Dieser Preis-Leistungs-Topwein ist der Château Charmail von Weinmacher Oliver Sezé aus dem Haut-Médoc, eine Bordelaiser Gegend, die gut klingt, aber auch jede Menge Schrottweine beherbergt (ganz gegenteilig zu St. Julien, oder St. Estèphe).
Charmail grenzt an das verlässliche Weingut Sociando-Mallet und besitzt das gleiche Terroir. Die Weine sind sich ähnlich.
Der Captain hat den Charmail in Zürich vorgesetzt bekommen, in der Kronenhalle, einem berühmten und schönen Restaurant, wo eine Kalbsbratwurst 20 Euro kostet. Dafür aber exzellent schmeckt. Vom heftig gebutterten Rösti ganz zu schweigen. In solch einer Atmosphäre kommt ein Bordeaux am besten. Etwas Paris, etwas Mitteleuropa, Speisen ohne Wichtigtuerei.
Der Charmail der Kronenhalle wurde im Jahr 2005 gekeltert, ein Bombenjahr im Bordeaux, wie wir alle wissen. Und nach Meinung des Captain ein Jahr, das 1990 noch überflügeln wird. Vergleichbar mit dem gigantischen Jahr 1989, das immer unterschätzt wurde. 2005, so denkt der Captain, wird ein ähnliches Schicksal erleiden, denn man wird nur von 2009 sprechen. Später mal. Wir aber reden jetzt von 2005.
Der Captain hat keinen reifen, aber einen durchaus zugänglichen Wein erwartet. Das war mitnichten so. Der Charmail war kein Trinkvergnügen, er war hart, verschlossen und dramatisch gewichtig. Und erst mit einer Menge Luft konnte er zeigen, was er will. Und wann er es will. Er will es sicher nicht heute.
In der Nase viel Gewürz und dann erst die Beere. Das liegt am ungewöhnlich hohen Merlot-Anteil im Charmail. Danach erst kommt der Cabernet-Sauvignon, der wiederum einem hohen Cabernet-Franc-Anteil Platz machen muss.
Also viel Kräuter und weißer Pfeffer, dem Cassis, Johannisbeere und nasser Boden folgt. Die typische Bordeaux-Nase ist erst nach einer Stunde in Ansätzen erkennbar. Doch man weiß sofort, dieser Wein ist eine Wucht.
Und das war wohl gewollt so, eine bewusste Entscheidung des Weinmachers, der den Charmail ein bisschen upgraden wollte. Für spätere Jahre. Da haben wir nichts gegen.
Nach der Wurst wieder in das Glas gerochen. Und jetzt kommen da noch etwas Ginster, Himbeere, Blaubeere, undefinierbare Beere, lecker riechende Beere durch. Gekrallt und in Geiselhaft von Erde und Kraft. Die Kraft dominiert auch die Nase.
Ungewöhnlich zudem, wie wenig der Alkohol ins Gewicht fällt. Weder in der Nase, noch im Mund. Auch das eine Garantie für ein elegantes Weiterleben. Kraft, Frucht, kaum Marmelade, wenig Alkohol: alle Signale stehen auf grün. Mit knapp 14 Volumenprozent Alkohol ist dieser Charmail kein Bordeaux alter Klassik, er will beide Welten vereinen. Und was sonst selten klappt, Oliver Sezé bringt es zusammen.
Im Mund dann eine eindeutige Dominanz der Frucht, der alles bestimmenden Beere. Dahinter sehr kräftige mineralische Töne, Kiesel, Schotter, etwas Salz, mehr noch weißer Pfeffer, etwas Chillischote und auch noch eine ganz dezente Limone.
Power, Power, Power. Und ganz klar viel zu früh, um Jahre zu früh geöffnet.
Charmail 2001 und 2002 machen derzeit viel Spaß. Aus der 1/1 Flasche wohlgemerkt. „Arbeite“ gerade Haut-Bages-Liberal 2001 ab. Schöner Pauillac zum moderaten Preis. 10 Jahre danach ist für mich fast eine Faustformel für die Bürgerlichen Bordeaux – wenn der Wein genug Zeit zum Atmen hat.
Ahoi und Prost!
Ahoi Schiffsfüherer,
Oliver Sezé keltert den S-M ??? Ist da etwas auf die Brücke gedrungen das wir Landratten noch nicht wußten?
Das Charamil vom Terroir her an Jean Gautreau`s Chateau angrenzt und durchaus von vergleichbarer Güte ist, D ‚accord.
Aber zumindest auf der Webseite von Sociando Mallet wird Oliver Sezé mit keinem Wort erwähnt … .
Bitte mal das Leuchtfeuer anwerfen, damit ich durch den Nebel blicken kann.
Ansonsten stimme ich zu, Charmail macht viel Spass und ist im PLV mitunter noch einen Tick besser als Sociando Mallet, auch wenn er sicher selbst in Spitzenjahre nicht ganz dessen Größe erreicht.
Mit Gruß
Ihr
Teredo navalis
Stimmt. Mein Fehler. Danke.