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Klarheit über Retsina!

Mal was anderes: Retsina, der schmeckt und rosa schimmert.
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Griechenland-Experte und Weinhändler Ralph Urban erklärt euch Grundsätzliches über Retsina und hat auch einen richtig guten Tipp.
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Wenn ich bei meinen griechischen Weinverkostungen die Frage stelle, was den Leuten zu Wein aus Griechenland in den Sinn kommt, wird es meistens sehr gesellig. Die Leute fangen an zu singen. Ja, genau, den Udo Jürgens-Evergreen. Einige rufen „Imiglykos!“ und andere „Retsina!“ Nur wenige kennen sich etwas besser aus und kleben nicht an diesen Klischees.

Hier nehme ich mir eines dieser Klischees zur Brust, den Retsina.

„Haben Sie auch ungeharzten Retsina“, fragte mich vor ein paar Jahren ein Herr. Ich schaute ihn erstaunt an und antwortete: „Wenn Sie einen ungeharzten Retsina in Griechenland finden, geben Sie mir Bescheid und Sie erhalten Ihr Leben lang umsonst Wein von mir“.

Ich weiß, das war nicht besonders freundlich. Ich nahm den armen Kerl auf die Schippe. Es fehlte nur noch die Zusatzfrage, ob ich auch trockenen Imiglykos in meinem Sortiment habe, was mich ein anderer einst fragte.

„Nein, Retsina ist immer geharzt“, antwortete ich damals. Das Wort Retsina bedeutet zu Deutsch Baumharz und mit diesem Begriff wird gekennzeichnet, dass es sich immer um geharzten Wein handelt.

Danach schenkte ich dem Mann einen normalen Weißwein ein und erklärte ihm, dass die Weinwelt Griechenlands deutlich mehr ist als dieses traditionelle weinhaltige Getränk mit dem Namen Retsina.

Doch wie kam der Harz in den Wein?

Reiner Zufall, sagen die Historiker. Man bemerkte in der Antike schnell, dass Wein in Amphoren schnell oxidierte. Also versuchte irgendwann jemand, den Sauersoff vom Wein fernzuhalten. Wie stellte man das in grauer Vorzeit an? Mit Klebstoff.

Der beste Kleber jener Zeit stammt vom Pinienbaum, das Harz. Man dichtete damit die antiken Gefäße ab. Und wie es der Zufall so wollte, tropfte etwas Harz in den Wein. Das hatte den Effekt, dass der Wein den unverwechselbaren Harz-Geschmack annahm.

Die alten Griechen mochten es. Man experimentierte mit Harz und setzte auch mal mehr oder weniger des Baumbluts direkt dem Wein vor dem Gärprozess zu. Bald entdeckten andere Völker das schmackhafte Getränk und so wurde bis in die heutige Zeit Retsina (griechisch: Ρετσίνα) zu einem Exportschlager.

Sowieso waren die Griechen im systematischen Weinanbau über viele Jahrhunderte führend in der Welt. Retsina war und ist auch heute noch ein Kultgetränk. Doch verleitet durch die hohe Nachfrage im In- und Ausland ließen die Griechen zwischen den 60er- und 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts den Retsina zu Billig-Fusel verkommen. Das schadete nicht nur dem Retsina enorm, sondern dem griechischen Wein insgesamt.

Viele gute griechische Winzer kehrten dem Retsina deshalb den Rücken zu und konzentrierten sich auf An- und Ausbau der einheimischen Rebsorten. Vom Pinienharz ließen sie die Finger.

Heute steht Griechenland bei der Entwicklung hochwertiger Weine ganz vorne. Die Einzigartigkeit des griechischen Terroirs und der hellenischen Rebsorten-Vielfalt begeistern. Leider bekommen das viel zu wenige Menschen mit.

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Es gab jedoch auch Winzer, die sich mit dem Trash-Image des Retsina nicht abfinden wollten. Sie gingen zurück zu den Wurzeln und setzten weniger Harz ein.

Retsina wird heute in aller Regel weiß ausgebaut. Früher gab es auch roten geharzten Wein, aber der ließ sich nicht so gut managen, da man die Bitterkeit durch den Harz und die Gerbstoffe nicht richtig in den Griff bekam, sodass man einfach mehr Zucker zusetzte.

Jeder, der ein bisschen von Wein versteht, weiß: Zucker ist keine Lösung. Niemals!

Sehr guter Rosé-Retsina hingegen ist möglich. Im Weingut Stelios Kechris, das völlig unromantisch in einer Blachhalle mitten im Industriegebiet der Hafenstadt Thessaloniki angesiedelt ist, bekommen sie so einen Wein ganz herausragend hin.

Dieser Kechris Roza wird aus Trauben der Region Goumenissa erzeugt. Er besteht aus Xinomavro-Trauben, der edelsten roten Sorte Griechenlands.

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Im Glas helles Kirschrot mit violetten Reflexen. In der Nase Himbeere, saftige Erdbeere, Kirsche, Schwarze Johannisbeere, Heidelbeere. Außerdem Zimt und Rosmarin. Am Gaumen viel frische Beerenfrucht und Apfel und erfrischende Harznoten, die zwischen Mastix (herbes getrocknetes Harz des Mastix-Strauches von der Insel Chios) und Kräutern changieren und sich mit dem leicht toastigen Hintergrund der Fasstöne mischen. Dann sogar etwas Tomatenmark. Das Ganze wirkt mit der typischen Xinomavro-Säure, den sehr gut eingebundenen weichen Tanninen und belebenden Noten des Harzes sehr würzig und fein. Ein erfrischender Wein mit einem lang anhaltenden pikanten Abgang.

Dazu passen viele Speisen. Ich zähle nur ein paar davon auf: Gegrillte Champignons, Meeresfrüchte, geräucherter Lachs solo, Pasta, Fisch in Tomatensauce und Olivenöl, Lammspieß, Lamm im Ofen, Auberginen, Fetakäse usw.

Zum Abschluss noch ein kleiner Ausflug in eine Diskussion, die in Weinkreisen seit vielen Jahren gärt. Ob Retsina echter Wein ist oder ein weinhaltiges Getränk, ist nämlich umstritten.

Eines kann man dem Retsina jedenfalls nicht absprechen – er ist eine Jahrtausende alte kulturelle Errungenschaft der antiken Griechen. Retsina ist deutlich älter als die gesamte Weinkultur der heute führenden Weinnationen. Es gibt also keinen Grund Retsina zu belächeln.

Der Weinkritiker Mark Squires von Robert Parkers Wine Advocate schrieb vor einiger Zeit, dass die Griechen sich vom Wort Wein im Zusammenhang mit Retsina trennen sollten. Retsina sei kein Wein, sondern ein Prozess, meinte Squires.

Griechenlands einziger Master of Wine Yiannis Karakasis hält dagegen und sagt, dass Retsina deshalb kein Prozess ist, weil heutzutage schon während der Gärung (zumindest bei gutem Retsina) eine kleinere Menge Harz zugefügt wird. Für ihn ist Retsina eindeutig Wein.

Wein oder nicht Wein, das ist hier die Frage.

 

Datum: 13.1.2019 (Update 17.1.2019)