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Wir wollen Süßwein zu Austern und Käse!

Es ist angerichtet. Aber wo ist der Süßwein? Foto: tumblr
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Frankreich-Expertin Susanne Werth-Rosarius hat sich an einen italienischen Süßwein rangemacht - den köstlichen Ripasso Malvagìa Botrytis. Und findet, der schmeckt am besten zu Salzigem - wie etwa Käse oder Austern.
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Süßwein gilt heutzutage als rettungslos antiquiert und unsexy. Eigentlich schade.

Zudem haftet ihm immer noch ein wenig vom Glykolskandal der 1980er-Jahre an, da hat mancher Weinkäufer offenbar ein Gedächtnis wie ein Elefant.

Langweilig oder Luxusprodukt.

Es sei denn, es handelt sich um einen Château d’Yquem. Denn der ist purer Luxus, in den Medien omnipräsent und spielt sowieso in einer eigenen Liga.

Dabei haben es die meisten Weintrinker ganz gerne ein wenig süßer. Nicht zuletzt erfreuen sich offiziell trockene Weine mit großzügiger Restzuckermenge steigender Beliebtheit. Warum dann also nicht mal richtig süß?

Deswegen wird die Mannschaft mit mir heute einen süßen Passito aus Kampanien (liegt an der Westküste Italiens) verkosten. Da müssen jetzt alle durch. Ein vernünftiger Süßwein gehört schließlich in jeden Weinkeller.

Passito – was ist das?

Äh, Passito? Was ein Passito (=Strohwein) genau ist, haben wir hier beschrieben.

Auf dem Tisch steht also eine goldgelb schimmernde Flasche Malvagìa Botrytis des Weinguts Cantina A Casa aus der Rebsorte Malvasia Candia, die zur großen Rebsortenfamilie Malvasia gehört. Die gibt es in verschiedenen Ländern in rot und weiß, trocken und süß. Der berühmte Madeira (trocken oder süß) zum Beispiel ist auch ein Malvasia.

Nicht zu verwechseln ist der Malvasia mit dem Malvasier im deutschen Sprachgebrauch. Denn das wiederum ist eine ganz andere Rebsorte und wird gelegentlich auch Frühroter Veltliner genannt.

Total verwirrend das alles und typisch Weinwelt. Man könnte noch tiefer ins Detail gehen, aber das ist hier keinem zuzumuten. Wir wollen schließlich genießen.

Zu Silvester wird gepresst.

Die Trauben nehmen zunächst die Edelfäule (Botrytis) an und werden nach der Ernte Ende Oktober, Anfang November exakt bis zum 31. Dezember getrocknet. Erst dann wird der konzentrierte Saft ausgepresst und vergoren.

So entsteht ein Wein von kräftiger Bernsteinfarbe. Fast schon wie ein Sherry mit herbsüßem Duft nach Nüssen, Trockenfrüchten, Honig und ganz zart Pfingstrosen.

Überraschung im Mund! Süß, herb, nussig und kein bisschen klebrig-likörig sondern angenehm fruchtige Frische. Dazu Aromen wie vom bunten Weihnachtsteller: Lebkuchen, Orangen, Vanillekipferl, Nougat, Karamell und frisch geknackte Nüsse.

Nachdem der Wein ein paar Minuten lang Sauerstoff aufgenommen hat, zeigen sich zunehmend exotische Fruchtaromen: Ananas, Grapefruit, Litchi daneben auch Pfirsich und Birne. Süße und Säure halten sich die Waage und schmeicheln sanft Zunge und Gaumen. Immerhin brauchen sie einander wie Yin und Yang. Genauso wie es die 14 Volumenprozent Alkohol braucht, die dem Wein sein stattliches Gerüst verpassen.

Macht schnell satt.

So etwas trinkt man sicher nicht alle Tage. Zumal – das ist die Besonderheit bei Süßweinen – sich nach dem zweiten Glas schon ein gewisses Sättigungsgefühl einstellt. Eine ganze Flasche mag man auch zu zweit nicht an einem Abend leeren. Die Produzenten tragen diesem Umstand dadurch Rechnung, dass sie ihre Weine auch in der Halbflasche (0.375 Liter) oder Halbliterflasche (0.5 Liter) anbieten. Allerdings (und das ist die gute Nachricht), ein Süßwein behält gut verschlossen im Kühlschrank bis zu drei Wochen seine Frische. Es besteht also keine Eile mit dem Austrinken.

Der Wein ist kräftig, fast ein wenig rustikal, die süße Variante des gerne herbeizitierten ehrlichen Landweins. Man tunkt gerne, wie es in Italien üblich ist, sein Cantucci hinein. Er bietet ordentliches und nicht alltägliches Trinkvergnügen und lädt zum Experimentieren ein, mit welchen Speisen man ihn kombinieren sollte.

Süßwein = Dessertwein? Quatsch.

Süßwein ist was für die Nachspeise. Dieses Gebot sitzt in den Köpfen fest wie die eingerostete Schraube im Kellerregal. Dabei ist die Kombination von Süßwein und Käse, Süßwein und Leberpastete oder sogar Süßwein und Austern viel sinnvoller. Die Süße braucht Salziges als Aromentransporter, das Salz wirkt als Geschmacksverstärker.

In der Bordeaux-Region Sauternes, dem Mutterland der edelsten Süßweine, gibt es sogar ein kleines Restaurant, das sein gesamtes Menü mit Süßwein begleitet – das Le Saprien.

Süßwein zu süßen, cremigen Desserts oder Kuchen? Das ist in vielen Fällen wie Nutella auf Milchschokolade. Ein süß-klebriger Angriff auf Hüfte, Galle und den guten Geschmack. Wenn schon, dann passt Süßwein noch am ehesten zu fruchtigen oder leicht säuerlichen Desserts.

  • Malvagìa Botrytis vom Weingut Cantina A Casa für 19,00 Euro bei Berdux.
 

Datum: 8.1.2015 (Update 21.7.2015)
 

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