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Ahnung von Wein, aber dumm bei Brot

Er kennt sich mit beidem aus.
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Weil zuhause das Brot alle und es schon spät war, ging ich neulich in den erstbesten Bäcker auf meinem Heimweg. Von der Verkäuferin wollte ich wissen, ob sie auch ein Brot aus Sauerteig hat. „Ach wissen Sie, mit Brot kenne ich mich nicht so aus“, antwortete sie. Echt jetzt?

Ein paar Tage später las ich in der Zeitung, dass überhaupt nur noch ein Drittel der Bäcker selbst in der Backstube steht. Der Rest schiebt vorgefertigte Teiglinge in den Ofen. Dabei hat die UNESCO im vergangenen Jahr deutsches Brot auf die Liste des immateriellen Kulturerbes gesetzt. Ja wie steht es denn nun ums deutsche Brot?

Mehr als 300 Sorten gibt es. 87 Kilo isst jeder Deutsche im Jahr. Die Zahl der Bäckereien aber nimmt täglich ab. Selbst profitable Betriebe schließen oft nach vielen Generationen – der Nachwuchs fehlt. Kaum einer hat heutzutage noch Lust, um ein oder zwei Uhr morgens mit der Arbeit zu beginnen. Und so gibt es nur noch 12.500 Bäckereien in Deutschland. Die Zahl der Azubis ist seit 2008 fast um die Hälfte zurück gegangen.

Den Brotessern scheint es weitgehend egal zu sein, was sie in sich reinschieben. Anders lässt sich die explodierende Zahl von Backshops und Backdiscountern nicht erklären. Ich frage eine Bekannte, warum sie immer dort einkauft und nicht bei einem richtigen Bäcker. Ihre Antwort ist – so fürchte ich – typisch: „Natürlich würde ich gerne bei einem lokalen und unabhängigen Bäcker einkaufen. Das schmeckt mir viel besser. Aber ich habe keine Zeit, zum Bäcker zu gehen. Deshalb hole ich mir mein Brot immer auf dem Nachhauseweg am Bahnhof.“

Keine Zeit, zum Bäcker zu gehen?!

Seltsam, wenn es um Wein geht, bringen viele meiner Freunde geradezu fanatischen Eifer auf, um sich die besten Tropfen zu sichern. Fahnden mit bohrenden Fragen nach jenem kleinen, biodynamischen Moselweingut, wo es doch so köstliche Rieslinge vom Schiefergestein gibt. Aber wenn’s um Brot geht, ist jeder pampige Klumpen gut genug.

Liebe Leute, nennt mich altmodisch und von vorgestern. Aber ich liebe es, morgens zu der kleinen, engen Bäckerei ein paar Straßen weiter zu laufen, während ich warte, den Duft der Brote, Brötchen und Brezen einzuatmen, das Lächeln der Verkäuferin zu erwidern, einen kleinen Schwatz zu halten und dann mit einer Tüte voller guter Dinge den Nachhauseweg anzutreten. Das dauert zwanzig Minuten. Was hätte ich in dieser Zeit Besseres und Schöneres machen können? Ok, vielleicht selber ein Brot backen. Aber an Croissants und Brezen habe ich mich noch nicht gewagt. Außerdem gehört zu einem guten Wein ein gutes Brot. Ein Tropfen, den ich Euch zu einer richtig deftigen Brotzeit mit dunklem Brot, gereiftem Hartkäse und feinem Schinken empfehlen kann, ist die Reserva Especial aus der Rebsorte Carmenère vom Weingut Cono Sur in Chile. Er duftet nach Brombeere, Schwarzkirschen und etwas Schwarzer Johannisbeere. Aromen von kaltem Kaminfeuer, Rosmarin und Thymian verleihen ihm eine gute Struktur. Ich nehme einen Schluck. Deutlich merke ich den Ausbau in französischen Barrique-Fässern. Die Noten von Vanille und Rauch sind aber gut integriert, so dass sie den Wein reicher, runder und voller machen. Außerdem schmecke ich Brombeere und Schwarzkirsche, dazu ein Mischmasch von Gewürzen, die mich an einen orientalischen Basar erinnern. Die Tannine sind wunderbar weich. Fast seidig gleiten sie über meiner Zunge.

Kleine Ergänzung: Carmenère steht zwar auf dem Etikett, es sind aber noch ein paar Tropfen Cabernet Sauvignon und Malbec mit drin. Das darf so ein, weil Carmenère mindestens 85% der Mischung ausmacht.

 

Datum: 2.11.2019 (Update 3.11.2019)