[Dieser Artikel erschien 2018.] Wer hat schon mal über 30 edle Vintage Ports aus einem einzigen Jahrgang verkostet und versucht, die Guten von den weniger Guten zu unterscheiden und obendrein das Reifepotenzial zu erschmecken?
Man blickt in eine Glaskugel und überlegt mit dem Gaumen, der irgendwelche Botenstoffe über die Nase zum Gehirn schickt, wie sich dieser Vintage Port in 20, 50 oder in 100 Jahren entwickelt haben wird.
Wer dann behauptet, dass er nach zehn Probierschlucken noch Nuancen spürt, der lügt oder ist komplett resistent gegen Tannin und Alkohol.
Was ist eigentlich Vintage Port?
Vintage Ports dürfen nur in bestimmten Jahrgängen produziert werden. Welche das sind, bestimmt das Portwein-Institut, das 1933 in der Stadt Porto gegründet wurde. Die Winzer entscheiden aber selbst, ob sie dieser Empfehlung folgen.
2015 war zum letzten Mal so ein Jahr (Stand 2018). Vintage Ports sind die beste Qualität, also die Jahrgangsweine der Portweinhäuser.
Dann gibt es noch die einfachere LBV (late bottled vintage), die jedes Jahr gemacht werden darf und auch das Erntejahr auf dem Etikett stehen hat.
Beim Ruby oder Tawny steht meist kein Jahrgang auf der Flasche, genauso wie bei Sherry. Ein Ruby ist immer jung und fruchtig, ein Tawny wird oxidativ ausgebaut, wirkt also reif, trockenfruchtig und manchmal rauchig. Dann steht auf der Flasche 10 Years, 20 Years oder mehr.
Und noch eine wichtige Info: Ein Colheita ist auch ein Jahrgangs-Portwein, aber im Tawny-Stil. Auf dem Etikett müssen Jahrgang und Abfülldatum vermerkt sein. Gegenüber einem Vintage ist ein Colheita sofort genussreif, muss aber mindestens 7 Jahre im Fass gelegen haben.
Der Captain hat schon mal über das Thema Portwein geschrieben:
Ganz schön viel Holz, was man sich da merken kann. Muss man aber nicht.
Wichtig ist, dass 2015 ein sehr guter Jahrgang war, der in punkto Dichte und Komplexität dem sogenannten Jahrhundertjahrgang 2011 nicht nachstehen soll.
Und sicher ist, diese Weine werden uns alle überleben. Auch mich. Selbst wenn ich heute 20 Jahre jünger wäre.
Da ich also nichts mehr schmecke, unterhalte ich mich lieber mit Dirk Niepoort.
Der Star-Winzer aus dem Dourotal ist als Zugpferd für die Vintage Port-Jahrgangspräsentation 2015 im Feinschmeckerrestaurant „Zum Löwen“ im Kasino Leverkusen anwesend. Das Lokal wird vom Chemiegiganten Bayer betrieben.
Ich habe keine Ahnung, was solche Firmen mit gutem Essen und Trinken verbindet, aber auch BASF betreibt am Standort Lundwigshafen ein Toplokal und einen gigantischen Weinkeller.
Niepoort ist eine Art Grüßaugust der Portweinbranche, weil er ungemein charmant und kommunikativ ist.
Deshalb wurde er eingeladen, um Weinfreunden zu beweisen, dass nichts besser altert als ein Vintage Port. Auch im eigenen Interesse.
Denn Niepoort ist nicht nur ein sympathischer Kerl, sondern auch eine weltberühmte Weinmarke.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts stellt die Familie am Douro Weine her.
Gründer Franciscus Marius van der Niepoort stammt aus Hilversum in den Niederlanden.
Dirk übernahm die Leitung des Familienunternehmens 1986 und war in den 1990er-Jahren der Erste, der im Douro-Tal neben Portwein auch qualitativ hochwertige Rotweine hergestellt hat. Inzwischen genießen seine Rotweine Kultstatus.
Dirk Niepoort hat eine deutsche Mutter und spricht fließend unsere Sprache.
Biologisch arbeitende Winzer sind keine guten Kunden von Pestizid-Herstellern. Trotzdem darf Dirk Niepoort im Kasino von Bayer in Leverkusen seine Weine präsentieren… Ja, ein bisschen seltsam ist es schon, zumal das Restaurant auch einige Bio-Weine auf der Karte hat.
Die aber nicht als solche ausgewiesen werden. Das interessiert hier offenbar niemanden. Mich schon. Mir liegt viel daran, pfleglich mit der Natur umzugehen. Schon allein, um die für mich schönste Kulturlandschaft der Welt, das Douro-Tal, zu erhalten. Wir bearbeiten 86 Hektar eigene Weinberge biologisch, zum Teil auch biodynamisch.
Aber du kaufst auch Trauben zu? 80% der Trauben kaufen wir von 150 Bauern zu. Wir arbeiten mit 600 verschiedenen Parzellen, die alle ihre eigene Terroir-Stilistik haben. Besonders charaktervolle Lagen können als Single Vintage ausgebaut werden. Aber die Kunst bei den meisten Vintage Ports ist es, einen Verschnitt aus den verschiedensten Weinen und Terroirs zu kreieren, um den Stil des Portweinhauses zu erreichen.
Und was ist dein Stil? Nicht zu alkoholbetont, nicht zu klebrig, gute Säure mit stabiler Tanninstruktur. Obwohl unser Port ein süßer Wein ist, sollten Süße und Alkohol geschmacklich nicht im Vordergrund stehen.
Schwierig bei fast 20 % Alkohol. Durch das Aufspritten mit Weingeist behält der Rotwein seine natürliche Süße. Dirk Niepoort: „Trotzdem kommt es auf das Terroir und die Qualität des Grundweins an. Über 80 Jahre alte Rebstöcke, keine überreifen Trauben ernten, genug aber nicht zu viel extrahieren, die Trauben mit Stilen in den offenen Granitbecken, den sogenannten Lagares, ganz traditionell mit den Füßen bearbeiten. So wenig Technik wie möglich. Ich lerne viel von den Alten, wie die früher Port gemacht haben.
Trotzdem wird man weder aus einem Ruby, einem Tawny, einem LBV oder einem Vintage Port einen „leichten“ Wein machen können. Und alkoholstarke Weine haben aktuell ein Imageproblem. Trifft das auf die Portweine nicht zu? Bislang geht es den großen Portwein-Häusern in Vila Nova de Gaia noch gut und wir können uns nicht beschweren. Aber wir müssen aufpassen.
Auf was? Dass wir unsere hochwertigen Portweine nicht banalisieren, in dem wir sie im Supermarkt verschleudern. Diesen Fehler dürfen wir nicht begehen.
Und was wäre ein Weg, um die Banalisierung des Portweins zu verhindern? Wir müssen bei den Ports ebenso wie bei den Weinen stärker auf unser Terroir, die Herkunft des Ports, das Douro-Tal setzen.
Was ist das Besondere am Terroir Douro-Tal? Wir haben 45.000 Hektar Rebfläche im Douro-Tal, das ist mehr als Österreich insgesamt hat. Dazu um die 20 autochthone Rebsorten, die es woanders nicht gibt, die meist als gemischter Satz vinifiziert werden. Das ist einzigartig. Und wir haben bis zu 800 Meter hohe Steillagen mehrheitlich auf Schieferböden. Dagegen wirken die Steillagen an der Mosel winzig, die immerhin bis zu 200 Meter hoch sind.
Machst du inzwischen auch mehr Umsatz mit deinen Weinen als mit den Ports? Ja, der Anteil liegt aktuell bei 70%. Wir haben auch Weinberge im Dão und Barraida. Und im Douro-Tal gibt es kühlere Lagen, die sich besser für Weine eignen und andere, die klare Portweinlagen sind. Die Weine aus dem Douro können auch Visitenkarten für die Portweine sein.
Im Sommer 2017 hieß es, dass Dirk Niepoort seine Firma Niepoort verlässt. Kurze Zeit später kam der Widerruf. Hast du dich inzwischen mit deiner Schwester wieder versöhnt? Oder wie ist es mit der Familienfehde weitergegangen? Entschuldige, aber ein bisschen Klatsch muss sein…
Oh nee, dazu will ich mich gar nicht äußern, außer, dass so Familienstreitigkeiten einfach scheiße sind. Mit Sicherheit kann ich aber sagen: Dirk Niepoort ist wieder bei Niepoort und wird auch bei Niepoort bleiben.
Aber ein anderer Teil deiner Familie bereitet dir doch keinen Kummer: Dein Sohn Daniel, der gemeinsam mit dem Mosel-Winzer Philipp Kettern in Piesport Weine macht. Stimmt, das freut mich, und das Projekt läuft gut.