Über den wagemutigen Jungwinzer Daniel Twardowski und seinen Spätburgunder von der Mosel, der an noble burgundische Pinot Noirs erinnert, habe ich neulich berichtet.
In den folgenden Zeilen geht es weniger um Twardowski und seine Geschichte, dafür mehr um den Wein aus seinem Keller.
Eigentlich um DIE WEINE (Mehrzahl), denn das Ziel des weinverliebten Ehrgeizlings ist es, in jedem Jahr einen Tropfen zu kreieren, der sich von den anderen Jahrgängen deutlich unterscheidet.
Ja, das ist etwas für eingefleischte Weinfanatiker.
Der große Weinmarkt hat Spinnereien dieser Art nämlich nicht so gern. Dort zählt Kontinuität, also ein gleichbleibendes Geschmacksbild. Der Kunde trinkt lieber, was er schon kennt.
Klar, dass man Twardowskis Pinot Noix (kein Schreibfehler!) kaum per Zufall im Weinladen um die Ecke findet.
Ganz abgesehen davon, dass der Preis von 70 Euro erklärungsbedürftig ist.
Ich sage dazu nur soviel: Auch Vermögende haben das Recht auf ein schönes Leben. Diese Einsicht mag beim tagtäglichen Medienkonsum gelegentlich verloren gehen.
Jedenfalls gibt es bereits ein ansehliches Grüppchen von Weinkundigen, das sich Twardowskis Pinot Noix in die Kehle gießt. Super-Winzer Egon Müller und auch die Eigentümer des Weinguts JJ Prüm gehören dazu.
Zurück zum Wein.
Twardowskis erklärtes Ziel ist es also, die jeweilige Jahrgangstypizität deutlich herauszuarbeiten. Das betont er immer wieder.
Wie ein Holzbildhauer, der beim Schnitzen einer Skulptur auf den Wuchs des Materials eingeht und ein Kunstwerk erschafft, das die Spuren seiner Herkunft klar erkennen lässt.
Ich habe drei Jahrgänge des Pinot Noix gemeinsam mit erfahrenen Spätburgunder-Experten verkostet: 2011 bis 2013. Und wir alle sind vom Gestaltungswillen des jungen Twardowski schier begeistert.
Nase
Schon im Duft kündigt sich in unseren Gläsern Großes an. Da sind intensive Waldbeere-Noten und dunkle Kirsche, verwoben mit dichten und würzigen Aromen, die sich von Jahr zu Jahr durch Nuancen unterscheiden.
Im 2013er ist das ein Hauch von Ledergeschäft oder Domina-Studio.
Ich weiß schon, dass ihr euch jetzt fragt, wie es bei einer Domina riecht.
Das, liebe Weinfreunde, überlasse ich eurer Fantasie.
Der 2012er duftet auch ein bisschen nach Künstler-Atelier, Linoldruck und Moped.
Im 2011er finden wir dafür deutlich mehr Schieferwürze im Duftbild als in den anderen Jahren.
Und 2013?
Wieder neues Leder und insgesamt sehr intensiv. Früchte, Früchte, Früchte. Man will gar nicht anfangen zu trinken, so betörend ist das Dufterlebnis.
2011 war der erste offizielle Jahrgang des Weingutprojekts. Zwar wurden bereits zuvor Trauben geerntet und verarbeitet, doch das Ergebnis ließ Twardowski nicht den großen Schritt an die Öffentlichkeit wagen.
Das Jahr war äußerst warm und nicht leicht für die Winzer an der Mosel. Aufgrund der Hitze drohten die Säurewerte in den Keller zu gehen, man hatte zur Lesezeit mit viel Feuchtigkeit zu kämpfen und einhergehender Fäulnis. Ganz abgesehen von schlimmen Hagelschäden im Sommer.
Mund
2011 hat im Pinot Noix kaum Schiefernoten hinterlassen, jedoch dichte Struktur und Mineralität. Im Vergleich zu den anderen beiden Jahrgängen ist der Wein geradezu diskret.
Der 2013er hingegen schmeckt eher weich, wartet mit herrlicher Beerenaromatik und dem Rauch einer süßlichen Maduro-Zigarre auf.
2012 packt mich fast männlich an. Hier sind die Tannine (noch) fester.
Beide (2012 und 2013) kitzeln meinen Gaumen mit undeutscher Spätburgundersäure und erfrischender Frucht.
Im 2013 finden wir dünn geschnittenes Rauchfleisch und dunkelrote Gummibärchen.
Doch lassen wir Twardowski einfach selber zu Wort kommen und uns vom Abenteur Wein berichten. Beginnend mit dem Jahrgang 2011.
Unsere Tochter Maya war gerade 7 Monate alt und wir standen vor der ersten großen Lese. Die Scherer waren geschliffen und geölt, die 20 Kilo-Kisten gestapelt, die Trauben an den Reben perfekt, kleinbeerig, locker, gesund und voller Aromen von Frucht und Schieferwürze. Auch das Wetter spielte mit. Die Lese ging gut und schnell voran. Als wir nach drei Tagen intensiver Arbeit die Trauben im Keller und das Tor der Kelterhalle geschlossen hatten, begann es wie aus Eimern zu schütten. Glück gehabt!
2012 fiel dann allgemein kühler aus als das Vorjahr und zauberte mehr Säurespannung in die Weine. Twardowski erzählt…
Im Mai hatten wir Spätfröste, die voraussichtliche Erntemenge musste brutal nach unten korrigert werden. Nur vereinzelt waren Trauben an den Stöcken zu sehen. Aber die wurden dann von der Sonne verwöhnt und ergaben tiefschwarze, perfekt-gesunde Beeren mit schöner Säure und himmlischer Frucht. Dank unserer 10 Helfer war die Ernte innerhalb von zwei Tagen gelesen. Es folgten 14 Tage natürlicher Vergärung, danach zwei Tage Standzeit auf der Maische, um die Tanine zu strukturieren. Die Menge von nur 750 Litern (drei Barriquefässer) war leider mau. Deshalb besorgten wir Wärmekerzen, um die Stöcke vor künftigem Spätfrost zu schützen. Im April 2013 war es wieder soweit. Einige Dorfbewohner waren ganz erschrocken und glaubten, der Weinberg brennt.
Im Folgejahr 2013 verzögerte kaltes und nasses Frühlingswetter die Blüte an der Mosel und anderen Gebieten. Es folgte ein warmer und sonniger Sommer. Der Herbst war wieder von Regen geprägt und machte den Winzern die Arbeit nicht leicht.
Und wieder Jungwinzer Twardowski…
Es war ein Jahr voller Hoffnung, nach den kleinen Mengen aus 2012. Aber der Spätfrost hatte leider Langzeitschäden an den Reben verursacht, die nur langsam verheilten. Es blieben kleine Erträge. Das hat aber auch etwas Gutes. Der Wein ist konzentriert und durch die gute Säure trotzdem leicht und fruchtig-warm. 2013 pressten wir zum ersten Mal in unserer altmodischen Korbpresse. Schonender und kontrollierter geht es nicht. Zum Schluss hatten wir 7 Barriques befüllt. Ich denke, das Reifepotenzial dieses Weins ist recht groß.
Wer jetzt neugierig geworden ist, kann ja selber probieren.