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Chateau Changyu-Moser XV: unser Mann in China

Lenz Moser V.
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Der Captain trinkt 150-Euro-Rotwein aus China, der von einem Österreicher entwickelt wurde.
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Weinmacher Lenz Moser V ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten der österreichischen Weinszene und seit vielen Jahren Entwicklungshelfer für Premiumweine in China. Mit ihm sprach der Captain über seine Arbeit im Reich der Mitte und was man von den Chinesen lernen kann, wenn man will. Und natürlich über seinen neuen Wein Purple Air Comes From The East, mit dem Moser auf den internationalen Luxusmarkt vorstößt.

Moser entstammt einer alten Weinbaufamilie mit klingendem Namen. Großvater Lenz Moser III war Anbaupionier, revolutionierte die Weinbergsarbeit und stand dem glühenden Nazi und Rebzüchter Friedrich Zweigelt als treuer Freund zur Seite, als dieser nach dem Krieg (aus nachvollziehbaren Gründen) nicht mehr viele Freunde hatte. Aber ein Moser hat seinen eigenen Kopf, wenn es um Wein geht.

Lenz, wie fühlt es sich an in einer Diktatur Wein zu machen, wo Andersdenkende verfolgt, gefoltert und ermordet werden? Ich empfinde das nicht so. Ich bin Weinmensch durch und durch und habe eine Mission. Ich werde hofiert und mit Respekt behandelt. Wir haben ein gemeinsames Ziel und ich fühle mich wohl wie ein Fisch. China ist meine zweite Heimat, obwohl ich begeisterter Österreicher bin. Ich liebe Wein und gutes Essen. Das verbindet mich mit den Menschen Chinas.

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China kam gut durch die CORONA-Krise, im Gegensatz zum Westen. Was können die, was wir nicht können? Der Unterschied ist: China hat einen Plan. Die Seidenstraße ist nach dem Marshall-Plan die geilste Initiative, die es in den letzten 100 Jahren gab. Das hätte auch einem Europäer einfallen können. Ist es aber nicht. Wer zuhört, versteht China relativ leicht. Die sagen etwas und setzen es dann um. Auch meine Partner von Chateau Changyu halten das so. Natürlich ist es für einen Europäer nicht leicht, in China zu arbeiten. Weil zunächst alles erlaubt ist, solange es zum Ziel führt. In China ist Geschäft wie Kampfsport. Das kennen wir nicht. Wir sind viel zu lax.

Woher kommt diese Konsequenz im Business? Vor 150 Jahren war China weltweit die größte Wirtschaftsmacht. Dann kamen die Engländer und das Opium und alles ging den Bach runter. Die wollen dorthin zurück, wo sie mal waren.

Und Weinmachen – ist das in China auch wie Kampfsport? Man ist überrascht, wie viel die bereits über Önologie wissen, obwohl es keine etablierte Weinbautradition gibt. Sie beherrschen Chemie und Technik und können damit Wein machen. Es gibt nur ein Problem: Die Arbeit im Weinberg ist unpopulär, wie jede andere körperliche Tätigkeit.

So sieht der Arbeitsplatz von Lenz in China aus:

Das Weingut, in dem du arbeitest, sieht aus wie ein Schloss und trägt deinen Namen. Wie fühlt man sich als Schlossherr in diesem Disneyland des Weins? Das ist kein potemkinsches Dorf. Alles ist eingebaut, was man zum Weinmachen braucht. Im Keller stehen 1.500 französische Barriquefässer. Mir gehört nichts, aber ich bin am Erfolg beteiligt. Ich will nur der Guru sein, so nennt man mich hier. Das Ziel ist China auf die Landkarte der Weinnationen zu setzen.

Chateau Changyu-Moser XV liegt auf 1.100 Metern Seehöhe, etwa 1.200 Kilometer westlich von Peking in der Anbauregion Helan Mountain, die zur Provinz Ningxia gehört. Es fallen kaum Niederschläge. Die Sommer sind gemäßigt, die Winter bitterkalt. Damit die Rebstöcke nicht erfrieren, müssen sie komplett mit Erde bedeckt werden – ein irrer Aufwand. Sand, Lehm und Kies prägen die Böden. Moser: Man muss hier lernen, mit der Wüste umzugehen.

Wofür steht eigentlich die „15“ im Firmennamen von Changyu Moser XV? Danke für die Frage! Für 15 Generationen Moser Family im Weinbau. Unsere Geschichte geht bis ins Jahr 1610 zurück. Seit damals machten wir Wein in Rohrendorf bei Krems.

Das „Schloss“ wurde 2012 fertiggestellt, der erster Wein-Jahrgang war 2008. Seit 2015 verantwortet Chef-Weinmacher Moser die Produktion. Die Geschichte der Changyu-Firmengruppe reicht zurück bis ins späte 19. Jahrhundert, als der weitgereiste und wohlhabende Diplomat Zhang Bishi (1841–1916) im Westen des Reiches den chinesischen Weinbau begründete. Heute gehören zum Changyu-Konglomerat Weingüter in ganz China. Die Volkrepublik und die Kommune von Yantai sind beteiligt, auch der italienische Getränkekonzern ILLVA Saronno ist mit von der Partie. Moser: Dass die Kommunistische Partei mit im Boot sitzt ist gut für das Unternehmen. Von denen kann man kaufmännisch viel lernen.

Aber nicht nur bei Chateau Changyu Moser XV setzt der Changyu-Weinkonzern auf den Nachbau traditioneller Schlösser-Architektur. Ein zweites Weingut der Gruppes heißt Chateau Changyu-AFIP und ist dem Bordeaux-Weingut Château Pichon-Longueville in der Appellation Pauillac nachempfunden. Hier kann man sich das ansehen:

China fördert den Weinbau stark, um die Menschen vom Schnapskonsum wegzubringen, welcher der Volkswirtschaft erheblichen Schaden zufügt. Weinexport ist unwichtig. Chinesische Weine werden nur in den Westen verschickt, um hohe Bewertungen und Punkte einzusammeln, mit denen zu Hause renommiert werden kann. Moser arbeitet seit 2005 für die Changyu-Gruppe. Zunächst in den Bereichen Marketing und PR, seit 2015 auch als winemaker.

In der österreichischen Weinwelt hat der Name Moser einen Klang wie die Pummerin. So nennen die Wiener die mächtige Kirchenglocke ihres Stephansdoms. Großvater Lenz Moser III (1905-1978) gilt als wegweisender Weinbaupionier, der die Weinwirtschaft für die Moderne fit machte und die sogenannte Hochkultur erfand, bei der im Gegensatz zur Stockkultur die Triebe an Drahtrahmen festgebunden sind. Auf diese Weise gelangt mehr Licht für die Photosynthese an die Pflanzen und Weinbergsmaschinen lassen sich bequem durch die Gassen zwischen den Rebzeilen steuern. Als der Glykolskandal von 1985 viele Betriebe in den Ruin trieb, wurde das Weingut der Familie an den Lebensmittelkonzern VOG AG verkauft, unter dessen Dach das Überleben gesichert war. Der junge Lenz Moser V. verweilte im Unternehmen, wurde im Alter von 30 Jahren sogar Geschäftsführer und blieb insgesamt 11 Jahre, bis er zur europäischen Tochtergesellschaft des kalifornischen Mondavi-Imperiums ging und in die Welt der Premiumweine eintauchte. Heute steht die alte österreichische Weinmarke Lenz Moser eher für Supermarktweine, die man auch in deutschen Regalen findet. Tat es nicht weh, mitzuerleben, wie der Familienbetrieb verlorenging? Nein, ich spürte keine hard feelings, weil ich nie dynastisch dachte, sondern mich durch die Aufgabe definiere. Ich fühle mich dem edlen Wein und vor allem dem Premiumgedanken verpflichtet.

Insgesamt 6 Weine entwickelte Lenz Moser V für die Chinesen. Sogar zwei Weiße gehören dazu, obwohl diese Weinfarbe am chinesischen Markt noch keine Rolle spielt. Der Captain probierte sich durch. Und blieb beim ganzen Stolz des Unternehmens hängen, dem reinsortig ausgebauten Cabernet Sauvignon Purple Air Comes From The East 2016, der im deutschen Handel schwer zu finden ist. Kein Wunder, der tiefdunkle Tropfen kostet 150 Euro. Lenz Moser: Meinen chinesischen Freunden war das immer noch zu günstig, sie wollten höher einsteigen.

Der Captain trank den Wein und war überrascht, denn er schmeckt anders als erwartet. Lange nicht so konzentriert wie Mosers Cabernet Sauvignon Grand Vin von Chateau Changyu Moser XV für rund 60 Euro, der noch mit traditionellem Bordeaux-Etikett daherkommt und auf der Zunge liegt wie die köstlichen Gulaschsoßen des legendären Berliner Weinsammlers und Wirts Jianhua Wu, der um die Ecke vom Kudamm sein Restaurant Hot Spot betreibt.

Ganz anders tritt der neue Wein von Changyu Moser XV auf. Selbstbewusster und mit chinesischem Etikett. Das wurde allerdings in Berlin von der Agentur des kunstsinnigen Werbers und Weinfreundes Christian Boros entworfen, der auch an der Gläsermarke Josephinenhütte beteiligt ist.

Purple Air Comes From The East heißt frei übersetzt so etwas Ähnliches wie „alles Gute kommt aus dem Osten“ und ist nicht nur im wording ein Statement. Typisch Lenz Moser, der in punkto Marketing gerne dicke Hosen trägt. Für den chilenischen Großwinzer Eduardo Chatwick (seine rote Cuvée Seña ist Rotweinlegende) organisierte Moser 2004 das sogenannte Berlin Tasting, das als genialer PR-Streich ein bisschen Weingeschichte schrieb:

Chile: Kennst du das Berlin Tasting?


Und so schmeckt Mosers roter Stolz Purple Air Comes From The East, an dem er 5 Jahre lang arbeitete: Im Glas schwarzrot mit braunen Reflexen. In der Nase deutliche Kardamon-Noten und etwas Kurkuma, Bio-Kakaopulver, feuchte Dörrpflaume, kalte Zigarrenasche, viel Dunkelbeeren-Aromatik und ein Hauch Rum-Rosinen. Im Mund vollreife Schwarze Johannisbeere, Lavendel, Heidelbeere, Kakaolinsen aus dem Biomarkt, ein Mikrogramm brauner Zucker. Am Gaumen frisch und trinkig, trotz der etwas mehr als 14% Vol. Alkohol. Elegante Textur, mittlerer Druck, feinwürziges Finish. Interessantes Trinkerlebnis für Fortbildungshungrige und vielleicht sogar weinhistorischer Meilenstein.

Was will uns dieser Tropfen sagen, ist er die Abkehr vom copy shop China und Vorbote eines chinesischen Weinstils? Kann man ja mal fragen. Moser: Ich glaube, dieser Wein spiegelt die Würze Chinas wider, hat aber mehr Frische als man dort gewohnt ist. Obwohl China die Opulenz liebt, will ich keinen Bordeaux nachmachen, sondern etwas Eigenständiges schaffen. Nur 6.300 Flaschen wurden von diesem Wein abgefüllt, alles ging in den Export. Seine Trauben kommen von unterschiedlichen Parzellen in unmittelbarer Nähe des Betriebs. Die Anbaufläche ergibt zusammengerechnet nur 6 Hektar. Ein kleiner Schritt für die globale Weinwirtschaft, aber ein großer Schritt für Lenz. Strategisches Ziel ist die Augenhöhe mit zwei Weinen aus China, die bereits Furore machen:

  1. Ao Yun des französischen Luxuskonzerns LVMH, der am Fuße des Himalaya-Gebirges hergestellt wird und rund 330 Euro kostet.
  2. Long Dai, den Lafite-Rothschild in China herstellt und der rund 300 Euro kostet.

Moser legt Wert auf die Feststellung, dass er nicht nur die Zauberkunst des Weinmarketings beherrscht, sondern auch in Gummistiefeln seinen Mann steht: Ich habe 35 Weinernten unter meinem Gürtel. Ich war schon jahrelang Weinmacher bevor ich nach China ging. Das und meine Kenntnisse darüber, was der internationale Weinmarkt wünscht, bringe ich hier ein.

Für den Purple Air Comes From The East machte Moser die Chinesen mit der hohen Kunst der Assemblage vertraut, dem sogenannten blending, wie man auf dem internationalen Weinparkett das Verschneiden kleinster Partien zu einer vollkommenen Mischung nennt. Jeder Wein entsteht zuerst im Kopf eines Weingärtners und dann sucht er sich die Trauben dafür zusammen. Das lernte ich von der Mondavi-Familie. Man produziert bis zu 20 verschiedene Weine und führt Teile daraus behutsam zusammen. 1% aus einem ganz bestimmten Fass kann den entscheidenden Unterschied ausmachen. Es war nicht leicht, meinen Partnern das zu vermitteln. Um einen großen Wein zu komponieren brauche ich zwei Tage. Dann ist er fertig und ich bin völlig erschöpft. Wenn ich sonst nichts kann – das beherrsche ich.

Was können österreichische und deutsche Winzer von dir lernen? Man muss ständig bereit sein sich neu zu erfinden. Das ist das wichtigste learning aus meiner Karriere. Und wir müssen den Konsumenten auf digitalen Wegen näher rücken. Es kann nach dieser Krise kein WEITER SO geben, denn die Gastronomie wird um 30% schrumpfen. Vieles, was wir bisher machten, wird überflüssig sein. 2019 setzte ich mich 200 Mal in den Flieger. 2020 waren es nur 17 Flüge und die meisten vor dem März. Die Pandemie hat mich gelehrt effizienter zu kommunizieren.

 

Datum: 27.12.2020 (Update 29.7.2021)
 

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