Was für ein herzerfrischendes Etikett! Darauf ist ein älterer Herr im Weinberg zu sehen. Auf dem Kopf trägt er einen zerknautschten Pepitahut, auf dem Rücken einen Erntekorb. Jacinto heißt der Mann und er grinst verschmitzt in die Kamera.
Jacinto ist der dienstälteste Erntehelfer einer Truppe Andalusier, die jedes Jahr aufs Weingut Domain Jean & Paul Lignières im Weinbaugebiet Corbières im Languedoc kommen.
Die 30 Spanier arbeiten einen Monat lang bei der Lese der reifen Trauben mit und sorgen nebenher für gute Stimmung. „La Colle“ nennt sich diese Gruppe und ihnen zu Ehren haben die beiden Winzer einem ihrer Wein den Namen La Colle des Lignières gegeben. Jedes Jahr kommt das Foto eines anderen Helfers aufs Etikett. Schon allein damit erobert sich dieser Wein einen Platz in meinem Herzen.
Außerdem sind die Brüder Jean und Paul, die das Weingut betreiben, zwei wahnsinnig nette Kerle. Eigentlich sind die beiden Ärzte. Ihr liebstes Heilmittel ist angeblich der eigene Wein. Vielleicht kuriert der auch so manches Leiden.
Ich habe schon mal einen anderen Wein der Brüder beschrieben:
Die Brüder Lignières haben weder Lust auf ein 100-prozentiges Winzerdasein, noch wollen sie tagein tagaus in weißen Kitteln an Kranken herumdoktern. Also führen sie das von ihren Eltern gegründete Weingut und ihre Praxen in Teilzeit. Sympathisch!
Es kommt aber noch besser. Seit dem Jahr 2002 arbeiten die beiden komplett biologisch. Sie überlassen möglichst viel der Natur und gehen sogar so weit, dass sie ihre Weine kaum noch schwefeln. Solche Tropfen sind meist die spannendsten.
Das alles wäre aber nix, wenn der Wein am Ende nicht schmecken würde. Ich gieße mir ein Glas ein. Im La Colle des Lignières sind Syrah (60%), Carignan (30%) und Grenache (10%) drin. Kräftig und rubinrot schimmert er im Glas.
Ich nehme eine Nase und rieche Schwarzkirsche und etwas Zwetschgenmarmelade gepaart mit Kräuterwürze und ein bisschen Nelke.
Am Gaumen erfreuen mich als erstes die Noten aus dem sehr gekonnten Ausbau im Holzfass. Der Wein lag 15 Monate im Barrique: Kaffee, Leder und Kakao. Dann erst treten die dunklen Früchte hervor.
Ich schmecke Schwarz- und Sauerkirsche, etwas Brombeere. Im sehr langen Abgang dominieren dann Kräuter und Lakritz. Der ziemlich hohe Alkoholgehalt (14,5 Volumenprozent) hinterlässt in Speiseröhre und Magen eine spürbare Wärme.
Jawohl, so muss ein kräftiger Rotwein sein. Mit Power aber gleichzeitig mit Struktur, differenzierten Aromen und Eleganz. Ein ganz toller Tropfen!
Dazu koche ich mir einen Bohneneintopf mit Rind, morgen gibt’s zum Rest (wenn denn noch was übrig ist…) ein paar gebratene Lamm-Medaillons mit Kartoffelgratin.