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Arunda: Der Zauberer von CO2

Sepp Reiterer, Sektkönig von Südtirol.
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Wundersamer Sekt aus Südtirol, den es bald nicht mehr gibt. Der Captain stellt den Schaumweinpionier Josef Reiterer vor, der in den Alpen eine Sektkellerei betreibt.
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Der Captain berichtet von seiner jüngsten Reise nach Südtirol. Die Weinregion ist mit 5.300 Hektar Rebland fast doppelt so groß wie das Rheingau und das kleinste Anbaugebiet Italiens – zumindest was den Ausstoß betrifft. Nur knapp ein Prozent der Weine Italiens kommt aus Südtirol. Aber im etablierten Weinführer Gambero Rosso kassieren Südtirols Winzer die meisten Höchstnoten. Trotzdem gelingt es nicht, im weinverliebten Ausland so zu glänzen, wie man gerne möchte. Wein aus Südtirol auf deutschen Weinkarten? Fehlanzeige. Woran liegt das? Der Captain weiß es nicht. Es ist aber auch nicht seine Aufgabe, das zu wissen. Möglicherweise hat man sich in ein PR-Konzept verrannt, das auf die falschen Vermittler setzt. Elitär-hippe Weinsnobs, die pseudocool dozieren, anstatt echte Überzeugungsarbeit zu leisten und auf das zu setzen, was des Südtirolers naturgegebene Eigenschaft ist: Charme. Egal, dann muss der Captain eben aushelfen.

Also. Der Captain traf hoch über Bozen bei einem gemütlichen Frühstück die regionale Weinbaulegende Josef Reiterer. Wobei: „Weinbau“ ist hier definitiv das falsche Wort, denn Reiterer besitzt keinen einzigen Rebstock. Bei ihm zu Hause würde dergleichen auch gar nicht gedeihen, denn der weißhaarige Mann mit den lustig funkelnden Augen wohnt und arbeitet auf knapp 1.200 Metern Seehöhe. Reiterer ist Gründer und Eigentümer der Sektkellerei Arunda in Mölten und lässt sich fertige Grundweine von Vertragswinzern liefern, die er in aufregende Prickler verwandelt. Reiterers Repertoire umfasst 12 verschiedene flaschenvergorene Schäumer, die Jahresproduktion liegt bei 130.000 Flaschen, die aus dem riesigen Keller unter seinem mittelalterlichen Bauernhaus in die weite Welt geschickt werden. Aber Reiterer versektet nicht nur für sich selber, sondern auch für namhafte Winzer, sagt er. Zum Beispiel: Salvo Foti, Benanti (beide Ätna) und Planeta.

Im Jahr 1979 fing alles mit 300 Flaschen Weißburgunder-Sekt an. Reiterer, der sich nach seiner Ausbildung zum Önologen auf der Laimburg (landwirtschaftliche Schule) und einer Lehrzeit auf dem Staatsweingut Bad Kreuznach, dem Vertrieb von Kellergeräten gewidmet hatte, kehrte mit seiner Frau Marianne zurück an den elterlichen Hof, um Sektmacher zu werden. Biochemische Vorgänge hatten ihn von jeher fasziniert. Seinen Platz wähnte er dort, wo aus Grundweinen Sekt entsteht. Wo man an önologischen Stellschrauben Millimeterarbeit leistet und ein falscher Handgriff Tausende Liter verderben kann. Josef Reiterer wurde zum Zauberer von H2CO3, jenem Gas, das man umgangssprachlich als Kohlensäure bezeichnet und das uns so viel Freude macht, wenn es Wein zum cremig-prickelnden Trinkgenuss macht.

Die Wahrheit über Sekt aus Deutschland

Der Start war allerdings nicht einfach. Die Weinwirtschaft Südtirols befand sich am Anfang eines Wandels weg vom Saufweinlieferanten. Wein mit Blasen jedoch galt als Inbegriff der Dekadenz und stand im Widerspruch zum bäuerlichen Image der Region. Bis heute trauen sich nur ganz wenige Hersteller an das Thema Sekt, darunter die verdienstvolle Kellerei Kettmeir mit eleganten Schäumern, die der Captain mag.

Die landesweite Sektproduktion beträgt lediglich 250.000 Flaschen. Für ein Weinland dieser Größenordnung ist das ein Witz. Josef Reiterer zum Captain: Südtirol ist 50 Jahre zu spät in die Sektproduktion eingestiegen. Wir haben so viele Tonnen Weintrauben an die großen Spumante-Hersteller wie Ferrari geliefert und stehen jetzt ohne Sekt da. Nun steuert man dagegen, versucht eine Sektkultur zu etablieren, um vom weltweiten Sprudelboom zu profitieren. Es gibt sogar eine Südtiroler Sektvereinigung. In der Broschüre der Organisation werden 7 Hersteller genannt. Da ist wohl noch Luft nach oben.

Der zweifellos spektakulärste Schaumwein von Arunda heißt Phineas II und es wird ihn nicht mehr lange geben. Bereits heute sind die 65-Euro-Flaschen eine Rarität. Warum?

Die Geschichte dieses Genussmittels geht auf eine andere Weinlegende zurück, nämlich den schwäbischen Weinprofessor und Gelehrten Rainer Zierock, Ex-Ehemann von Elisabetta Foradori und Mitschöpfer des berühmten Kultweins Granato aus Teroldego-Trauben.

Zierock forschte am renommierten Instituto Agrario di San Michele all’Adige und entwickelte später eine esoterisch angehauchte Weinbauphilosophie, die sich an der altgriechischen Geometrie orientierte. Die Entwicklung des Phineas-Sekts begann kurz nach der Jahrtausendwende, als Zierock in seinem kleinen Weingut oberhalb des Eisacktals den Weißwein Dolomytos aus Chardonnay, Weißburgunder und der griechischen Retsina-Traube Assyrtiko (alle im → gemischten Satz angebaut) erfand. Der nimmermüde Weinforscher arbeitete auch als Berater in ganz Europa und kam auf diese Weise mit der griechischen Weinwelt in Kontakt. Zierock entwickelte eigens für seine Weine zigarrenförmige Eichenfässer mit nur 150 Liter Volumen, die heute noch in Gebrauch sind. Reiterer und Zierock verstanden sich gut und beide kamen überein, dass man aus Zierocks Weinberg auch Grundweine keltern kann, die Reiterer zu einem ganz besonderen Sekt veredelt. 2009 verstarb Zierock und hinterließ hohe Schulden. Das Anwesen wurde zwangsversteigert und liegt heute glücklicherweise in den Händen der Winzerfamilie Marginter, die das Erbe würdig verwaltet. Sie füllt Weine im Sinne des toten Meisters ab. Für Arunda jedoch war 2010 der letzte Jahrgang, der geliefert wurde und deshalb zählen die 500 übrig gebliebenen Flaschen (laut Reiterer) nun als Seltenheit, wenngleich es bereits einen Nachfolger gibt: Phineas III ohne Assyrtiko. Aber weil der Captain ein Jäger des Besonderen ist, hat er für euch Phineas II verkostet, der monumentale 8 Jahre auf der Hefe lag und mit 4 Gramm Dosagezucker (sagt Reiterer, bei manchem Händler steht etwas anderes) recht trocken schmeckt. In der Nase Hefezopf mit Butter und Marillengelee. Dann Bergkräuter, Weiße Johannisbeere, feste Banane, Orangenschale. Im Mund rauchig wie Honig und wieder Banane, Orange, dann Mandarine, Limette, gelber Apfel und Karamell, zartbitter. Ein sinnliches Meisterwerk der Sektmacherkunst! Die Säure ist meisterhaft eingebunden, die Perlage fein und erfrischend und schäumt nicht zuviel.

Josef Reiterer trinkt privat natürlich viel Stillwein, zum Beispiel Brunello. Aber auch Deutschland. Im privaten Weinkeller schlummern 600 Flaschen Riesling von Dönhoff, Vollrads, Schäfer-Fröhlich und Schloss Johannisberg. Von den deutschen Sekten schätzt er die von Buhl. Woher kommt eigentlich der Name Arunda? Der Arundakopf ist ein 2.879 Meter hoher Berg.

 

Datum: 17.10.2020 (Update 30.5.2021)
 

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