Wie man auf der verlinkten Website sieht, trug man in jenen Tagen gelbe Krawatten. Ist also wirklich schon sehr lange her. Um die Story abzukürzen: Sieger der Blindprobe waren natürlich Chile und die Weine von Chadwick. Und zwar gegen eine ganze Reihe (eindeutig zu früh geöffneter) Edelweine aus Europa. Hier ist der Chart:
Ex aequo ist übrigens lateinisch und bedeutet gleichrangig. Dabei weiß jeder Wein-Einsteiger, dass die Ersten Gewächse und viele anderen Granaten mindestens zehn Jahre brauchen, bis sie trinkreif sind. Und erst nach 20 Jahren zu wahrer sensorischer Größe erwachsen. Aber die Herrschaften im Berlin Tasting öffneten damals tatsächlich nur vier Jahre lang gereifte 1er Crus aus dem Bordelais. Eigentlich noch kürzer, nämlich etwas mehr als drei Jahre, denn das Tasting fand im Januar 2004 statt. So kann man sich natürlich auch ein Ergebnis zurechtbiegen – unter den Augen von 36 angesehenen Verkostern. Merkten die eigentlich, dass sie reingelegt wurden? Was eine Blindprobe ist, steht → hier.
Der Fuchs Lenz Moser V fädelte das ziemlich schlau für seinen Auftraggeber Eduardo ein und strickte daraus eine große PR-Story. Dabei ist Eduardo Chadwick alles andere als ein schlechter Winzer, seine Weine machen wirklich was her. Wie zum Beispiel mein Abendwein, der irre würzige und dabei milde → Errázuriz Estate Carmenere, der nicht mal 9 Euro kostet, aber dafür sehr viel Weinspass liefert: Dieser mit 13,5% Vol. Alkohol ungemein leichte, aber irre würzige Chilene aus der Rebsorte Carménère (schreibt man außerhalb Frankreichs ohne Akzent) ist ein einziger Schrei nach Gulasch, egal ob ungarischer, koreanischer oder persischer Art. Für einen Roten seiner Preisklasse ist er erstaunlich gut gelungen, dass der Captain große Augen machte, als er ihn probierte. Im Glas rot wie gestocktes Blut aus dem Krimi. In der Nase getrockneter Rosenpaprika, Kardamon, ein Hauch Kümmel. Im Mund geht’s genauso würzig weiter. Ich schmecke Dörrpflaume, Paprika, einen Hauch Chili, Tomatenkonfit und ein Quentchen Extraktsüße. Dann Schwarzer Pfeffer, Orangenschale, Lakritze. Im Abgang viel Blutorange – herrlich!
Es heißt übrigens, der Errázuriz Estate Carmenere lagerte zu 70% in französischen Barriques. Ist wahrscheinlich auch so ein Trick. Zu diesem Preis kann man keinen Wein aus Barriques (Neupreis ca. 900 Euro/ Fass) liefern. Schon eher solche, in denen Eichenbretter steckten, um die gewünschte Aromatik zu erzielen. Dagegen ist nichts einzuwenden, ist ökologisch vielleicht sogar besser. Klingt nur leider nicht so pompös. Weingesetzliche Vorschriften in Chile sind relativ lasch, sodass es durchaus möglich ist, dass sich im Wein auch noch andere Rebsorten tummeln. Zum Beispiel Petit Verdot, Syrah oder Cabernet Sauvignon. Das tut dem Wein meistens ganz gut.
Carménère ergibt Weine von mittlerem Körper. Die Sorte stammt ursprünglich aus dem Bordelais und wurde in Europa durch die Reblaus im 19. Jahrhundert beinahe komplett ausgerottet. Heute wächst sie fast nur noch in Chile, wo es neben den dominierenden Großproduzenten eine sehr lebendige Weinszene mit vielen kleinen Herstellern gibt. Kenner schätzen Carménère für seine geschmeidigen Aromen von roten und schwarzen Beeren (ähnlich wie Merlot) und seine kräutrigen Noten. Lange Zeit hielt man in Chile die Rebsorte für einen Merlot-Klon, bis erst 1994 durch Analysen eindeutig festgestellt wurde, dass es sich um Pflanzen mit alten französischen Carménère-Genen handelt.