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Sekt ist nicht gleich Sekt. In diesem Artikel lernst du den Unterschied zwischen gutem und – naja – gar nicht gutem Sekt. Dieser Unterschied ist gewaltig. Es kommt nämlich auf die Methode der Herstellung an und welche Art Trauben verwendet wurden.
Der Genuss-Abstand zwischen beiden (gut und gar nicht gut) ist ähnlich wie bei billiger Supermarktwurst, die in Großfabriken aus Schlachtabfällen hergestellt wurde, und hausgemachter Bauernwurst vom Wochenmarkt.
Das unterscheidet beide Arten von Sekt bei der Herstellung:
- Industriewein von maschinell gelesenen Trauben aus konventionellem Massenanbau irgendwo in Europa wird in turnhallenroßen Stahltanks deutscher Sektfabriken vergoren und abgefüllt. Dabei geht ein großer Teil des natürlichen Kohlendioxids aus der Gärung verloren und wird durch Industriegas ersetzt. Das ganze landet in den Läden und Gläsern der Konsumenten. Sie verleiben sich ein Getränk ein, das wie klebrig-süße Sprite schmeckt, in die man Ascorbinsäure gestreut hat, und nur wenig mehr kostet. Name des Produkts: Sekt.
- Deutscher Wein, im besten Fall aus handgelesenen Trauben (womöglich in gefährlich steiler Lage) und sorgfältig selektionierten Beeren, wird beim Versekter zum zweiten Mal zur Gärung gebracht. Dort teilweise jahrelang zum Zweck der Reifung gelagert, gerüttelt, degorgiert (so nennt man die aufwendige Entfernung der Hefe aus dem fertigen Sekt) und verkorkt. Danach in den Handel geliefert und dort gekauft. Für manchmal 10, eher 15, gelegentlich 30 Euro oder sogar mehr. Cremig liegt der Trunk auf der Zunge, wo die Perlage fein zerplatzt. Süße und Säure geben sich die Hand. Erfrischend plätschert der Schluck die Kehle hinab. Name des Produkts: Sekt.
Bist du bereit für guten Sekt? Dann lass mich erklären, wie du guten Sekt von gar nicht guten Sekt zu unterscheiden lernst. Das ist beim Kauf nämlich gar nicht so leicht zu erkennen.
Nachdem du diesen Artikel fertig durchgelesen hast, wird sich dein Leben verändern. Zumindest der Teil, in dem du Sekt trinkst…
Der Artikel erschien gerade rechtzeitig vor den Feiertagen auf Spiegel-Online. Titel: „Winzersekt macht Champagner Konkurrenz.“
Es geht darin um traditionell flaschenvergorenen Sekt aus Deutschland und wie er dem Champagner Konkurrenz macht. Beim Lesen des Artikels gerät man ins Staunen. Denn wer dort (neben Erfolgswinzer Volker Raumland) zu Wort kommt, sind die Chefs der Sektkonzerne Henkell und Rotkäppchen-Mumm.
Das ist so, als würde man mit Björn Höcke von der AfD Thüringen über die schönsten Suren des Koran sprechen. Oder mit Daniela Katzenberger über die Bedeutung von Pina Bausch für den zeitgenössischen Tanz.
Um das klarzustellen: Es ist nicht schlimm, wenn sich einer nicht auskennt beim Sekt. Es ist auch nicht schlimm, wenn sich einer nicht auskennt beim Wein. Niemand braucht Wein oder Sekt. Beide sind keine Lebensmittel, sondern dienen dem Vergnügen.
Es ist aber auch nicht schwer, Ahnung von Sekt zu bekommen. Wenn man sich dafür interessiert. Das deutsche Wahlrecht ist viel komplizierter.
Der Parteienstaat und die großen Sektkonzerne haben eines gemeinsam: verdammt viel Glück, dass keiner den Bluff bemerkt, der ihre Macht begründet.
Blickt man in die Schweiz (halbdirekte Demokratie), sieht man, wie sehr das System in Deutschland (repräsentative Demokratie) dem Konzept einer echten Volksvertretung im Wege steht. Nur so konnte es dazu kommen, dass es Parteien gibt, die Politik nur noch für sich selbst machen.
Konzerne bestimmen unser Leben weitaus umfangreicher als die Politik. Was wir auf die Teller kriegen, diktiert die Agrarlobby und Lebensmittel-Discounter, die Milliardärsfamilien gehören. Das Landwirtschaftsministerium (inklusive angehängter Behörden) agiert als deren ausführendes Organ. Warum sollte es bei Wein und weinhaltigen Getränken anders sein als beim Fleisch?
Wer im Supermarkt Sekt einpackt und sich zu Hause am Glas nippend fragt, warum er sein Geld nicht besser in ein paar Flaschen Bier gesteckt hat, ist entweder reif für guten Winzersekt. Oder für immer verloren.
Das Dilemma beim Sekt (wie beim Wein und im Leben insgesamt) ist ja grundsätzlich, dass viel zu wenig Fragen gestellt werden. Der Bürger fragt nicht, sondern nimmt hin, was ihm aufoktroyiert wird.
Der Journalist fragt nicht, sondern zitiert. Siehe Spiegel-Artikel. Das Ergebnis ist ein fataler Wissenshohlraum, der von marketingstarken Organisationen mit Blödsinn befüllt wird.
Die Botschaft der Sektkonzerne lautet gegen jede Logik: Ihr habt da was Edles im Glas. Und dann kommen romantische Bilder von Kellergewölben im Kerzenschein. Die Wahrheit ist viel mehr: Billiger Sekt schmeckt billig, weil er aus minderwertigen Trauben und auf industrielle Weise hergestellt wurde. Was da genau abläuft, erkläre ich jetzt.
Wenn man im Rheingau-Städtchen Eltville an einem Werktag gemütlich in Heinrichs Vinothek & Weinbar sitzt und dort einen der köstlichen Flammkuchen genießt, kann man beobachten, wie schräg gegenüber ein Tanklastwagen nach dem anderen in die Matthäus Müller-Sektkellerei einbiegt. MM gehört zur Rotkäppchen-Mumm-Gruppe. Der Konzern setzte im Jahr 2017 163 Mio. Flaschen Sekt ab und ist Marktführer.
Die Kennzeichen der LKWs weisen auf die Herkunft der Weine hin, die bei MM und anderen Kellereien in deutschen Sektflaschen landen: Spanien, Italien, Frankreich.
Die Weinfabriken der großen Anbauländer pumpen gewaltige Überschüsse in die Welt. Entsprechend niedrig sind die Preise für Weine aus Trauben, die auf gigantischen Plantagen gezüchtet werden, bis riesige Erntemaschinen sie von den Rebstöcken rupfen. Die tonnenweise Verwendung von Kunstdünger und Pestiziden sind die Regel.
Rotkäppchen Tradition Halbtrocken heißt der meistgekaufte Sekt in Deutschland. Gemacht aus Trauben italienischer, spanischer und französischer Herkunft, steht auf der Website von REWE. In einer Filiale der Kette in Berlin-Charlottenburg kostet die Flasche kurz vor Silvester 2,50 Euro. Ziehe ich davon Mehrwertsteuer (40 Cent) und Sektsteuer (1,02 Euro) ab, dann noch die Kosten für Glasflasche, Plastikstöpsel, Kapsel, Drahtbügel (Agraffe) und Etiketten, bleiben rund 50 Cent für den Flascheninhalt übrig. Davon hat der Hersteller aber noch nicht die Transport- und Betriebskosten für seine High-Tech-Sektkellerei bezahlt.
Das REWE-Angebot mag ein besonders günstiges Schnäppchen sein, woanders kostet derselbe Sekt doppelt so viel. Trotzdem ist Billigsekt ein irres Geschäft, das sich für die Beteiligten rechnet. Sonst würde es keiner machen. Nicht nur deshalb ist das, was uns aus deutschen Sektfabriken eingeschenkt wird, ein Äquivalent zur Supermarktwurst aus Schlachtabfällen und genauso kritisch zu betrachten.
Alle Sekte – egal wie teuer oder billig – werden aus bereits fertig vergorenem Wein hergestellt, der einer zweiten Gärung zugeführt wird. Das gilt auch für Champagner, Crémant und spanischen Cava. Gemeinsames Kennzeichen ist die sogenannte Perlage aus Kohlendioxid, die dem Getränk in Gestalt kleiner Blasen entweicht.
Beim traditionellen und aufwendigen Flaschengärverfahren findet die zweite Gärung in der Flasche selbst statt. Nach mindestens 9 Monaten Ruhezeit auf der Hefe (bessere Sekte liegen drei Jahre und länger, um Textur und Aromen, welche die Hefe liefert, optimal auszubilden), erfolgt das sogenannte Degorgement, auch Enthefen genannt. Dabei wird die Flasche auf den Kopf gestellt und die Hefe im Stickstoffbad vereist. Sie schießt beim Öffnen durch den eigenen Druck aus dem Flaschenhals. Dann füllt man die sogenannte Dosage nach und verkorkt die Flasche. Fertig. Bei entsprechender Sektmacherkunst zeichnet sich das Endprodukt durch eine weiche und erfrischende Perlage aus natürlich entstandener Kohlensäure aus. Du spürst einen hauchdünnen Schaumteppich auf der Zunge, der angenehm kitzelt und das Gefühl von Frische vermittelt.
Sekte, die so hergestellt wurden nennt man flaschenvergoren. Manchmal steht da auch Aus traditioneller Flaschengärung auf dem Rückenetikett. Es lohnt sich also nach dem Kleingedruckten zu suchen.
Der Rotkäppchen Tradition Halbtrocken und viele andere deutschen Industriesekte, werden im sogenannten Tankgärverfahren produziert, das dem Hersteller gegenüber der traditionellen Flaschengärung enorme ökonomische Vorteile bietet.
Beim Tankgärverfahren findet die zweite Vergärung der Grundweine in riesigen Behältern statt, die weit über 100.000 Liter fassen können. Nach der Hefe-Filtration kommt das Erzeugnis in die Flaschen. Dass das Umfüllen aus einem Riesentank unter Druck in kleine 0,75-Liter-Flaschen kein leichtes Unterfangen ist, kann man sich auch als Laie vorstellen. Ein großer Teil des natürlichen Kohlendioxids, das beim langsamen Vergären entstand, geht dabei verloren und muss durch technisch hergestelltes Gas ersetzt werden, das die Perlage grob macht. Daneben gibt es noch ein dritte gängige Methode. Sie heißt Transvasier-Verfahren und ist eine industriell anwendbare Abwandlung der Flaschengärung. Die meisten Sekte aus dieser Art der Herstellung prickeln nur kurz und rustikal auf der Zunge und schmecken schal. Damit man das nicht merkt, hat sich die Gastronomie einen Trick ausgedacht: Man serviert diese Billigsekte eiskalt. Das betäubt die Geschmackssinne im Mund und vermittelt die kurze Illusion von Frische.
Der Unterschied zwischen Sekt und Sekt ist nicht leicht zu vermitteln. Fragt mal in eurem Freundeskreis nach. Auch der Hinweis auf die Flaschengärung hilft wenig. Viele verstehen nicht, was gemeint ist.
Wie erkläre ich es mit einfachen Worten?
Das fragen sich auch die Sektmacher und bilden Gremien. So macht man das, wenn man in Deutschland nicht mehr weiter weiß.
Beim VDP (Verband deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter) hat man die ohnehin völlig undurchsichtige Klassifikation (Gutswein, Ortswein, Großes Gewächs, Erste Lage, Große Lage etc.) um ein eigenes System für Sekt ergänzt. Damit ist das Chaos perfekt.
Beim Deutschen Sektverband arbeitet man an Qualitätsstufen wie „geschützter Ursprung“ (g.U.) und „geschützte geografische Angabe“ (g.g.A.).
Auch im Verband traditioneller Sektmacher (hieß bis vor Kurzem: Verband der Traditionellen Klassischen Flaschengärer) bastelt man an einem Konzept. Erste Idee: Ein neuer Name für die Edel-Sekte muss her. Einige schlugen vor, auf den Begriff „Winzersekt“ umzusteigen. Das kam aber intern nicht so gut an. Es hieß: Das klingt nach Schweiß und Arbeit.
Die Suche geht weiter…
Lieber Captain,
vielen Dank für diesen Artikel, der mir aus dem Herzen spricht! Ich bin Weinhändlerin in Berlin Schöneberg und seit jeher im Auftrag des Flaschengärungssektes unterwegs, des Crémants, Cavas oder Winzersektes und speziell im Interesse des Methode Cap Classique aus Südafrika.
Na ja, insofern teile ich die Ratlosigkeit des Captains bezüglich der mangelnden Orientierung der Kunden, aber, wie mir scheint, schon auch einiger Weinhändlerkollegen. Was mir da zu Ohren kommt…
Ich habe auch keine Idee für eine neue Klassifizierung und halte die auch für überflüssig. So schwer isses nicht und meine Maxime heißt seit Jahr und Tag: Ich rede mir den Mund fusslig. Ich erkläre und erläutere und werbe für das Qualitätsprodukt, dass kein Auge trocken bleibt, und ich mache es gern!
Salut und guten Rutsch!
Sehr geehrter Captain,
mit Freude las ich Ihren Artikel und gebe Ihnen in vielen Dingen Recht. Aus meiner Sicht ist es ein Unding, dass beliebige Massenweine aus aller Welt importiert werden können und daraus ein ‚deutscher Sekt‘ entsteht, der nur irgendwo am Etikettenrand unauffällig den Zusatz ‚Aus Weinen der europ. Gemeinschaft‘ trägt.
Bei Sekt ist allerdings die Zugabe von technischer CO2 aus der Gasflasche nicht zulässig, die Kohlensäure muss aus der ersten bzw. zweiten Gärung stammen, es ist auch technisch kein Problem eine Sektflasche im Überdruck zu befüllen, gängig sind hier Überdruckfüller bzw. Ringkesselfüller. Beim Bier ist dies ebenso üblich.
Über die neuen Klassifizierungen ist so ziemlich keiner in der Winzerschaft glücklich. G.U. (geschützer Ursprung) und g.g.A. sind sperrige unnötige Verkomplizierungen des Bezeichnungsrechtes, das beim Verbraucher der kein Oenologiestudium oder Jurastudium absolvieren möchte bestenfalls Verwirrung stiftet.
Nach Plänen aus der Politik wird es künftig noch komplexer werden, wenn zusätzlich noch die Nährwertkennzeichnung noch hinzu kommen soll.
Worauf kann also ein Verbraucher achten?
An der Bezeichung ‚Sekt‘ sollte mindestens ein ‚b.A.‘ hängen, also ‚… Sekt b.A.‘. Zusätzlich muss dann eine Prüfnummer angegeben sein, Achtung, keine Losnummer. Also ‚A.P.Nr.:‘ oder ‚L.A.P.Nr‘. Das bedeutet, dass der Sekt zumindest die Amtliche Prüfung in Deutschland durchlaufen hat und chemische sowie geschmackliche Grundqualität besitzt.
Sie ist zwar etwas angestaubt, aber im Moment haben wir aus meiner Sicht nichts besseres als unabhängige Prüfstelle, die Kammerpreismünze. Wenn der Sekt eine Münze (Bronze Silber Gold) der Landwirtschaftskammer erreichte kann man das Produkt schon als ordentlich bewerten.
Was die Pflanzenernährung angeht gehe ich mit Ihren Ausführungen nicht konform. Unsere Landwirtschaftsministerin beklagte erst unlängst den Humusabbau auf deutschen Flächen. Das Problem ist, dass auf der anderen Seite EU-Recht mit der Düngeverordnung steht. Ich habe bei mir über Jahre mit Mist aus Tierhaltung und Einsaaten die Reben ernährt, was wunderbar funktionierte. Durch die neue Verordnung darf ich dies jedoch nicht mehr wegen Schieflage der Nährstoffeinbringung aus organischen Quellen. In der Folge kann ich nun nur noch mineralisch konventionell arbeiten so leid mir das tut.
Was die Erntemaschine angeht kann man auch kontrovers diskutieren, würde hier jedoch zu weit schweifen.
Ein frohes Neues Jahr noch und weiterhin gute Artikel 🙂
PS: Verarbeitungsweine kommen aus Südeuropa derzeit ~ 23ct/l