2003 im Herbst. Ich stehe im Ürziger Würzgarten, einer klassischen Steillage an der Mosel.
Und bin baff wegen der großartigen Aussicht. Wie kann man das bewirtschaften, bei diesem extremen Gefälle? Die Leute werden bestimmt alle abgeseilt.
Einige Wochen später. Ich stehe im Keller vom Weingut Van Volxem an der Saar. Mit schlotternden Knien. Ich habe zuvor meine Premiere als Lesehelfer gefeiert. An einer der steilsten Lage an der Saar. Leider ohne Rettungsseil. Das hätte zumindest mein Leseeimer gut gebrauchen können.
So durfte ich auf allen Vieren bis vor die Bahnlinie runterklettern, um die verlorenen Trauben meines abgestürzten Leseeimers wieder aufzusammeln. Entsprechend abgekämpft stehe ich vor Gernot Kollmann, seinerzeit Kellermeister des Weinguts. Er wirft mir sein breitestes Grinsen entgegen. Solche Erfahrungen verbinden.
Zehn Jahre später. Nach einigen Jahren der selbständigen Weinberatung (unter dem romantischen Namen „Waldfrieden“) leitet Kollmann heute die Geschicke von Immich-Batterieberg in Enkirch an der Mittelmosel.
Dieses so traditionsreiche Weingut (mit 800 Quadratmeter-Villa und eigenem Tennisplatz) ging pleite und wurde von zwei Hamburger Kaufleuten aus der Insolvenzmasse erworben. Und Kollmann als Gutsverwalter engagiert. Ein klassischer Neustart.
Kollmann ist nicht nur der Region treu geblieben, sondern auch seinem Weinstil. Meist feinherb, cremig, vollmundig und mit von der Spontangärung geprägten hefigen Noten. Für diesen Stil ist er bekannt und weithin geachtet. Dann hat er etwas Neues ausprobiert und seine Handschrift verschlankt.
Bei Immich-Batterieberg lässt er den Weinen die krachende Säure. Und puffert diese weniger mit Botrytis ab, sondern mit Noten von mehrfach gebrauchten Barriques. Die hat er Mosellegende Markus Molitor abgekauft. Um seinen Weinen ein aromatisches i-Tüpfelchen draufzusetzen.
Ein gutes Beispiel ist der Riesling Zeppwingert. In der Nase reichlich Zitrus und Granny-Smith-Apfel, ein wenig Kurkuma, Hefe und reichlich nasses Schiefergestein. Erstaunlicherweise auch Holz.
Am Gaumen trotz der Süße schlank, mineralisch karg und mit festem Säurebiss ausgestattet. Erst danach kommt wieder das Holz. Es gibt dem Wein keine Struktur und keinen Körper – nur eine zusätzliche Geschmackskomponente, die ihn wilder und eckiger macht.
Kein lauter oder besonders vollmundiger Wein, richtig subtil und lang, der mich mit seiner pikanten Säure und dem Holzeinsatz irgendwie an einen guten Chablis erinnert.
Ein echter Charakterwein mit Ecken und Kanten. Der seinen Preis hat, über 30 Euro! Kollmann ist der Überzeugung, dass seine Weine so viel kosten müssen.
Ja, man erhält an der Mosel auch für weniger Geld Weine mit vergleichbarer Güte. Ist dieser Wein also zu teuer? Meine Gedanken schweifen ab.
Ich erinnere mich an meinen umgefallenen Leseeimer. Ich erinnere mich daran, dass es Momente gab, an denen ich mich gerne hätte abseilen lassen. Ich erinnere mich daran, dass in der Region an den Steilhängen kaum etwas automatisiert bearbeitet werden kann, kein Schneiden, kein Binden, keine Laubarbeiten, keine Bodenarbeiten. Und ich denke daran, wie viel Geld ich klaglos für Rotweine aus maschinenfreundliche Flachlagen ausgebe. Noch mal: Ist dieser Wein zu teuer?
Ich beantworte die Frage mit einem klaren Nein.
Den Zweiflern und Schnäppchenjägern sei gesagt: Es mag billigere Weine von vergleichbarer Güte geben. Aber keine Weine mit dieser Handschrift. Wer einen Wein probieren möchte, der so schmeckt wie der Zeppwingert, der wird das Geld gerne anlegen.
den kann der gernot kollmann nämlich auch! dazu später mehr.
Gernot macht wirklich geniale Weine. Unser Bericht von vor einiger Zeit: http://www.barriquehaus.de/2013/09/barrique-haus-verkostung-zum-58/
Ich habe nichts gegen einen guten Riesling für 26 Euro. Jedenfalls so lange nicht jemand behauptet, der Preis sei „gerecht“. Mal davon davon abgesehen, dass es keine „gerechten“ Preise gibt: Die Kalkulation eines höherpreisigen Weines hat in den meisten Fällen weder etwas mit den Produktionskosten, noch mit einer irgendwo objektiv zu bestimmenden Qualität zu tun. Der Preis spiegelt schlicht den Marktwert wieder, und der hat sehr viel mit PR-Aufwendungen wie Messe- und Verkostungspräsenz, Anzeigen u.ä. zu tun. Auch die Margen, die Winzer für den Handel einräumen müssen, schlagen gewaltig ins Kontor. Das alles kostet einen Haufen Geld, welches durch die Verkaufspreise wieder reingeholt werden muss. Und die deutlich niedrigeren Preise für in dem Artikel erwähnte „Weine mit vergleichbarer Güte“ rechnen sich halt für Winzer, die auf diesen ganzen Aufwand verzichten und beispielsweise von einen soliden Privatkundenstamm leben. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das spricht natürlich nicht dagegen, den beschriebenen Wein für den aufgerufenen Preis zu erwerben, wenn man es sich leisten kann. Aber es sollte trotzdem mal gesagt werden.
Herr Kollege
Danke für deinen Beitrag! Natürlich hat ein Winzer, der diesen Wein komplett rabattfrei für 15 Euro an seine Privatkunden abgeben kann, im Zweifel kaum weniger in der Tasche als Kollmann. Allerdings finde ich es auch legitim, wenn man als Winzer seine Produkte auch im Handel und in der Gastronomie wiederfinden möchte. Zudem gibt es gerade an der Mosel gibt es viele wunderbare in Schwerstarbeit erzeugte Weine für kleines Geld. Deren Erzeuger hadern dennoch oft an der dürftigen Ertragslage. Es muss daher Flaggschiffe geben, die selbstbewusste Preise nehmen und in der Region Zeichen setzen, dass Qualität auch seinen Preis haben kann, damit die junge Generation Vorbilder hat und nicht das Interesse an dieser Knochenarbeit verliert. An der Ahr dreht sich nach solchen Preisen keiner mehr um.