Der sanft gebräunte Mittfünfziger lehnt sich langsam in seinem Sessel zurück. Was ist schief gelaufen?
Er, der erfolgsverwöhnte Eigentümer einer verzweigten Unternehmensgruppe, blickt in den weitläufigen Garten seiner Grunewald-Villa und denkt kurz nach. Dann schießt es aus ihm heraus: „Ich hatte die falschen Erwartungen, als ich das Weingut kaufte. Meine Emotionen haben den Verstand besiegt.“
2015 hat er sein Weingut im Mâcon/ Burgund verlustreich verkauft und dabei viel Geld verloren. Aber schlimmer als der materielle Schaden schmerzte die seelische Pein. Jahr für Jahr machte der Betrieb mit 50 Hektar Rebflächen, einige Parzellen sogar mit Grand Cru-Klassifizierung, Miese. Das kratzte am Ego. „Irgendwann hatte ich keine Lust mehr und wollte nur noch raus.“
Erhard Heitlinger, der in Geisenheim lebt und als erfahrener Experte für Nachfolge-Lösungen im Weinbau gilt, kennt Enttäuschungen dieser Art und hilft, sie zu vermeiden. Er respektiert den Traum vom eigenen Weingut und warnt trotzdem: „Liebe und Begeisterung zum Wein ist nicht ausreichend. Es braucht eine seriöse Betriebsplanung, vom Keller bis ins Glas des Konsumenten.“
Erhard Heitlinger schrieb seine ganz persönliche Checklist für den Erwerb eines Weinguts auf:
Ein Weingut besitzen und davon zu leben ist für viele Quereinsteiger ein schillernder Traum. Und manch einer schafft es sogar, den zu verwirklichen.
Der → viel zu früh verstorbene Werber Achim Niederberger ist so ein Beispiel. Ihm verdanken die renommierten Weingüter Von Winning, Reichsrat von Buhl und Bassermann-Jordan(alle in Deidesheim/ Pfalz) viel neuen Glanz.
Genauso wie das Weingut Von Othegravenin Kanzem an der Saar, das ohne Günther Jauch und seine Frau Thea (die sich gemeinsam mit einem Önologen um’s Management kümmert) wahrscheinlich immer noch vor sich hindämmern würde, wenn der wohlhabende TV-Mann 2010 nicht eingestiegen wäre und den Betrieb mit seinem prachtvollen Herrenhaus zurück an die Spitze geführt hätte.
Es war sicher nicht die Verlockung, noch mehr Geld zu verdienen, die Jauch zu seinem Wein-Abenteuer bewog. Nein, da waren eher Gefühle im Spiel.
Ein Vorfahre von Jauch hatte 1805 das Weingut erworben: Emmerich Grach, Geschäftsmann aus Trier. 200 Jahre lang wurde der Besitz in der Familie durch Vererbung weitergereicht, bis Jauch von den Verkaufsplänen der Weingutsbesitzerin und Ärztin Heidi Kegel (eine Nichte von Jauchs Tante Maria von Othegraven) erfuhr und schließlich übernahm.
Auch Jauchs Nachbar an der Saar ist Quereinsteiger und küsste ein Weingut wach: Roman Niewodniczanski vom Weingut Van Volxem war mal Unternehmensberater bei Ernst & Young bevor er sich mit dem geerbten Geld seiner Bierbrauer-Familie (Bitburger) und großem Ehrgeiz in den Weinbau stürzte. Die Mühe lohnte sich, Van Volxem-Weine gehören heute zu den besten und interessantesten Tropfen Deutschlands.
Den einen treibt der Familiengedanke, den anderen Ehrgeiz und den dritten vielleicht die vornehme Aura, die das Kulturgetränk Wein verströmt. Einer, der in Wein macht, ist neuerdings kein Landwirt mehr, sondern gilt als etwas Höheres.
Edle Weine waren sogar mal ein beliebtes Geschäftsfeld des Adels. Noch immer tummeln sich Winzer mit klingenden Namen unter der Elite des deutschen Weinbaus: Graf von Schönborn (Franken, das Weingut im Rheingau ist aufgelöst), Prinz von Hessen (Rheingau), die Grafen von Neipperg (Württemberg, Bordeaux und Bulgarien), Graf Adelmann (Württemberg), Erbgraf Castell-Castell (Unterfranken), Prinz zu Salm (Nahe und Rheinhessen) usw.
Ein Weingut, das ist fast schon wie eine eigene Jagd oder eine Bildersammlung mit Werken alter Meister. Eine selbst vergorene Flasche Jahrgangssekt aus der eigenen Kellerei schlägt inzwischen sogar die Ferrari-Sammlung in der Tiefgarage. Weingutsbesitzer sein ist schick geworden.