am Markt willkommen.
Etwa Katharina Wechsler aus Rheinhessen. Sie studierte Politik und Sozialwissenschaft und war in Berlin als Mitarbeiterin des TV-Senders Sat.1 tätig. Eine Karriere als Journalistin schien vorgezeichnet. Dann kam die Medienkrise und Wechsler verlor ihren Job. Da hatte sie die Wahl. Entweder als freie Redakteurin im Boulevardbereich arbeiten, oder auf das elterliche Weingut zurückkehren.
Dort, im rheinhessischen Westhofen, hatten die Eltern längst damit gerechnet, den alten Fassbetrieb verkaufen zu müssen. Und andere Winzer waren bereit, die teils sehr interessanten und somit wertvollen Lagen der Wechslers zu übernehmen.
In einem Telefongespräch mit Mama Wechsler begann sich dann aber das Schicksal zu drehen: Baby come back.
Für das digitale Frauen-Wirtschaftsmagazin „Edition F“ schilderte Katharina Wechsler jenen Moment des Jahres 2009, als sich alles in ihrem Leben zu verändern begann:
„Kurz nach meinem dreißigsten Geburtstag hatte ich ein Telefonat mit meiner Mutter, die mir über die Situation bei uns Zuhause berichtete. Ganz neutral und ohne Erwartungen erzählte sie mir, wie mein Vater, der damals auf die 70 zuging, den Betrieb ohne Aussicht darauf, dass eines seiner Kinder übernimmt, führt und jeden Tag aufsteht und arbeitet. Ich dachte immer, dass es mir nichts ausmachen würde, wenn das Weingut irgendwann aufgegeben wird, vielleicht verkauft oder die Weinberge und das Land verpachtet würden. Es stand für mich schließlich nie zu Debatte zurückzugehen, geschweigen denn Winzerin zu werden. Doch plötzlich spürte ich eine Verbundenheit zu dem, was da seit Generationen von Eltern an ihre Kinder weitergeben wird und dachte ich könnte es mir ja mal anschauen. Die Idee etwas aus dem Weingut zu machen setzte sich in meinen Kopf. Ich fuhr für ein paar Tage nach Hause und wollte sehen, ob ich mir ein Leben dort mittlerweile vorstellen könnte. Das Potential des Betriebes wurde mir sehr schnell bewusst und nur acht Wochen nach diesem Besuch packte ich meine Koffer in Berlin, zog zurück nach Westhofen und begann mein erstes Winzerpraktikum.“
Auf der Weinbauschule ließ sich Wechsler in einem zweijährigen Lehrgang zur Betriebsleiterin ausbilden. Und leistete parallel viel Praxisarbeit in den Weingütern der Nachbarschaft. Katharina Wechlser lernte schnell professionell Wein zu machen und stellte den Betrieb von Fassverkauf teilweise auf Flaschenfüllung um.
Und heute? Wechsler ist eine Art Winzerinnen-Star. Ihre Weine stehen auf den Karten der hippen Restaurants. Der Captain hat sich einen davon zur Brust genommen und verkostet.
Ungewöhnlich kräftig schmeckt ihre Scheurebe, mit enorm viel Cassis in Nase und Mund. Ich spüre rosa Grapefruit, grünen Apfel, zerriebene Zitronenblätter und salzige Mineralik. Dazu eine präsente Säure, die diesen staubtrockenen Wein delikat und feingliedrig wie die starken Arme einer Gottesanbeterin macht. Da schmeckt man viel Selbstbewusstsein einer jungen Winzerin heraus, das es zu Beginn sicher so noch nicht gab. Ein ungewöhnlich guter Tropfen. Noch dazu für diesen kleinen Preis.