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Das Zeremoniell. Und seine Zelebration. Wir haben eine Flasche Rotwein bestellt. Einen schön gereiften Barolo für ordentlich viel Geld.
Der Kellner des Mittelklasserestaurants kommt mit einem Wagen angefahren. Auf dem Wagen eine Karaffe (in diesem Fall eine klassische in Entenform mit Silberschnabel), ein Kerzenständer mit Kerze, ein Körbchen, schön mit rotem Samt ausgelegt, und eine Halterung aus Metall, auf welcher der Wein gekippt werden kann. Es droht ein Weinzeremoniell französischen Stils. Eine unendliche, unerträgliche Prozedur, die mit der Präsentation der Flasche beginnt („jaja, ist der richtige Jahrgang“) und mit der Benetzung der Gläser endet („jetzt geben sie schon her, Mann. Ich will trinken!“). Sieben Minuten Qual.
Abgesehen von diesem altmodischen Zeremoniell stellt sich die Frage: Muss dieser Wein überhaupt dekantiert werden? Der Captain sagt nein!
Mit Dekantieren meine ich, was die meisten unter Dekantieren verstehen, obwohl das nicht ganz korrekt ist: Die Belüftung von Wein. Richtigerweise müsste hier in Überschrift und Text das Wort Karaffieren stehen, doch das ist weitgehend aus dem Alltagsgebrauch verschwunden. Karaffieren heißt Belüften. Dekantieren bedeutet eigentlich die Trennung von Wein und Schwebestoffen.
Unser teurer Barolo hat eine feste Struktur, die sicher etwas Luft benötigt. Diese Luft bekommt er aber alleine, wenn er in großen Gläsern landet. Da der Captain den Wein auch gerne etwas kälter trinkt, ist das große Glas quasi Verpflichtung. Aber es reicht. Die offene Flasche auf den Tisch (oder sonstwohin) stellen reicht.
Auch ist es interessant, den Wein dabei zu beobachten, wie er sich in den ersten fünfzehn Minuten zu öffnen beginnt. Und dann nach einer Viertelstunde seine Leistung bringt. Von Null auf Hundert ist das freilich nicht. Doch das ist gut so, denn nur mit der Beobachtung der Veränderung reift das Verstehen von Wein. Dieser Wein ist ja sowieso schon reif.
Da kommen wir zum Eigentlichen: Es wird derart viel dekantiert, weil fast alle Rotweine zu früh getrunken werden. Diese Weine benötigen Luft, weil man sie weit vor ihren Möglichkeiten konsumieren will. Und das ist der Irrtum. Die ganze Dekantier-Masche dient nur dazu, eigentlich unreife Weine mit ausreichend Luft zu versorgen, damit sie weicher und runder rüberkommen.
Früher wurden Weine ausschließlich dekantiert, um den Saft vom sogenannten Depot (meist Farb- und Gerbstoffe) und Weinstein (Salze aus der Weinsäure) zu trennen. Also lästiges aber harmloses Zeug, das sich mit dem Alter in der Flasche häuft. Eigentlich richtig, aber gefährlich.
Gefährlich deswegen, weil gereifter Wein (wieder richtig temperiert, also 16 bis 19 Grad) die Luftzufuhr nur in geringer Menge verträgt. Soll heißen: einen 1982er Chateau Beychevelle muss ich knapp vor dem Essen dekantieren und dann relativ schnell während des Essens trinken. Keine Bange, die zwei Stunden hält er schon durch. Doch danach geht es meistens bergab.
Was soll man also dekantieren? Junge Weißweine. Einen Riesling aus dem Elsaß. Einen Chardonnay aus dem Burgund. Aber keine in Würde gereifte Rote. Also Schluss mit dem großen Dekantier-Schwindel. Weißwein kann es brauchen (öfter als angenommen). Rotwein nur, wenn man ihn von seinen Inhaltsstoffen reinigen will. Und gereifter Rotwein soll (dekantiert oder nicht) schnell getrunken werden. Junger, unreifer Rotwein bekommt durch die Luftzufuhr den Anschein weicher und reifer zu sein.
wenn ich Weißwein dekantiere, wie krieg ich die Karaffe in den Weinkühler, damit er mir nicht zu warm wird?
Endlich. Ich würde sogar meinen: Gereifte Weine kann man augenblicklich abtöten, wenn man sie nur mit ausreichend Luft versorgt.
Natürlich gehört ein zehn Jahre alter Barolo dekantiert, er entwickelt sich nur dann richtig. Sicher nicht Stunden, aber ausreichend belüften. Hier wird leider auch viel Falsches behauptet. Von einem Weinkenner, der noch klassisches Weinverständnis erwerben muss. Ich nehme an, der Käptn ist noch sehr jung.
Ich hatte etliche 82er, 85er, 88er und 89er Bordeaux, die in der Karaffe am nächsten Tag noch viel besser waren. Ich muss also diese Pauschalierungen zurückweisen, jeder Wein entwickelt sich in der Karaffe anders, mache werden Tage danach erst richtig gut.
da gibts doch diese Dekantierausgiesser zum Belüften, ist das eine Alternative oder völliger Schwachsinn?
Nutzts nix, schadts nix. Aber wahrscheinlich sind ein entsprechend großes Glas und das etwas ausführlichere Vorspiel mit dem Wein gut genug. Sag ich jetzt einmal als eher Nichtauskenner.
Ich glaube das Mittelmaß ist das richtige, jeder wie er glaubt
und ich akzeptiere auch das Andere, aber der Captain liegt nicht falsch!
Meine Regel bei karaffierfähigen Weinen, also nicht solchen, die im Kerzenschein dekantiert werden, ist ganz einfach: bei 4 und mehr Trinkern – Karaffieren, wenn ich eine Flasche alleine oder zu 2t über einen längeren Zeitraum verfolgen kann, wird nicht karaffiert.
Wobei natürlich diese Maschine schon extra cool ist:
http://www.decantbregant.com
Ach lieber Catain, warum denn immer gleich so pauschal und absolut?
Die Kerze hat schon ihren Grund, wenn man den Wein vom Depot trennen will, man kann aber auch eine andere Lichtquelle nehmen, das ist schon klar. Das Depot ist übrigens auch der Grund, warum man gerade gereifte Rotweine durchaus dekantieren sollte, wer mal das Weinglas voller Bröckel gehabt hat, weiß dass das eher unangenehm ist. Bei gereiften Weinen hilft dekantieren meist auch, dass die Weine ihre Stinker verlieren und das Bouquett sich öffnet. Also ganz so pauschal das dekantieren gereifter Rotweine abzulehnen halte ich nicht für zielführend.
Mich beunruhigt eher, dass der Captain keine 7 Minuten am Tisch warten kann, bis der Wein ins Glas kommt, so unentspannt beim Turn zum Weingenuß?
Schön aber mal darauf hinzuweisen, dass sich dekantieren auch bei Weißweinen lohnen kann. Dafür Danke schön!
Es ist schon auch ein gewisses Bauchgefühl gefragt. Habe letztes Jahr 2 Flaschen 89er Pichon Baron geöffnet. Bei der ersten hab ich direkt aus der Flasche eingeschenkt. Als die Flasche leer war hat der Wein gerade erst angefangen aufzudrehen!
Die zweite Flasche, ein paar Monate später, wurde daraufhin (bestimmt 1 Stunde) dekantiert. Diese war dann beim ersten einschenken schon eher auf dem absteigenden Ast.
Die Lösung: Nur noch Magnum-Flaschen öffnen und direkt einschenken 😉
man beachte hierbei den unterschied zwischen dekantieren & karaffieren, dieses sind zwei total verschiedene dinge, der captain möge vielleicht in einigen sachen recht haben aber ein weißwein zu dekantieren wäre einfach schwachsinn, ein rotwein dagegen sinnvoll wegen den tanninen! da es sich beim barolo um einen roten handelt, hat der kellner schon richtig gehandelt meiner meinung nach.
Hier eine Weinkaraffe mit Kühlung:
http://shop.joska.com/Tischkultur/Dekanter-Kruege/Weissweinkaraffe-1-0-l.html
Der Aufhänger des vielleicht unnötigen Dekantierens ist unnötig. Man kann dem Sommeliere doch einfach sagen, dass man den Wein nicht dekantiert haben will. Wenn er halbwegs professionell ist, sollte das ja kein Problem sein.
Ansonsten liebe ich es auch eher einen Wein über einige Zeit zu verfolgen und zu schmecken wie er sich im Glas entwickelt (über Zeit und Temperatur). Wie oben bereits angemerkt, geht das nur wenn wenige davon trinken oder man eine Magnum hat. „Kennt man einen Wein“ oder hat einen richtig guten Sommeliere mag sich aber auch das Dekantieren lohnen.
Und ja zum Dekantieren von „fetten“ Weißweinen!
Hier wären jetzt gute Sommelieres gefragt, die wirklich wissen was zu tun ist…
Ok Freunde, was soll die Aufregung. Das wichtigste wurde bereits gesagt: neben der Abtrennung des Depots geht es beim dekantieren um Sauerstoff, also Oxidation.
Die Lösung ist so einfach: Wein bestellen, vor dem dekantieren direkt ein Schluck aus der Flasche (im Glas, bitte..) probieren. Dann sollte jeder einigermaßen erfahrene Trinker wissen, wie es um den Freund steht und entsprechend verfahren.
Aber auch ich staune manchmal nicht schlecht, wenn man(n) einen älteren Wein dekantiert… Als stecke man seinen Opa zu seinem besten in die Zeitmaschine nach vorne…
Prost.
Ahoi und ja zum Großteil der Worte des Captains.
Als Geniesser spanischer Gran Reservas sage ich definitiv nein zum dekantieren gereifter Weine. Ist doch auch viel interessanter und lehrreicher einen guten Wein durch seine verschiedenen Stadien zu begleiten. Und das macht man am besten, wenn man den Wein ins Glas gibt und sich für dieses Glas auch etwas Zeit nimmt. Nur so respektiert man die Komplexität, die gute gereifte Weine inne haben.
Allerdings gefällt mir auch die Textur und Intensität jüngerer Ribera-Weine, bei denen ich der Meinung bin, dass es sich lohnt, jene 3 Std. zu dekantieren. Denn im Glas hat sich bei mir noch nie ein Ribera so geöffnet, dass er diese geniale Fleischigkeit entwickelt und sein ganzes Aromenspektrum freigibt.
Tipp: Montecastro 06 -> 3 Std. dekantieren = Feuerwerk (ohh, ahh, uhh) ;-D
Einfach aufmachen, nen Schluck probieren, dann beurteilen ob man den Wein dekantieren sollte oder nicht. Spart die ganze Diskussion. Es gibt einen sehr schönen Artikel im Dekanter vom september glaube ich.
Barolo fängt erst so nach 10 Jahren an weich und rund zu werden, hat dann aber noch so viel Kraft, dass ein Delkantieren Ihm über 2-3 Std. nicht schadet. (Und wenn, dann war es es nicht wert)
Im Piemont habe ich jetzt leider zweimal in einem Sterne-Restaurant erlebt, dass der Barolo nicht dekantiert wurde, sonder aus der Flasche nachgeschenkt wurde. Mit viel Schwung und dann waren die Depot-Brocken im Wein ! Bei Massimo Camia störte den Kellner auch nicht dass die dicken Brocken am Glas klebten und er mußte aufgefordert werden ein neues Glas zu bringen (was dann nach Schrank roch ) Dann lieber dekantiert – oder notfalls selber einschenken. Alle anderen, im Restaurant dekantierten Weine hatten eindeutig noch gewonnen.
Und gegen Durst sollte mann Wasser trinken.
danke