Der Supertoskaner Luce della Vite (=Licht des Rebstocks) aus dem Hause Marchesi di Frescobaldi gehört zu den Weinen, die Menschen auf Facebook und Instagram gerne herzeigen. Wie ein Jäger sein erlegtes Tier. Luce – wer?
Mancher mag noch nichts von diesem Wein gehört haben. Obwohl er 2013 sein 20. Jubiläumsjahr feierte und zu den Supertoskaner-Klassikern zählt, also jenen Weinen, die in den 1980er-Jahren die italienische Weinwelt und insbesondere die behäbige Toskana durcheinanderwirbelten. Mit eingewanderten Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc (pfui!), Barriquefässern (doppelpfui!) und knalligem Marketing (dreifachpfui!). Antinoris Tignanello und Solaia waren die Vorreiter. Sie stehen bis heute in der ersten Reihe. Hinter ihnen folgte eine ganze Parade von Aufbruchsweinen. Darunter Anfang der 1990er-Jahre der Luce, wie er gerne lässig und kurz genannt wird.
Seine Heimat ist ein altes Schloss namens Castelgiocondo bei Montalcino. Hier ist Brunello-Land, also Hochburg des vornehmsten, reinsortig ausgebauten Sangiovese. Der Luce war eine Idee der beiden Weingiganten Vittorio Frescobaldi und Robert Mondavi. Beide Weinwelten – Kalifornien und Toskana – sollten verschmelzen. Ziel war der reiche US-Markt.
Die US-italienische Weinkreation besteht je zur Hälfte aus Sangiovese und Merlot. Nicht ganz genau aber ungefähr. Beide Sorten werden rund um Castelgiocondo angebaut. Der Sangiovese weiter oben in rund 400 Metern Höhe auf Kalkmergel (Galestro) und allerlei Geröll. Die Merlottrauben wachsen auf schweren Lehmböden unten im Tal.
Die Aufteilung der Kompetenzen unter den Machern des Luce war klar: Der Adelige aus Florenz steuert die Noblesse bei und das Sangiovese-Knowhow. Von Mondavi kommt viel Marketing und das Handling des Merlot. Für das üppige Etikettendesigns des Luce zeichnet Mondavi verantwortlich. Es heißt, Frescobaldi schämt sich bis heute für den Flaschenkitsch. Dabei hat das einprägsame Luce-Motiv ein ehrwürdiges Vorbild. Die zwölfzüngige Sonne ziert den Hochaltar der Kirche Santo Spirito in Florenz, für das die Frescobaldis vor Jahrhunderten das Grundstück gestiftet haben.
Dann, als der Supertoskaner-Hype abflaute, geriet der Luce als Globalisierungswein etwas in Verruf. Zu angepasst, zu mainstreamig lautete das Urteil. Irgendwie war die Luft raus. 2004 kam die jähe Trennung der Partner. Aber nicht wegen des Luce-Projekts. Hintergrund war, dass die Familie Mondavi ihr Imperium an den Giganten Constellation Brands verkaufen musste. Man hatte sich mit einem Börsengang verzockt. Es war die Chance für den Luce sich neu zu positionieren.
Frescobaldi nahm die Herausforderung an und schraubte an der Stilistik des Weins, der ab sofort an Eleganz gewann. Erstaunlicherweise rührte der kunstsinnige Marchese das Etikett nicht an. Wie schmeckt nun der Luce? In der Nase kräutrig und frisch. Ich rieche reife Süßkirsche und getrocknete rote Früchte. Alles sehr dezent. Kein Aromenschwall. Im Mund wieder Frische pur. Und Fruchtigkeit. Aber keine Spur von konzentrierter Wuchtbrumme. Dann Wildkirsche (ein untrügliches Merkmal des Sangiovese) mit typisch-leichter Bitternote. Seidige Tannine, die nicht in Gefälligkeit ersaufen. Durchaus präsente Säure. Und feiner Schmelz, den der Merlot beisteuert. Am Gaumen dezente Süßlichkeit, die sich im Abgang steigert. Das alles eingerahmt von großer Eleganz und Klasse.
Ich stelle mir einen jungen Oberklassen-Ami aus Boston vor, der nach Europa zum Studieren geschickt wurde und in Florenz hängengeblieben ist. Gefesselt von Lebenslust und Schönheit nimmt er immer mehr Eigenheiten seines Gastvolkes an, bis ihn ein strenger Ruf der Familie ereilt: Komm nach Hause! Der junge Mann jedoch hat sich bereits entschieden zu bleiben und führt seither ein selbstbestimmtes Leben in der Toskana. Zugegeben, die Story ist ein bisschen kitschig. Das Etikett aber auch. Und manche meinen, auf den Inhalt trifft das ebenfalls zu.