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Göttlicher Süßwein aus Afrika

Matt Day ist Winemaker auf Klein Constantia.
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Unser Weintester Dominik Diefenbach verdichtet seine jugendliche Extase über den uralten Vin de Constance vom Tafelberg bei Kapstadt zu einem euphorischen Text, bei dem man den Wein auf der Zunge schmeckt.
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Süßweine gelten so old fashioned wie die angestaubte britische Upperclass insgesamt, in deren Kellern über die letzten Jahrhunderte wohl mehr Sauternes, Mosels, Madeiras, Sherrys und Ports verschwunden sind, als sonst irgendwo auf der Welt.

Bei dieser Aufzählung wird sofort klar, was mit seriösem Süßwein gemeint ist, auch wenn der Begriff in der breiten Wahrnehmung eher mit dünnen, billigen Kopfwehsprudlern von der Tanke in Zusammenhang gebracht wird, die als zuckriger Lambrusco oder Liebfrauenmilch sofort jeden Diabetiker lähmen.

Große Süßweine sind aber ein hoher Wert an sich im ausgedehnten kulinarischen Kanon der anspruchsvollen Küche. Ein festliches Menü ohne ein komplexes Dessert, Köstlichkeiten vom Käsewagen und Süßwein – einfach undenkbar.

In die selbe Kerbe schlägt auch das raffinierteste Kochbuch der letzten Jahre, in dem Jean Michel Roux, Chef im Londoner 3-Sterne-Tempel „Le Gavroche“, dem Vin Constance mit durchgeknallten Rezepten seine Referenz erweist. Schließlich reden wir nicht nur von einem der größten Süßweine der Welt, sondern auch vom kulturellen Gedächtnis einer längst vergangenen Epoche.

Napoleon Bonaparte trank ihn während seiner Verbannung auf St. Helena. Nicht weniger als 6.000 Liter ließ er sich zwischen 1815 und seinem Tod 1821 nach Longwood House verschiffen, um sein Gemüt während des Exils zu besänftigen. Auch Jane Austen, Charles Dickens und Baudelaire schrieben über ihn und an den europäischen Herrscherhäusern war er lange vor Yquem und Tokajern der bevorzugte Süßwein von Kaisern und Zaren.

Erst die Ankunft der Reblaus in Südafrika Ende des 19. Jahrhunderts stoppte die Erfolgsgeschichte, bevor mit dem 1986er Jahrgang diese Süßweinikone nach 100-jähriger Abstinenz wie ein Phoenix aus der Asche emporstieg.

Im kühlen, windigen Constantia ohne Botrytiseinfluss und nur aus am Stock rosinierten Muskateller-Trauben vinifiziert, ist er insbesondere in den jüngeren Jahrgängen zu einem monolithischen Unikat im weltweiten Süßweinzirkus geworden. Ein echter Sauternes-Killer, der in den besten Jahren den Vergleich mit einem Château d‘ Yquem nicht zu scheuen braucht.

Die Geschichte von Constantia ist übrigens noch viel älter als das napoleonische Zeitalter. 1685 gründete der erste holländische Gouverneur der Kapkolonie Simon van der Stel das Weingut, indem er 100.000 Rebstöcke auf der Rückseite des Tafelberges oberhalb des Dorfes Constantia pflanzte. 1716 wurde die Farm in Klein Constantia und Groot (gross) Constantia aufgeteilt.

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In meinem Mund überquellend von Bitterorangenkonfitüre, Cointreau, Quittengelee, Dörraprikosen, getrockneten Mangos, Sultaninen, Mandarinenöl, Papaya, Feige und Zitronengras. Exotik und Wucht in kaum gekannter Intensität. Südfrüchte satt.

Irre – meine Synapsen zucken! Beim Übertritt zum Gaumen dann eine tolle Viskosität, viel Schmelz, der aber nicht ins Ölige abgleitet. Dann ein neuerlicher Aromenschwall mit Popcorn, Malz, Pumpernickel, warmem Bisquit und einer grapefruitartige Herbheit, die durch den langen Schalenkontakt und den Ausbau im Holz zustande kommt und ein zartes Gerbstoffgerüst andeutet.

Zusammen mit dem frischen Säurenerv (ein Merkmal aller großen Süßweine) und den soliden Alkoholproportionen sollte somit alles für eine schier unbegrenzte Alterung angerichtet sein. Da der Vin de Constance erst fünf Jahre nach der Lese auf den Markt kommt, ist er aber auch schon jung perfekt antrinkbar.

Wie immer genieße ich große Weine nur in kulinarischer Begleitung und habe deshalb eines von Roux’s göttlichen Vin de Constance-Rezepten nachgekocht: Cannelierte und rumgetränkte Ananas aus dem Ofen mit Pfeffer-Eis. Aber auch ein einfaches Stück Roquefort mit Feigenchutney lässt in dieser Kombination den Himmel aufgehen und macht benommen vor Glück.

 

Datum: 30.3.2018