Wien ist die einzige Großstadt der Welt, die über nennenswerten Weinbau innerhalb ihrer Grenzen verfügt. Paris? Naja, es gibt einen kleinen Weinberg in Montmartre. Das war’s dann schon.
Rund 400 Weinbaubetriebe sind hier zugange. Das Rebland misst zusammengefasst rund 700 Hektar. Genug, um bereits im Anflug auf die Stadt zu erkennen, dass Wein keine Nebensache ist. Auf 80% der Flächen stehen weiße und auf 20% rote Sorten. Etwa 20.000 Hektoliter Wein produziert die Stadt im Jahr. Der Großteil davon landet in den gemütlichen Heurigenlokalen. Hauptsächlich Grüner Veltliner, Riesling, Weißburgunder, Chardonnay und Welschriesling.
Von seinen Weinhängen am Kahlenberg sieht Fritz Wieninger auf die Stadt hinunter. Und will er in die City fahren, dorthin, wo das Leben tobt, dann hat er nur eine Viertelstunde Autofahrt. Es gibt wenig andere Anbaugebiete, die einem Winzer derartiges bieten.
Wieninger war der erste Winzer, der den sehr traditionellen Wiener Weinbau in neue Zeiten führte.
Alle Weinregionen Österreichs hatten sich nach dem Weinskandal 1985 ausschließlich der Mengenbegrenzung und der Qualität zugewandt, nur in Wien blieb das alte und kranke System schon wegen der Heurigenwirte lange aufrecht.
Wieninger war es, der Anfang der 1990er begann, einen Chardonnay nach französisch-kalifornischen Muster zu fabrizieren. Er nannte die Kreationen Grand Select und den Korso Select.
Bei Blindverkostungen glaubte kein Mensch, dass diese Trauben mehr oder weniger in der österreichischen Hauptstadt reiften. Gleiches gilt für die hervorragenden und blitzsauberen Pinot-Noirs Wieningers.
Aber ein Besuch in Wieningers Heurigen ist nicht nur Weinfreunden ans Herz zu legen, sondern auch solchen, die mit der neueren österreichischen Küche Bekanntschaft schließen wollen. Ein Blick auf das reichhaltige Buffet lässt Feinschmeckerherzen höher schlagen.
Die Vorspeisen:
Wildkräutersalat, Kürbiscarpaccio in Himbeer-Vinaigrette und Kürbiskernpesto, Rindfleischsalat, Kaltgeräucherter Waldviertler Wildschweinschinken mit Rotwein-Wacholderfeigen und Wildkräutersalat, Spanferkel-Beinschinkensülzchen auf buntem Salat mit Apfel-Trüffeldressing, Gabelbissen vom geräuchertem Bachsaibling auf Zitronencrememousse mit feinem Gemüse, Carpaccio vom Biorind auf Majoranpesto mit sautierten Pilzen und Alpengrana. Dazu hausgemachte Säfte, entweder Orangen-Karotten oder Apfel-Rhabarber.
Die Hauptspeisen:
Hochrippe vom Neuseeländer Berglamm mit Rosmarin-Madeira-Jus und feinem Ratatouillegemüse, Branzinofilet in Kartoffelkruste auf cremigem Blattspinat mit getrockneten Tomaten, Kalbsbutterschnitzel mit Backzwiebel und Kartoffel-Selleriepüree, Altwiener Backfleisch vom Steirischen Dry Aged Beef mit Petersilkartoffeln, Rehragout mit Kroketten und Preiselbeer-Birnenchutney.
Dessert:
Dreierlei Mousse im Schokotopf, Eis von Kürbiskernen und weißer Schokolade, Sorbet von Zwetschke und Johannisbeere mit einem Hauch Balsamico, Apfel-Mandelschmarrn, Cremeschnitte vom Kürbis im Glas, Marille und Zartbitterschokolade, Soufflierte Vanille-Mohnpalatschinken in der Espressotasse.
Zurück zum Wein. Wieninger hatte mit seinem international orientierten Programm schnell Erfolg. Erst danach begann er auch den ältesten Traditionswein der Stadt, den sogenannten Gemischten Satz, neu zu beleben.
Der Gemischte Satz, das sind bis zu 15 verschiedene Traubensorten, die in einer Reihe gesetzt und im gemeinsamen Behälter geerntet werden. Ich zitiere mich aus meinem eigenen Glossar:
„Früher war es alleine schon aus Unkenntnis weit verbreitet, verschiedene Rebsorten auf einer Parzelle anzubauen. Doch auch als der önologische Fortschritt die Bestimmung der Sorten und den Besatz durch neue Klone erleichterte, setzten einige Winzer weiter auf den Gemischten Satz, um unterschiedliche Witterungsverläufe und deren Folgen für die einzelnen Sorten ausgleichen zu können. Eldorado des Gemischten Satzes ist heutzutage die Weinregion um Wien, wo mitunter über zehn Sorten gemeinsam kultiviert und vergoren werden. Auch in der Steiermark gibt es noch ein paar Mischsatz-Enklaven. Ganz zu schweigen von Portugal, wo die vielen autochthonen Rebsorten erst sehr spät überhaupt entdeckt und definiert wurden.“
Übrigens, dem verbreiteten Vorurteil, in Wien könne kein einfacher und schmackhafter Rotwein gekeltert werden, begegnete Wieninger mit einer Cuveé namens Wiener Trilogie (Zweigelt, Merlot, Cabernet-Savignon), die wenig kostet und vor allem in der Großflasche auch über Jahre hinweg ein richtiges Trinkvergnügen bleibt.