Italien, da geht dem Deutschen das Herz auf. Italien, das Sehnsuchtsland.
Auch in Sachen Weinkultur. Viel Sonne. Und Reben in perfekter Landschaft. Doch muss man sagen, dass italienischer Wein vor vierzig Jahren größtenteils untrinkbares Zeug aus Massenproduktion war; ein Gesöff, das jedes Jahr entweder für einen nationalen oder internationalen Weinskandal verantwortlich zeichnete.
Italienischer Wein erhielt seine internationale Reputation erst, als einige toskanische Familien auf die Idee kamen in der todlangweiligen aber klimatisch wie geologisch interessanten Region Bolgheri Fantasieweingüter hochzuziehen und diese in der markengeilen Moderne zu erden.
Frescobaldi und Antinori kreierten Ornellaia, Solaia, Masseto, oder Guado al Tasso; Weine, die heute zu den teuersten der Welt zählen; Gelddruckmaschinen für einen neuen Weinmarkt, der eher kalifornisch als toskanisch agiert.
In den Neunziger-Jahren zog die Boom-Karawane in die Regionen Barolo und Barbaresco weiter, wo Angelo Gaja zum teuersten Winzer Italiens aufstieg. Heute gibt es sogar hochwertige Weine aus Apulien und Sizilien; Regionen, die einst nur für einfache und robuste Landweine bekannt waren; Plörren, die Intellektuelle gerne als ehrliche Weine rühmen.
Allen diesen Säften ist aber eines gemeinsam: Sie halten weit weniger lange, als die Weinmacher und Winzer vorhergesagt haben.
Der Ornellaia aus 1990 (in ganz Europa ein herausragendes Weinjahr) hat in der normalen Flasche (0,75 Liter) schon gewaltig abgebaut. Das Gleiche gilt für den Sassicaia. Nur der Solaia und der Guado al Tasso trotzen der Zeit. Als einzige Weine aus diesem Spitzenjahr.
Die Weine aus Bolgheri müssen mit gleichwertigen und damals gleich teuren Spitzenweinen aus dem Bordelais verglichen werden. Diese stehen allesamt viel besser da, reif zwar, aber mitunter noch mit gewaltigem Lagerpotential. Noch eindrücklicher wird es, wenn man die Jahrgänge 1989 vergleicht. Da verlieren auch viele Barolo ihr Gesicht.
Das will der italophile Weinliebhaber nicht hören. Und auch die italienischen Winzer nicht. Aber nur wenige schicken ihre Weine noch in Jahrgangsverkostungen; eine Ausnahme ist Angelo Gaja, dessen Weine aus Spitzenlagen tatsächlich viele Jahre vertragen können.
Italienischer Rotwein ist also kein Langstreckenläufer. Woher kommt dann sein Ruf, lange Jahre und sogar über Generationen zu halten?
Antwort: Von legendären, alten Rotweinen, die in Vergessenheit geraten sind. Diese Weine gibt es noch. Und sie werden wieder populär.
Populär deswegen, weil sie nie Bestandteil des gigantischen Weintrubel waren. Und deswegen auch im Preis moderat blieben.
Hier ein Beispiel – der Amarone von Allegrini.
Der Amarone kommt aus dem Anbaugebiet Valpolicella und wird vor allem aus den Sorten Corvina, Rondinella und Molinaria gekeltert, die nur in dieser Art Wein Kraft und Finesse zeigen. Amarone wird aus angetrockneten Trauben gepresst.
Das Weingut Allegrini ist sicher nicht der einzige gute Erzeuger dieser archaisch anmutenden Weinrarität. Doch sicher einer, der diese Rarität gelungen mit dem heutigen Weinbau verbindet. Amarone ist in jungen Jahren quasi untrinkbar. Vor allem, weil der hohe Alkoholgehalt sämtliche Finesse killt. Jedoch mit den Jahren transportieren die Bitterstoffe die angenehm trockene Süße des Amarone und der Wein kommt in die Balance.
Erneut wird hier von einem selbsternannten Weinkapitän ein Unsinn behauptet, der nicht haltbar ist. Italienische Weine (nicht nur der Spitzenklasse) halten mehrere Jahrzehnte. Ich selbst habe Baroli von 1890 und 1875 getrunken, die noch in tadellosen Zustand für ihr Alter waren. Auch der Sassiacaia 1990 ist heute noch ein viriler und hammerstablier Wein. Wer die Alterung abspricht, wie der Ruderbootkapitän, der irrt. Werft ihn von der Brücke!
Nur drei lagerfähige Weine aus Italien? Erstaunt mich doch sehr.
Wie sieht es mit den Weinen von Ar. Pe. Pe. (Veltlin) Paolo Bea (Umbrien) Miani (Friaul) Terlan (Südtirol) La Stoppa (Emilia) Mascarello (Piemont) Roagna (Piemont) Cavalotto (Piemont) Rinaldi (Piemont) Pieve di Santa Restituta (Toskana) Valentini (Abruzzen) aus? Alle diese Weingüter stellen mindestens einen Wein her, der mehr als 15 Jahre lagerfähigkeit aufweist. Schon die Tatasache, dass zum Beispiel von Ar. Pe. Pe. der Sassella Riserva Rocce Rosse 1997 momentan im Verkauf ist, wiederlegt ihren Artikel. Mehr Tiefe wäre angebracht.
Und wenn ich richtig darüber nachdenke fallen mir noch mehr Produzenten ein.
Ich rede hier – wie Sie auch dem Text entnehmen können – von extrem lagerfähigen Weinen, die gut trinkbare Jahrgänge wie etwa 1955 oder 1945 vorweisen können. Der Sassella ist wohl jetzt am optimalen Punkt. Aber in zehn Jahre wahrscheinlich müde. Miani ist eine Legende. Aber die falsche..
Sie reden hier von einem Wein, dem Riserva Ducale 1945 oder 1955. Da Sie sicher wissen, dass es aus dieser Zeit, viele Weine aus Italien gab, die in ihrer Jugend schon untrinkbar waren, wird es sehr schwiereig überhaupt eine grössere Anzahl an Weingütern zu finden, die einen guten und lagerfähigen Wein herstellten.
Ich denke, dass 15 und mehr Jahre schon eine sehr lange Zeit für einen Wein bedeuten. Die wenigsten schaffen das. Ar. Pe.Pe. gehört zweifelsohne dazu.
Gerade vor zwei Wochen einen 1996 Rocce Rosse, nach einer Woche, noch halb voll, offen im Kühlschrank, sensationell! Ohne oxidative Noten. 2000 Valtellina Superiore, sein Basiswein, letzte Woche gekostet, befindet sich jetzt in der optimalen Trinkreife.
Was Miani angeht, hatte ich schon 15-Jährige Ribolla von ihm, lässt kein Auge trocken.
1986 Macchiona von La Stoppa aus der Magnum, eine aromatische Tiefe, die in der Emilia ihresgleichen sucht.
Vom 2000 Sugarille am letzetn Samstag, gar nicht zu sprechen, den habe ich definitiv 10 Jahre zu früh geöffnet. Gaja sagen Sie jetzt. Recht haben Sie. 1989 Sperrs vor einem Jahr getrunken, kann noch 15 Jahre liegen bleiben. Vom Sori San Lorenzo 1989 würde ich noch 20 Jahre die Finger lassen. Ah, da fällt mir noch was ein – Monfortino Riserva 1976…
@Gast:
„in tadellosem Zustand für ihr Alter“. Nun ja, wenn Essig diesem entspricht, ist das wohl kein Gegensatz – und ebenso wenig ein Argument für das, was Sie wohl sagen wollen aber nicht zu sagen in der Lage sind…der Hahnenkamm ist scheint’s zu geschwollen für klaren Durchblick. Was ist denn überhaupt ein tadelloser Zustand?
Ob ein Sassicaia von ’90 im Verhältnis zu seinem Zustand in 2005 und 2000 abgebaut hat oder nicht, kann ich mangels Verfügbarkeit einer Kiste des Weins seit 1995 nicht einschätzen…sind Sie sich sicher, dass SIE das können?
Was ICH weiss ist, dass ich in den letzten 2-3 Jahren ca. 20 verschiedene Flaschen Barolo getrunken habe, die zwischen 1990 und 1995 vinifiziert wurden. Darunter gab es genau zwei Flaschen, die auf TOP-Level waren: von „Bruno Giacosa“ und „Giacomo Conterno“.
Der Rest gab sich im Glas stark bräunlich verfärbt, Nuancen waren zu Marmelade geworden, Alkohol start in den Vordergrund getreten, Oxidation auf allen Ebenen. Sicherlich ist das eine Meinung, die mit dem Begriff „repräsentativ“ nicht viel gemein hat – aber klar ist auch, dass 10% sehr sehr wenig sind, auch wenn ich vielleicht lauter Scheissflaschen bekommen haben sollte (wofür die Wahrscheinlichkeit wiederum gegen Null geht).
Wenn Ihnen der hiesige polarisierende Stil nicht passt, lesen Sie doch bei SuperMario Bscheuertman – Typen wie Sie werden da sicher glücklich.
Richtig, von den angeblichen lagerfähigen italienischen Weinen, sind auch bei mir die meisten durch den Raster gefallen, einer davon: 1990 Sassicaia.
Die Methusalems unter den Italienern, leben, wie der Captain richtig erwähnt, nicht von ihrer Frucht, sondern von ihrer Struktur.
Und 1890 Barolo, der noch gut sein soll??? Ist doch wirklich weit hergeholt. Wenn man gerne Rostwasser (Schweizer Mundartausdruck) trinkt, dann kann ich es nachvollziehen.
Monfortino gibt´s in der Tenda Rossa. Muss mal wieder einen Abstecher machen.
Italien ist ja schön, aber am Wochenende rudert man aus dem Süden in die Hauptstadt der Republik, die große Frage, in welche Weinbar schleppt man das schwer erbeutete Gold, wo bekommt man Neues und Unbekanntes im richtigen Glas und mit der richtigen Temperatur auf den Tisch kredenzt? Die Freibeuter des Nordens sind gefragt, und ein Auslandsösterreicher im Berliner Heimathafen.
Der Kneißl Hias.
in die Rutz. Zu Billy Wagner.
Ja Italien hat grosse Weine auch für 50 Jahre plus, aber eben doch nicht ganz so viele wie Frankreich!
Gemachte, stylische Weine sind selten wirklich lange lagerfähig eher sind es die rustikaleren traditionellen Typen. Es ist nun mal unbestritten so das Italien nicht nur beim Umgang mit Geld eher oberflächlich denn nachhaltig und tiefgründig agiert!
Es reicht auch der seichte kurzzeitig betörende Genuss um glücklich zu sein!
Also wer suchte der findet auch in Italien!
Als alternative zum Rutz durchaus sinnvoll ist:
http://www.hammers-wein.de/index2.php
Nicht ganz so „fein“ im Speiseangebot aber durchaus ein Hafen für vinophilen Genuss!
Ich weiss, ich weiss, es ging um Wein in Berlin. Doch wer in Stuttgart sucht, dem empfehle ich das Hotel Wörtz zur Weinsteige oder, wenn’s auch mal rustikal schwäbisch sein darf, die Weinstube Stetter. Es sind jeweils ca. 600 verschiedene Weine im glas- und flaschenweisen Ausschank verfügbar; zu für Gastro-Verhältnisse absolut annehmbaren Preisen.