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Griechenland: Schaut auf dieses Weinland!

Schon vom Hinschauen werde ich durstig - Santorin. Foto: Getty
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Es gibt so viele fantastische Weine aus Griechenland. Man muss sie halt finden. Hier ist einer davon.
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Immer schon weinverrückt

Die Griechen waren schon immer ein schlaues Volk. Schon in der Jungsteinzeit wurden Beeren wilder Weinreben verarbeitet. Später, also in der Bronzezeit, waren die Weinbautechniken schon etwas feiner.

Zahlreiche Ausgrabungen auf Kreta belegen die Verbreitung der Rebpflanze bereits in der Antike. In der Nähe von Archanes kann man sogar eine der ältesten Weinpressen der Welt bewundern. Grundsätzlich beweisen die Funde vieler ausgegrabener Amphorenscherben, deren Wände damals mit Harz abgedichtet wurden, dass Kreta die Wiege des gewerblichen Weinbaus ist. Harz? Kommen wir später noch dazu.

Herakles_Griechen

Was die Weinwerdung betrifft, hat man die Beeren damals in einem sogenannten Linos zerstampft. Zur alkoholischen Gärung kam der Most dann in einen Pithos, ein Amphoren-ähnliches Tongefäß, das man auch zur Bestattung verwendete, hoffentlich nicht vorher. Der Wein dürfte so oder so nicht besonders geschmeckt haben. Die ganze (griechische) Welt trank ihn mit Wasser vermischt. Nur Barbaren zwitscherten ihn pur.

Wie wichtig Weinbau und Weinhandel in der griechischen Antike waren, belegt ein Weingesetz aus 2400 v. Christus, das man in zwei Marmorplatten gemeißelt auf der Insel Thasos entdeckte. Darauf finden sich Reglementierungen für Weinbereitung, Handel aber auch für die Besteuerung.

Bis nach Südfrankreich

So wichtig war der Wein im Alltag, dass kein Grieche außerhalb der Heimat auf ihn verzichten wollte. Auf ihren Kolonisierungszügen in Europa (ca. 700-500 v. Christus) hatten sie immer ein paar Rebstöcke dabei. Die wurden sofort eingepflanzt, wo immer man sich niederließ. So kam der Weinbau nach Sizilien, dem süditalienischen Stiefel, nach Südfrankreich und ans Schwarze Meer.

Nach dem Ende des Hellenismus wurde es um den griechischen Wein ziemlich still. Als die christlichen Römer den alten Götterglauben verboten, sogar noch stiller. Denn alle Tätigkeiten im Weinbau standen irgendwie im Bezug zum inzwischen illegalen Gott Dionysos. In der Zeit des Machtwechsels von Rom nach Konstantinopel wurde nur noch in Klöstern bzw. für den privaten Konsum Wein gekeltert.

Im 15. Jahrhundert kamen die Türken und unterdrückten den Weinbau (bis auf die Produktion von Tafeltrauben) erst recht, um dann bei ihrem Rückzug nach der griechischen Revolution zwischen 1821 und 1829 große landwirtschaftliche Nutzflächen zu zerstören. Gemein.

Epirus_Griechenland

Von nun an ging’s wieder aufwärts. Irgendwann kam man sogar auf eine gesamte Rebfläche von über 200.000 Hektar. Deutschland heute: 150.000 Hektar. Allerdings wurde 1898 die Reblaus auf griechischem Boden aktiv. Sie schaffte es in kürzester Zeit, einen Großteil der Rebefläche wieder zu zerstören.

Griechenland und Wein, diese Beziehung hatte schon glücklichere Phasen. Auch, weil kurz nach diesem Fiasko zwei Weltkriege und ein Bürgerkrieg folgten.

Mit der EU kam der Aufschwung

Im großen wirtschaftlichen Aufschwung der 50er-Jahre betrachtete man die Pechphase der letzten paar Jahrhunderte wohl als überwunden. Bildlich gesprochen wähnte man sich nach einem langen Winter endlich im Frühling, dessen wirklicher Beginn durch die griechische Militärdiktatur nur ein bisschen verzögert wurde. Mit ihrem Ende und dem Beitritt zur EU 1974 erlebte der griechische Wein nun endlich die Renaissance, die ihm zustand. Eine Renaissance, in der viel geharzter Wein namens Retsina produziert wurde.

Ab den 1960er Jahren gab es erste große Investitionen in den Weinbau, die eher Massenproduktion im Fokus hatten. Dann, etwa 20 Jahre später, machte sich eine größere Zahl gut ausgebildeter griechischer Önologen an die Arbeit. Seitdem tut sich eine ganze Menge und gerade die aktuelle Krise verstärkt diese Entwicklung. Denn viele Griechen sehen in den Städten keine Zukunft mehr und ziehen aufs Land. Etwas 30 Prozent von ihnen will Wein machen, heißt es.

Die Big Players der griechischen Weinbranche sind Genossenschaften und Großunternehmen. In den letzten Jahren wird der Trend zu regionalen kleinen Winzern aber immer stärker, was mir natürlich sehr gefällt.

Die ersten Boutiqueweingüter in Griechenland (kleine Weingüter, die man auch Garagenweingüter nennt), die sich auf Qualität anstatt Quantität konzentrierten, wurden Ende der 70er-Jahre, Anfang der 80er-Jahre gegründet.

Die richtige Weinrevolution begann um 1990 und zog erst in den letzten Jahren wirklich an. Der Grund: Generationswechsel, Modernisierung, Experimentierfreudigkeit und die Suche nach dem Terroir. Auch im Retsina-Sektor gibt es neue, spannende Weine, die so gar nicht dem bekannten sauren Typus entsprechen. Zu denen aber ein anderes Mal mehr.

Evangelos_Gerovassiliou

Einer der Pioniere von damals: Evangelos Gerovassiliou (Foto oben), der heute in seinem gleichnamigen Weingut bei Thessaloniki (Anbaugegend Epanomi) wie ein Fürst residiert und nebenbei noch den spektakuläre Hightech-Betrieb Biblia Chora hoch im Norden mit aufgebaut hat.

Über die Hälfte der Rebfläche Griechenlands erstreckt sich über den Peloponnes, wo ein Drittel des griechischen Weins entsteht. Zentrum der Weinregion ist Patras im Norden, wo der Mavrodaphne gekeltert wird, ein süßer Rotwein, der dem Recioto aus Valpolicella ähnlich ist.

Wer richtig alterungsfähigen und trockenen Wein möchte, sollte sich eher in anderen Regionen des Peloponnes aufhalten. In Nemea (siehe unten die rote Nadel) gibt es zum Beispiel Rotweine von der Sorte Agiorgitiko. Die ist ein harter mächtiger Kerl mit riesigem Potenzial.

Ebenfalls auf dem Peloponnes liegt etwas nördlich von Tripoli auf 600 bis 800 Metern Höhe das Hochplateau Mantinia. Dort keltert man aus Moschofilero einen würzigen Weißwein. Mantinia ist kühl, genauso der Moschofilero. Er beinhaltet die Aura seiner Heimat.

Nemea

Nemea ist meiner Meinung nach die spannendste Weinregion Griechenlands. Sie liegt nicht weit entfernt vom Isthmus von Korinth, der den Peleponnes vom Festland trennt. Auf tiefgründigen, roten Böden und Mergel fühlt sich hier die Agiorgitiko-Rebe äußerst wohl. Sind die Erträge nicht zu hoch, ergibt sie schöne, intensiv fruchtige Rotweine. In Nemea wurde in den vergangenen 20 Jahren so viel in den Weinbau investiert wie sonst nirgendwo in Griechenland. Inzwischen steht so manche Hightech-Kellerei in der Gegend herum und macht einwandfreie Tropfen.

Aber auch im Norden des Landes finden sich Anbaugebiete mit spektakulären Tropfen, wie zum Beispiel in Noussia, wo sich ein hochmodernes Weingut neben das andere reiht.

Wer aus den griechischen Städte fortzieht, der geht oft auf eine der vielen Inseln. Am bekanntesten für Wein ist Kephalonia, etwa 30 Kilometer vor der Westküste gelegen. Die dortigen Winzer keltern weißen Robola – ein wuchtiges Kerlchen.

Auf der besonders bei Deutschen beliebten Insel Kreta gibt es einige lokale Rebsorten, die am Markt von Bedeutung sind und von kleinen Betrieben, wie der im Jahr 2000 von einem Journalisten gegründeten Domaine Zacharioudakis (Foto unten) kultiviert werden.

Zacharioudakis_Griechenland

Auf Samos wird ein recht bekannter Muskateller hergestellt, auf Rhodos werden tadellose Weiß- und Rotweine gemacht. Als Weininteressierter sollte man außerdem die Ägäischen Inseln und die Kykladen nicht außer acht lassen.

Aber es gibt noch viel mehr zu entdecken. Zum Besipiel ist Santorin eine der heißesten Weinregionen unserer Erde. Trotz der enormen Hitze entstehen dort ausgesprochen säurebetonte und trockene kühle Weiß- und Rotweine. Große Klasse ist zum Beispiel der Weißwein Assyrtiko, von dem es auf Santorin hundertjährige Reben gibt, und davon nicht zu wenig. Sie sind das Fundament der großen Weißweine Griechenlands und der Ausgangspunkt eines Weißweins, der wie ein säurebetonterer Grüner Veltliner schmeckt und mit viel, viel Mineralität versehen ist.

Weinland Griechenland ist spannend. Auch ich bin gespannt, was mich in nächster Zeit von den komplexen Böden des Peloponnes, dem vulkanischen Gestein der Insel Santorin und den vielen anderen Appellationen erwartet.

Frisch wie Grüner Veltliner

Als Aperitif zum Weinland Griechenland möchte ich jedem den Assyrtiko Santorini Wild Ferment von Gaia (nicht verwechseln mit Angelo Gaja) ans Herz legen. Ein Wein, dessen Reben die Reblauskatastrophe überstanden haben und der hervorragend zu Fisch schmeckt. Mich erinnert er sofort an den Grünen Veltliner. Er hat dezente Anklänge von Mandeln und grünen Oliven.

Ein saftiger Schluck Wein, kompromisslos trocken mit hoher Säure. Wirkt kühl, als würde man barfuß im Gebirgsbach plantschen. Ein sehr geradliniger Wein. Absolut präzise mit Druck und mittlerer Länge.

Gaia_GriechenlandSchnurr: Winzerkatze bei Gaia.

 

Datum: 4.4.2016 (Update 13.4.2016)