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Guten Tag, ich bin der Neue mit dem 70 Euro-Wein

Gestatten, Daniel Twardowski.
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Daniel Twardowski, Raritäten-Weinhändler aus Trier, wollte edlen Pinot Noir nicht nur verkaufen, sondern selber machen. An der Mosel. Jetzt ist sein dritter Jahrgang auf dem Markt.
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Lasst mich die Geschichte eines jungen Winzers an einem Seitenarm der Mosel erzählen, der nichts anderes will, als den bestmöglichen Wein einzuschenken. Jenseits aller Vernunft. Zum Kopfschüttelpreis.

Ich befinde mich in einem alten Weinkeller in Neumagen, Mittelmosel. Altes Gewölbe, gestampfter Boden, blanker Fels, an dem das Wasser runterrinnt. Hier herrschen optimale Kühle und Feuchtigkeit für Weinfässer.

Die Eigentümer vom Weingut JJ Prüm kommen regelmäßig vorbei und holen Nachschub. Auch der große Egon Müller schätzt den Wein von hier.

Und Top-Restaurants ordern Kisten für ihre Weinkarten. Zum Beispiel Harald Rüssel (Landhaus St. Urban) und Helmut Thieltges (Sonnora).

In Berlin Tim Raue, Grill Royal und Vau (leider geschlossen). Dann die beiden Sacher-Hotels in Wien und Salzburg, das Restaurant Hangar 7 in Salzburg, Daniel in New York, Petrus in Hong Kong usw.

Aber der Reihe nach. Diese Geschichte muss langsam ausgerollt werden.

-§-

Von den Mönchen im Schlossgut Johannisberg im Rheingau, die um 1775 durch Zufall die Spätlese erfanden, heißt es, das Weinmachen war für sie mehr als irgendeine Arbeit.

Es war eine große Aufgabe, der man sich stellte. Ein Versuch, sich der Vollkommenheit zu nähern. Eine Mission wie die Erschaffung eines Altarbildes.

Ähnlich beseelt waren auch die Benediktiner, welche jene Lagen bewirtschafteten, die heute zum Besitz der Domaine de la Romanée-Conti im Weinbaugebiet Côte d’Or/ Burgund gehören.

Ludwig XVI. trank und schätzte die Weine von dort. Bis ihm der Kopf vom Rumpf getrennt wurde.

DRC-Weine (das Kürzel steht für Domaine de la Romanée-Conti) sind heute für nicht unter 1.000 Euro zu haben und erst nach jahrzehntelanger Reifung auf ihrem Höhepunkt angekommen.

Ehrlich gesagt, die ganze Preistreiberei beeindruckt mich wenig. Vor dieser langen Reifezeit habe ich jedoch Respekt.

Rheingau – Burgund – Mosel. Wer über Wein schreibt, darf kühne Sprünge machen.

Also Mosel. Hier steht ein junger Winzer breitbeinig im Steilhang bei Neumagen-Dhron und blickt müde über seine abgeernteten Pinot Noir-Reben. Vor wenigen Tagen wurde die Lese abgeschlossen. Unten fließt träge die Dhrone vorbei, ein Nebenfluss der Mosel.

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Wie bitte -Pinot Noir an der Mosel?

Zum Thema gleich mehr.

Erst jedoch zu diesem noch recht jungenhaft wirkenden Herren, den bis auf eine Handvoll Weinfanatiker kaum einer kennt: Daniel Twardowski. Die bübische Erscheinung täuscht, der Mann ist Jahrgang 1978.

Die Eckdaten: BWL-Studium, Händler für Weinraritäten in Trier, Ex-Praktikant in diversen Weingütern drüben im Burgund. Und seit 2006 Winzer-Quereinsteiger mit 3 Hektar Land.

Wie kommt der dazu?

Im Sommer, wenn die Geschäfte im Weinhandel nahezu ruhen, wurde Twardowski immer langweilig. Dann kam ihm diese Idee: Ich werde Winzer. Da ist nämlich ständig was zu tun.

Gedacht – getan.

Die Rebflächen waren bald gefunden und gekauft. Erstklassige Böden. Viel Schiefer und Eisenoxid. Die Bewirtschaftung jedoch totaler Wahnsinn – weil Steilhang. Kein Maschineneinsatz möglich. Nur beinharte Handarbeit.

Es sei denn, man wagt etwas ganz Neues.

Zuerst ließ Twardowski alle Rieslingstöcke roden.

Freundlicher kann man sich bei den Nachbarn, die alle vom Riesling zu leben versuchen, kaum vorstellen. Gestatten, ich bin der junge Irre, der es allen zeigen wird.

Aber Twardowski kennt die Weingeschichte der Mosel ganz genau. Spätburgunder (Pinot Noir) gab es hier schon vor 200 Jahren in Top-Qualität. Dann kam das rote Zeug aus der Mode und wurde 1933 von den Nazis komplett verboten. Rotwein galt als undeutsch.

So wurde die Mosel weiß. Und irgendwann glaubte keiner mehr, dass dort was anderes geht.

Das ist längst widerlegter Unsinn. Wie man am Wirken von Markus Molitor sehen (und kosten) kann. Der beweist nämlich eindrucksvoll, was hier im roten Bereich möglich ist.

Weinkenner Twardowski hat natürlich schon alles von Molitor probiert. Und kennt auch die Weine der anderen Spätburgunderstars aus deutschen Landen: Knipser, Ziereisen, Jean Stodden, Claus Schneider, die Shelter Winery (was für ein Name!), Paul Schumacher, Holger Koch, Klaus Peter Keller, Franz Keller.

Habe ich irgendjemanden unterschlagen?

Ganz sicher habe ich einen vergessen. Ich weiß nur nicht wen. Er wird sich bei mir beschweren und dann weiß ich es.

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Twardowski kostete sich auch durchs Burgund. Jahrelang. Sprach mit den Winzern dort. Befragte Weinsammler. Und dachte sich: Unsere Schieferböden zu Hause müssten eigentlich auch ganz fantastischen Rotwein ergeben. Mit edler Säure und würziger Mineralik.

So kam es zu den abgeschnittenen Rieslingstöcken, die Twardowski grünveredelte. So heißt es im Winzersprech, wenn auf den eingewurzelten Riesling-Rebstock ein neues Spätburgunder-Oberteil aufgepfropft wird. Auf diese Weise kann man bereits im nächsten Herbst ernten.

So leicht machte es Mutter Natur ihrem Winzersohn Daniel aber nicht.

Die Hälfte der Stöcke musste nach dem ersten Jahr wieder ausgerissen werden. Einige der Spätburgunder-Klone aus dem Burgund kamen mit dem kargen Boden nicht zurecht.

Es vergingen noch ein paar Jahre, bis Twardowski mit seinem ersten Jahrgang aus dem Schatten trat. Es wurde der 2011er.

Und der sorgte in eingeweihten Kreisen bereits für Staunen.

Bei einer hochkarätig bespielten Blindverkostung schlug der Newcomer von der Mosel viele andere Weine, darunter den 2008er Spätburgunder von Gantenbein (Schweiz) und sogar den 2001er La Tâche von Romanée-Conti. Den 3.000 Euro-Wein!

Dass der Jungwinzer im Weinberg möglichst naturnah werkelt, versteht sich von selbst. Ähnlich geht es weiter. Die Verarbeitung beginnt in altmodischen Korbpressen und endet in französischen Barriques mit ganz dezenter Toastung, in denen die Weine 14 bis 18 Monate lang ruhen.

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Erst neulich wurden gebrauchte Fässer der burgundischen Super-Weingüter Romanée-Conti, Armand Rousseau sowie Emmanuel Rouget angeliefert.

Die Abfüllung in Flaschen erfolgt ungefiltert und nur über Gravitation, also keine Pumpen. Dann lagern die Weine mindestens zwei weitere Jahre, ehe sie für den Markt freigegeben werden.

Twardowskis Ehrgeiz ist es, die sogenannte Jahrgangstypizität herauszuarbeiten. Dabei entsteht jedes Mal ein Wein, der sich von den anderen Jahrgängen unterscheidet.

Für viele Weinkenner und Sammler gehört genau das zum Abenteuer des Weinverkostens und sie genießen die Herausforderung, einen Jahrgang aufgrund seiner Charakteristik im Glas zu erraten.

Pinot Noix – nicht nur der Wein, auch der Name ist erklärungsbedürftig. Auf jeden Fall handelt es sich nicht um einen Schreibfehler.

Pinot Noix (= Pinot Walnuss) wird wie Pinot Noir ausgesprochen.

Wie kam Twardowski auf diesen merkwürdigen Namen?

Am Fuße seiner Weinberge direkt am Ufer der Drohne stehen viele alte Nussbäume. Vögel werfen Jahr für Jahr die Walnüsse auf den harten Schieferboden zwischen den Reben. Die Schalen springen auf und die Kerne können rausgepickt werden. Im ganzen Weinberg liegen diese Schalen herum.

Das war die Geschichte von Daniel Twardowski, die gerade erst begonnen hat. War da noch was?

Natürlich. Wo gibts das gute Zeug zu kaufen?

Hier ist die Händlerliste

Ach ja, der Preis liegt bei 70 Euro. Ist halt so.

Und wenn ich schon bei den Zahlen angekommen bin, ein zweites bemerkenswertes Detail: Der Pinot Noix hat moderne 13 Volumenprozent Alkohol._59C9765_Socialmediaumgewandelt_4

 

Datum: 28.12.2016
 

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