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China: der lange Marsch zum Wein

Seine Majestät Xi Jinping.
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China ist drittgrößter Weinmarkt der Welt. Wie geht man dort mit dem Wachstum um und was bedeutet das für unsere Winzer?
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Vor wenigen Tagen begab sich Chinas Staatspräsidenten Xi Jinping auf eine Reise in die Provinz Ningxia, die als hot spot des chinesischen Weinbaus gilt. Zweck dieser Reise war der Kampf gegen die Armut. So lautet die offizielle Botschaft, die im Newsroom des Captain (liegt gleich neben dem Weinlager) über den Ticker lief.

Konkret: Je mehr Menschen in der chinesischen Weinwirtschaft arbeiten, desto weniger Armut herrscht im Land, denn Wein ist ein gigantischer Wachstumsmarkt, der von steigendem Wohlstand zeugt. China tut viel, um mehr Leute an seine Reben zu binden. Das hat auch mit dem zerstörerischen Schnapskonsum der Chinesen zu tun, welcher der Produktivität im Land Schaden zufügt. Der Weinbau in Ningxia begann in den frühen 1980er Jahren. Die Pflanzungen befinden sich in der Schwemmlandebene der östlichen Ausläufer des Helan-Gebirges. Die sehr trockenen Böden bestehen aus Sand, Kalk, Kreide und Kies und müssen für den Weinbau bewässert werden. Zurzeit beträgt die Rebfläche rund 38.000 Hektar, die von etwas mehr als 200 Weingütern bewirtschaftet werden. 2019 produzierte das Gebiet den Inhalt von 130 Millionen Flaschen.

Der Weinkonsum in China ist leicht rückläufig (meldet das US-Wirtschaftsmagazin → Forbes), aber die Einfuhr von Wein steigt kontinuierlich. Eine interessante Chance für deutsche Winzer, die manche auch erfolgreich nutzen. Aber: Die fünf wichtigsten Importeure sind Frankreich, Australien, Spanien, Chile und Italien. Ein Grund mehr, den heimischen Weinbau in Schwung zu bringen, damit er Familien ernährt. Die Weinbergsarbeiter im Premium-Weingut Château Zhihui Yuanshi lebten in einer sehr armen Gegend im Süden, bevor sie zur Arbeit in den Norden gingen. Nun sind auch ihre Familien nachgezogen und haben sich in der Nähe des Weinguts niedergelassen.

Im Riesenbetrieb Chateau Changyu Moser XV schloss die Weinkellerei Verträge mit etwa 500 verschiedenen Familien ab, um deren Trauben zu kaufen. Die Größe der Weinberge pro Familie beträgt weniger als 20 Hektar, die Verträge werden in der Regel auf Fünfjahresbasis geschlossen. Stolz wie Bolle lässt Xi Jinping ausländischen Gäste bei offiziellen Banketten diese Tropfen servieren. Im deutschen Weinhandel ist (bis auf ganz wenige Ausnahmen) der China-Hype noch nicht angekommen.

Der Großkonzern Changyu aus Yantai in der Provinz Shandong ist drittgrößter Weinkonzern der Welt und betreibt eine Vielzahl von Weingütern, unter anderem Chateau Changyu-AFIP, das gut ins Disney-Imperium passen würde. Der jährliche Ausstoß beträgt 135 Millionen Liter. Die staatseigene Firma Great Wall produziert 63 Millionen Liter und gehört somit zu den zehn größten Weinkonzernen der Welt.

China blickt auf eine lange Geschichte in der Weinproduktion zurück. Die früheste Erwähnung der Rebsorte vitis vinifera in China stammt aus der Han-Dynastie im zweiten Jahrhundert. Mit der Ming Dynastie vom 14. bis 17. Jahrhundert kam der Niedergang und erst im 19. Jahrhundert ging es wieder aufwärts.

Viele ausländische Konzerne leisteten in den letzten 30 Jahren Aufbauhilfe, natürlich nicht aus selbstlosen Motiven. Sie wollten teilhaben an einem der letzten Wachstumsmärkte im Weinsektor. Die schwerreiche Familie Torres aus Spanien mischt mit, ebenso die Domaines Barons de Rothschild und natürlich der LVMH-Konzern von Bernard Arnault. Die eingangs erwähnte Weingutskette Changyu kooperiert mit dem österreichischen Weinentwickler Lenz Moser, der aus einer bekannten Weinbaufamilie kommt. Seine chinesischen Auftraggeber schufen sogar eine ganze Weingutsmarke, um ihren Partner zu motivieren, dessen Namen nun Teil der brand ist: Im Chateau Changyu Moser XV setzt man insbesondere auf die Rebsorte Cabernet Sauvignon:

Wie schmeckt Premiumwein aus China?

Cabernet Sauvignon (knapp 80%) und Merlot (ca. 12%) sind Chinas Leitrebsorten. Das hat viel mit den bewunderten Vorbildern aus dem Bordelais zu tun. Von der Rebsortenmischung bis zur Weingutsarchitektur eifert man den Erfolgsbetrieben an der Gironde nach. 40% des exportierten Bordeaux-Weins geht nach China! Eine fast bizarre Fixierung Chinas auf den weltberühmten Château Lafite Rothschild (über 85% Cabernet Sauvignon) ließ diesen Wein im Wert emporschießen. Bis er wieder abstürzte. Der bekannte Hotelier und → Weinsammler Hans B. Ullrich vom Kronenschlösschen in Hattenheim erzählt dem Captain:

Lafite war lange überbezahlt. Glücklicherweise stieß ich vor einigen Jahren alle Flaschen ab. Sie waren im Vergleich zu den anderen Grands Crus viel zu teuer geworden. Dann ist der Preis stark gefallen. Man kannte in der Szene die Ursache der Entwicklung: Reiche Chinesen kauften die Bestände, um sie aus Prestigegründen weiterzuschenken. Für Flaschen mit perfekt erhaltenen Etiketten gab es sogar einen Aufpreis. Ein kleiner roter Fleck auf dem Label hingegen kostete 30% Wertminderung. Das waren Auswüchse. Es ging gar nicht mehr um Wein.

„China gewinnt durch CORONA“, sagte vor kurzem Luxuswein-Experte und Erfinder des südafrikanischen Nobelweins „G“ → Philipp G. Axt dem Captain. Hier bei uns läuft es eher andersrum. Der deutschen Weinwirtschaft droht ein Kollaps. Das hört der Captain an jeder Ecke. In der Schweiz mussten Millionen Liter Wein vernichtet werden, meldet → die Neue Zürcher Zeitung, weil der Absatz eingebrochen ist. Und Deutschland?

Weintrend nach Corona: China gewinnt

Auf jeden Fall dürfte es zurzeit keine gute Idee sein, Menschen IN den Weinbau zu locken, wie das in China geschieht, sondern eher rauszuholen und woanders unterzubringen. Aber wo? Der Captain hat spontane Ideen. Zum Beispiel im Öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wo Unkündbarkeit und Vollversorgung blühen. Ein bisschen mehr Weinkompetenz in den Redaktionen würde nicht schaden, glaubt der Captain jedes Mal, wenn er das Weingeblubber in diversen Formaten verfolgt. Warum nicht ein paar Tausend Weinmacher aus 15.931 deutschen Winzerbetrieben (Stand 2016) vorübergehend bei den Öffi-Sendern unterbringen und im Gegenzug auf ein paar Sport-Übertragungsrechte für Milliarden verzichten? Und dann wären da noch → 15 Landwirtschaftsministerien, die der Steuerzahler widerstandslos durchzufüttern geruht. Auch hier gebricht es an Weinbauwissen, wie jeder weiß, der sich mit Weinpolitik beschäftigt. Mehrere Tausend Weinfachleute aus den Anbaugebieten lassen sich da sicher unauffällig mit Posten versorgen, bis das Ärgste überstanden ist. Die Parteien machen vor wie das geht.

Schluss mit der wohlfeilen Polemik, spricht der Captain zu sich selbst und öffnet seinen Abendwein aus dem chinesischen Vorzeige-Weingut Chateau Changyu Moser XV. Es ist der Grand Vin des Hauses aus 100% Cabernet Sauvignon, der im kontinentalen Klima zwischen Gelbem Fluss und Helan-Gebirge gedeiht. Die Winter dauern lang und sind kalt, im Sommer wird es richtig warm. Der Wein ist kein billiges Vergnügen aber für Fortbildungszwecke fast ein Must. Tiefrot mit Tendenz zu Schwarz glänzt dieser Moser-Grand Vin im Glas. In der Nase üppige Noten von Schwarzer Johannisbeere, Pflaume, rotem Chili und Kakao. Dann Wildlederhose, Safranwurz (Kurkuma), Gewürznelke und grüne Rappen. Der erste Schluck. Sauber gemacht, gekonnt balanciert, kräutrig und mit einem gewissen Säurebiss versehen. Ich schmecke Dörrpflaume, Rumtopf, Lorbeer und ganz deutlich Arnikawurzel. An Bordeaux erinnert hier alles bzw. an Médoc (Hochburg des Cabernet Sauvignon) und es ist so dick aufgetragen, dass es gar nicht wahr sein kann. Terroirwein: nein! Weltwein: ja. Der Tropfen lag zwei Jahre lang in französischen Barriques. Zuletzt hatte ich so etwas in Gestalt eines Weins von Regie-Altmeister und Winzer-Genie Francis Ford Coppola in einem noblen Steakhouse in Miami im Mund und amüsierte mich prächtig damit. Urlaubslaune halt.

 

Datum: 18.6.2020 (Update 28.12.2020)
 

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