Manifiesto 2: Eine Flasche Mädelsabend
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Irgendjemand hatte eine Idee: Lasst uns eine Weinedition zusammenstellen, die den Deutschen ein paar Winzer aus Spanien vorstellt, die noch nicht rauf und runter abgefeiert wurden und trotzdem sehr individuelle Weine herstellen.
Hervorragende Weine zum leistbaren Preis, die aus 6 verschiedenen Regionen kommen und sehr unterschiedlich schmecken.
Herausgekommen ist das Projekt „Manifiesto“. Das klingt nach Handschrift, nach dem eigenen Kopf und nach bloß-nicht-jedem-gefallen-müssen.
Die Idee war gut. Das kann ich aus voller Überzeugung bestätigen. Denn ich habe mich durchgekostet. Flasche für Flasche.
Die Nummer 2 kommt aus dem Weinbaugebiet Montsant und heißt „Anna“. So wie die Winzerin des Weins: Anna Rovira.
Wer ist diese Anna Rovira?
Anna ist Önologin (also Weinmacherin) in der Winzergenossenschaft Celler de Capçanes. Der Betrieb liegt – wie gesagt – im Montsant. Das berühmte Priorat ist nur einen Flaschenwurf entfernt und nach Barcelona ist es nicht weit. Wer hier arbeitet, lebt sowieso in der großen Stadt.
Montsant – was zeichnet die Gegend und seine Weine aus?
Das Klima wird vor allem in Süden vom nahen Mittelmeer bestimmt, weiter nördlich und landeinwärts ist es kontinental-kühl und die Temperaturunterschiede bisweilen extrem. Die Regenmenge ist überschaubar.
Im Boden herrscht ein Riesendurcheinander. Aber man kann ein bisschen Ordnung reinbringen.
Generell ist die Region von kalkhaltigen Böden mit Gestein und Lehm aus den Flussterrassen sowie rötlich getönten, eisenhaltigen Böden geprägt. Um die Stadt Falset mehr Sand, der kaum Wasser speichert. Ebendort und bei Cornudella kommt auch keinblättriges Schiefergetsein vor. Man nennt den Boden auch Llicorella. Das Priorat ist berühmt dafür. Wer das weiß, versteht auch die durchaus starke mineralische Note in vielen Weinen von hier.
Kurz, es ist trocken und steinig. Die Reben müssen sich quälen und das ist immer gut für ausdrucksstarken Wein.
Das Weingut Celler de Capçanes hat sich in den letzten Jahren einen respektablen Ruf in der Weinszene erobert. Jetzt könnte man etwas teutonisch-hochnäsig sagen: Kein Wunder, der Chef ist ja Deutscher. Ja, ist er. Sein Name: Jürgen Wagner. So viel dazu.
Celler de Capçanes wurde in den 90er-Jahren Kult, als man zusammen mit der jüdischen Gemeinde von Barcelona einen koscheren Wein kreierte. Der Wein geriet zum Erfolg, weit über die religiöse Szene hinaus. Eine Art Pfingstwunder, das alle verstanden – wenn ich mir diesen gewagten Vergleich erlauben darf.
Zurück zu Anna. Auf dem Manifiesto Nr.2 namens „Anna“ klebt ein Flaschenetikett mit verträumtem Schwarz-Weiß-Foto, auf dem Anna verhalten lächelt. Der sanfte Wind des Montsant weht ihr stilvoll eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sehr melancholisch das Ganze.
Anna, der Wein, ist jedoch alles andere als melancholisch.
Nein, der ist ein deftiger Mädelsabend, den jemand in Flaschen gefüllt hat. Mit allem Drum und Dran: Verliebtheit, ordinäre Witze, viel Sexkram, Geschichten übers Kinderkriegen, was weiß ich.
Ich bin ja schließlich Mann und kenne solche Abende nur vom Hörensagen.
Schon in der Nase gehts extrem weinig los: Dunkle Beeren, Würze und Kraft. Ich rieche Orangenzeste, Brotrinde (kommt vom Fassausbau), den ausgeleierten Ledersitz in einem alten Jaguar, frisch gehackter Liebstöckl.
Im Mund extrem saftig und sofort da. Frucht, Säure und Tannine sind gekonnt ausbalanciert. Alles hält sich die Waage. Ich schmecke Brombeere, Johannisbeere und Kirsche. Wie eine Kaschmirdecke wickelt sich der Wein um meine Zunge. Am Gaumen tritt dann noch schöne Süßlichkeit hervor. Was für ein gekonnt gemachter Wohlfühlwein!
Diese sehr weibliche Cuvée wird von 75% sanftem Garnacha dominiert, dann folgen 10% Syrah, 10% Samsó (katalanisch für Cariñena = Carignan) und 5% Merlot.
Bravo, Anna! Weitermachen.
Hier sind alle anderen Manifiesto-Weine:
