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Im Abseits

Trübe im Glas, Klarheit im Kopf: Dieter Herist.
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Unser Weintester Thomas C. Golenia mag Neuentdeckungen wie dieses kleine österreichische Weingut im Südburgenland. Dieter Herist, so glaubt Golenia, hat sogar das Potenzial, mit Blaufränkisch-Ikone Uwe Schiefer gleichzuziehen. Aber mit anderen Trauben.
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Schauplatz ProWein 2013 in der Österreichhalle. In einem toten Winkel der großen Weinmesse hält ein Winzer tapfer die Stellung. Es ist der Stand des Weinguts Herist aus dem Südburgenland.

Es ist bitter, auf Europas größter Weinmesse an einem unbenutzten Nebenausgang zu liegen, denn der Strom der Messebesucher fließt anderswo lang. Doch man hat seine Ruhe. Erst recht knapp vor Ende der Messe. Herists Nachbarn hatten die Stände spätnachmittags schon verlassen, um den Flieger zu erreichen.

Dass Dieter Herist am letzten Messetag bis zum Ende durchhielt, war mein Glück. Sein Weingut entpuppte sich als hochinteressante Entdeckung aus dem Burgenland.

Das Abseits scheint bei Herist ein Prinzip zu sein. Auch das Weingut selbst liegt im Südburgenland weitab vom Schuss.

Weit entfernt von jenen Gebieten, wo derzeit die große Musik spielt, nämlich am Eisenberg und Deutsch-Schützen.

Die Herists keltern fünfzehn Kilometer Luftlinie nördlich davon, in Rechnitz, ein Grenzdorf zu Ungarn, das in Österreich vor allem durch eine tragische Geschichte während der NS-Diktatur ein Begriff ist.

Dass in Rechnitz Weinbau betrieben wird, ist nur wenigen Leuten geläufig. An den Böden außerhalb des Dorfes kann dieses Schattendasein wahrlich nicht liegen, denn diese zählen zu den besten der Region. Doch der Eisenberg liegt einfach schöner und gibt mehr touristisches Umfeld her.

Rechnitz hingegen kauert am Fuße des schroffen Geschriebensteins, der eine der höchsten Erhebungen im Burgenland ist.

Geologen haben ihre wahre Freude an diesen Böden, die zum sogenannten „Rechnitzer Fenster“ gezählt werden, eine tektonische Öffnung, bei der sehr alte Gesteinsschichten an die Erdoberfläche treten, die anderswo großflächig von jüngeren Ablagerungen überdeckt wurden.

Dieser eigenwillige geologische Aufbau ist sehr selten zu finden. Unter anderem im Südburgenland.

Der erdgeschichtlich alte Boden besteht aus Grau- und Grünschiefer und einem Gemisch, was man in der österreichischen Weinwelt gerne mit dem veralteten aber romantisch klingenden Geologie-Begriff „Urgestein“ bezeichnet. Es handelt sich um ein Mischmasch aus Granit, Basalt oder Porphyr, die wie der Schiefer einst aus glühendem Magma entstanden.

Der berühmte Eisenberg und die Lagen bei Rechnitz sind somit geologische Geschwister. Doch die Unterschiede finden sich im Detail.

Rechnitz, so erzählt Dieter Herist, ist früher als traditionelle Weißweininsel bekannt gewesen. Das liegt an der Höhe der Lagen, die am Geschriebenstein mit fast 400 Metern zu den höchsten im ganzen Burgenland zählen.

Viele davon haben eine reine Südausrichtung, die meisten bleiben wegen der stetigen Winde verhältnismäßig kühl. Perfekt für Weißweine mit Eleganz und Frische.

Fast alle der kleinen Rechnitzer Winzerbetriebe haben einen hohen Anteil von Weißweinen in ihrem Programm.

Doch Rechnitzer Weine waren noch in den 90ern und 00er Jahren als dünn und säuerlich verschrien. Zu Zeiten, als Kraft, Saft und Holz State of the Art waren.

Die Klimaerwärmung hat einiges geändert. Auch den Geschmack der Leute. Jetzt, wo Eleganz, Frische und Terroir nachgefragt werden, sieht Dieter Herist die Zeit gekommen, die Kühle seiner Rechnitzer Lagen als Trumpf auszuspielen.

2009 hat Herist die Verantwortung von seinem Vater übernommen und sofort die Weichen umgestellt. „Kontrolliertes Nichtstun“ war ab sofort das Credo des zwei Hektar kleinen Betriebs.

Kontrolliertes Nichtstun fällt bei zwei Hektar auch nicht schwer, denn man kann das kontrollierte Nichtstun gut beobachten. Mit einem täglichen Rundgang durch die Hänge.

Viel Augenmerk legt Herist auf Welschriesling, einer weißen, in Österreich und Ungarn weit verbreiteten Sorte, die bei allermeisten Weintrinken nur ein müdes Augenrollen hervorruft. Sauer, leichtgewichtig, langweilig.

Im Südburgenland und besonders in Rechnitz hat der Welschriesling seit jeher eine fest verwurzelte Tradition. Und Herist weiß, dass man die Traube anders behandeln muss.

Herist hat zwei Welschrieslinge aus Einzellagen. Und die werden nicht als flachbrüstige Säfte ausgebaut, sondern auf Eleganz getrimmt und bekommen eine ordentliche Portion Mineralität mit in die Flasche.

Viele von Herists Winzerkollegen schütteln bloß den Kopf, wenn er ihre fest verankerte Wertewelt, in der Welschriesling keine qualitativ hochwertige Rolle spielt, in Frage stellt. Ein Tritt vors Schienbein derer, die in dieser Rebsorte partout kein Potenzial sehen wollen.

Da ist zuerst der Welschriesling aus der Einzellage Wohlauf. Kein Protzer, kein Wein, der aufs Frühtrinken geprügelt wurde und innerhalb von 24 Stunden in der geöffneten Flasche zusammenbrechen würde wie ein Kartenhaus.

Selbst einige Tage in der offenen Flasche konnten ihm nichts anhaben. Er zeigt sich filigran, alles dezent.

Schwaches Gelb im Glas, in der Nase junger Apfel. Zarte, vegetabile Würze, Stangenbohnen, getrocknete Küchenkräuter und ein angenehm frisches Säurespiel. Der Wein wirkt unterentwickelt, noch jung. Doch er will ein Spiegelbild des Bodens sein, auf dem er wächst.

Verdammt viel Potenzial hat Herist auch bei den Rotweinen. Da ist beispielsweise Herists Pinot Noir Reserve, der bei der Nachverkostung an Bord begeisterte.

Dieter Herist hatte sich vorher dafür entschuldigt, dass sein Pinot in diesem jungen Zustand sehr hart und fast unnahbar rüberkommen würde. Uns ist das recht. Weine, die auf weich und rund gemacht werden, weil der Mainstream das verlangt, gibt es zur Genüge. Diese Kollektion hält dagegen. Und Heristst Pinot Noir Reserve treibt dieses Prinzip auf die Spitze.

Teilweise Ganztraubenvergärung mit Stiel, offener Bottich, Unterstoßen per Hand und natürlich mit Spontangervergärung in die Gänge gebracht.

Dieter Herist ist zudem ein Freund der späten Schwefelung (also nicht schon beim Most), die er äußerst spärlich einsetzt. Ausgebaut wird sein Pinot Noir in gebrauchten französischen Holzfässern. Auf diverse Schönungen verzichtet er.

Wer aus deutschem Blickwinkel keinen müden Pfifferling auf österreichischen Pinot Noir gegeben hat, wird mit diesem Wein eines Besseren belehrt.

Ein Wein wie Jekyll & Hyde

Burgund aus Burgenland

Der Mineralien-Anbeter

Dunkles, transparentes Rot mit violetten Reflexen im Glas. Die Nase trifft auf würzige, frische Waldbeeren und dezente Bitterschokolade. Sehr trocken durch junge, sandige Tannine. Vornehm zurückhaltendes wie gekonnt eingesetztes Holz. Trotzdem wirkt er kantig, fast karg und doch vielschichtig.

Sein Fokus liegt deutlich auf extreme Eleganz mit etwas Rustikalität. Weit und breit keine Überreife wie sie anderswo oft beeinträchtigend vorkommt. Dieser Saft schreit nach Lagerung, nach Reifung, nach Schliff. Letztendlich ein ungemein stilsicherer Wein. Kompliment!

Es ist gut möglich, dass Dieter Herist mit seinen Rechnitzer Lagen heute dort steht, wo der Eisenberger Paradewinzer Uwe Schiefer Ende der 1990er-Jahre stand. Herist ist jung und seine eingeschlangene Stilrichtung ist radikal. Ein neuer Winzer, eine neuer Wein.

 

Datum: 8.4.2018 (Update 24.12.2018)
 

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