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Chile: Kennst du das Berlin Tasting?

Der schlaue Eduardo Chadwick.
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Schlitzohr Eduardo Chatwick ist Winzer und reicher Großunternehmer in Chile. 2004 ließ er namhafte Verkoster in Berlin zusammenkommen, damit sie im Rahmen einer Blindprobe seine Weine im Vergleich zu weltberühmten 1er Crus aus dem Bordelais bewerten. Durch einen simplen Trick triumphierte er bei dieser Verkostung.
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Im Jahr 2004 kamen 36 Weinexperten (professionelle Verkoster und Winzer) nach Berlin, um einer Blindprobe beizuwohnen. Die Veranstaltung hieß in Anlehnung an eine andere sehr bedeutsame Blindverkostung im Jahre 1976 „Berlin Tasting“. Noch nie davon gehört?

Macht nichts. Ich wusste bis vor kurzem auch nichts darüber und stieß darauf, als ich mehr über einen köstlichen und sehr günstigen Rotwein und seinen Winzer lernen wollte. Der ist ein reicher Mann namens Eduardo Chadwick aus Chile und war damals der Meinung, dass seine Weine gegen die Besten der Besten bestehen können. Deshalb lud er zu diesem Ereignis, das von den Herren David Spurrier (Londoner Weinhändler und Organisator des jetzt aber wirklich berühmten → Urteil von Paris) und René Gabriel (gelernter Koch, genialer Bordeauxkenner und Glasunternehmer aus der Schweiz) als Co-Gastgeber flankiert wurde.

Unter den 36 Verkostern im Sal des Ritz-Carlton-Hotels am Potsdamer Platz waren Menschen, von denen der Captain noch nie gehört hat. Aber auch andere, die er kennt. Zum Beispiel Weinhändler und Winzer Adolph Huesgen VIII. von der Mosel oder Lenz Moser V aus Österreich, der einer alten Weindynastie angehört, für Robert Mondavi arbeitete und jetzt den Chinesen die Erzeugung hochwertiger Weine beibringt. Von ihm stammt die Idee des Berlin Tasting. Oder Hendrik Thoma (keine römische Zahl hinter dem Namen), Master Sommelier in Hamburg und Weinhändler-Pionier, der dafür sorgt, dass viele spannende Überseewinzer in Deutschland vertreten sind. Wer die ganze Liste der Verkoster von damals einsehen will, klickt → hier.

Wie man auf der verlinkten Website sieht, trug man in jenen Tagen gelbe Krawatten. Ist also wirklich schon sehr lange her. Um die Story abzukürzen: Sieger der Blindprobe waren natürlich Chile und die Weine von Chadwick. Und zwar gegen eine ganze Reihe (eindeutig zu früh geöffneter) Edelweine aus Europa. Hier ist der Chart:

  • Viñedo Chadwick 2000
  • Seña 2001
  • Château Lafite Rothschild 2000
  • Château Margaux 2001
  • Seña 2000 (ex aequo)
  • Viñedo Chadwick 2001
  • Château Margaux 2000 (ex aequo)
  • Château Latour 2000 (ex aequo)
  • Don Maximiano 2001
  • Château Latour 2001
  • Solaia 2000 (ex aequo)

Ex aequo ist übrigens lateinisch und bedeutet gleichrangig. Dabei weiß jeder Wein-Einsteiger, dass die Ersten Gewächse und viele anderen Granaten mindestens zehn Jahre brauchen, bis sie trinkreif sind. Und erst nach 20 Jahren zu wahrer sensorischer Größe erwachsen. Aber die Herrschaften im Berlin Tasting öffneten damals tatsächlich nur vier Jahre lang gereifte 1er Crus aus dem Bordelais. Eigentlich noch kürzer, nämlich etwas mehr als drei Jahre, denn das Tasting fand im Januar 2004 statt. So kann man sich natürlich auch ein Ergebnis zurechtbiegen – unter den Augen von 36 angesehenen Verkostern. Merkten die eigentlich, dass sie reingelegt wurden? Was eine Blindprobe ist, steht → hier.

Der Fuchs Lenz Moser V fädelte das ziemlich schlau für seinen Auftraggeber Eduardo ein und strickte daraus eine große PR-Story. Dabei ist Eduardo Chadwick alles andere als ein schlechter Winzer, seine Weine machen wirklich was her. Wie zum Beispiel mein Abendwein, der irre würzige und dabei milde → Errázuriz Estate Carmenere, der nicht mal 9 Euro kostet, aber dafür sehr viel Weinspass liefert: Dieser mit 13,5% Vol. Alkohol ungemein leichte, aber irre würzige Chilene aus der Rebsorte Carménère (schreibt man außerhalb Frankreichs ohne Akzent) ist ein einziger Schrei nach Gulasch, egal ob ungarischer, koreanischer oder persischer Art. Für einen Roten seiner Preisklasse ist er erstaunlich gut gelungen, dass der Captain große Augen machte, als er ihn probierte. Im Glas rot wie gestocktes Blut aus dem Krimi. In der Nase getrockneter Rosenpaprika, Kardamon, ein Hauch Kümmel. Im Mund geht’s genauso würzig weiter. Ich schmecke Dörrpflaume, Paprika, einen Hauch Chili, Tomatenkonfit und ein Quentchen Extraktsüße. Dann Schwarzer Pfeffer, Orangenschale, Lakritze. Im Abgang viel Blutorange – herrlich!

Es heißt übrigens, der Errázuriz Estate Carmenere lagerte zu 70% in französischen Barriques. Ist wahrscheinlich auch so ein Trick. Zu diesem Preis kann man keinen Wein aus Barriques (Neupreis ca. 900 Euro/ Fass) liefern. Schon eher solche, in denen Eichenbretter steckten, um die gewünschte Aromatik zu erzielen. Dagegen ist nichts einzuwenden, ist ökologisch vielleicht sogar besser. Klingt nur leider nicht so pompös. Weingesetzliche Vorschriften in Chile sind relativ lasch, sodass es durchaus möglich ist, dass sich im Wein auch noch andere Rebsorten tummeln. Zum Beispiel Petit Verdot, Syrah oder Cabernet Sauvignon. Das tut dem Wein meistens ganz gut.

Carménère ergibt Weine von mittlerem Körper. Die Sorte stammt ursprünglich aus dem Bordelais und wurde in Europa durch die Reblaus im 19. Jahrhundert beinahe komplett ausgerottet. Heute wächst sie fast nur noch in Chile, wo es neben den dominierenden Großproduzenten eine sehr lebendige Weinszene mit vielen kleinen Herstellern gibt. Kenner schätzen Carménère für seine geschmeidigen Aromen von roten und schwarzen Beeren (ähnlich wie Merlot) und seine kräutrigen Noten. Lange Zeit hielt man in Chile die Rebsorte für einen Merlot-Klon, bis erst 1994 durch Analysen eindeutig festgestellt wurde, dass es sich um Pflanzen mit alten französischen Carménère-Genen handelt.

 

Datum: 25.10.2020 (Update 29.7.2021)