X
Newsletter
X
X
Login
Passwort vergessen?


Konto erstellen

Der deutsche Graf von Bordeaux

Stephan Graf Neipperg.
Kommentare
Ähnliche Weine
Ähnliche Artikel
Weintester Stephan Lauterbach trinkt einen sehr leistbaren und edlen Bordeaux der Comtes (Grafen) de Neipperg. Das klingt doch irgendwie deutsch...?
Anzeige

Genau! Das Stamm-Weingut der Familie derer von Neipperg steht in Schwaigern, Württemberg unweit von Heilbronn. Bekannt für seine Lemberger und Schwarzrieslinge.

Von diesem umtriebigen Wein-Adelshaus gibt es übrigens auch → leckeren Wein aus Bulgarien. Es handelt sich um einen animierenden Zechwein aus Cabernet Sauvignon, Merlot und ein wenig Syrah. Aus Südafrika ebenso, wo die Neippergs im Weingut Capaia Wines der Eheleute Ingrid und Alexander von Hessen eingestiegen sind.

Zurück nach Bordeaux. Auf die Idee, die familieneigenen Besitztümer gen Frankreich auszuweiten, kam Anfang der 1970er-Jahre Graf Joseph-Hubert von Neipperg durch die Inspiration seines Freundes Graf Raban Adelmann von Adelmannsfelden. Der hatte erkannt, dass das damals kriselnde Bordelais mit seinem Terroir, dem Know-how und immer noch grandiosem Image lohnenswerte Investments bieten könnte. Adelmann (dessen Nachkomme Felix heute das familieneigene Weingut in der Burg Schaubeck leitet) bearbeitete Neipperg, bis dieser in der Region um Saint-Émilion die Güter Canon La Gaffelière, La Mondotte, Clos de l`Oratoire und Peyreau erwarb.

Die Investitionen sollten sich lohnen, nachdem Sohnemann Stephan Mitte der 1980er Jahre die Verwaltung der Güter übernahm. Dieser möbelte mit fachkundiger Unterstützung die darniederliegenden Betriebe wieder auf und verhalf ihnen zu neuem Glanz. Der edle → La Mondotte wird derzeit für ca. 600 Euro pro Flasche gehandelt. Das klingt nach einem guten Geschäft für die Neippergs.

So viel wollte ich dann doch nicht investieren. Also Aiguilhe, der so ausgesprochen wird: Ä-gu-ij. Solange man sich nicht an den präsenten Tanninen stört, ist das auch ein ziemlich perfekt ausgependelter, kräftiger Wein. Diese Tannine gehören so wenige Jahre nach der Lese auch noch dorthin. Und sind gut eingebunden durch einen mächtigen, stoffig-konzentrierten Körper mit reichlich Holznoten (Kaffee, Karamell und Schokolade), dunkler Beerenfrucht, Leder, Teer und reichlich mineralischer Würze von den Tonkalkböden. Und einer zweiten, weichen Schicht, die sich mit Luft offenbart und am Gaumen über die dunklen Aromen legt. Sie erinnert an reife Himbeeren, Herzkirschen und zarte Blütendüfte. Das ist wirklich vielschichtig im wahrsten Sinne des Wortes. Und ganz viel Stoff, fast zum Kauen. Der relativ hohe Alkohol wird durch die überraschend präsente Säure weitgehend balanciert.

Stephan von Neipperg hatte dieses Gut 1998 erworben. Das liegt nicht wie Canon-la-Gaffelière oder La Mondotte im Saint-Émilion, sondern im östlich daran angrenzenden Côtes de Castillon. Also rive droite (rechtes Ufer) der Garonne. Im Bordelais heißt dies, dass weniger der Cabernet Sauvignon vorherrscht (wie am linken Ufer = rive gauche), sondern Merlot. In diesem Wein zu 80%. Der Rest wird durch 20% Cabernet Franc ergänzt.

Côtes de Castillon gehört zu den weniger bekannten Bordeaux-Unterregionen und hat etwa die Größe des deutschen Anbaugebiets Württemberg.

Die geringere Bekanntheit im Vergleich zu den klassischen rive droite-Appellationen (also Saint-Émilion und Pomérol) schont aber den Geldbeutel. Während gerade im Pomérol richtig abkassiert wird (unter anderem bei Pétrus und Le Pin), bleibt man im Côtes de Castillon erfreulich bodenständig. Trotz der blaublütigen Schlossherrn.

Klassische Jahrgänge im Bordelais sind übrigens nicht die großen Jahrgänge, als welche zuletzt etwa 2000, 2005 und 2009 gelten. Es sind auch nicht die Problemjahre wie 1997 oder 2007. Es sind einfach die guten Durchschnittsjahrgänge, in denen charakteristische Bordeaux erzeugt werden können. Da erhält man für rund 20 Euro viel Stoff, Komplexität und ganz viel Bordeaux. Nicht für die Urenkel. Sondern für einen selbst.

 

Datum: 18.12.2019 (Update 19.12.2019)
 

Ähnliche Weine

 

Ähnliche Artikel