Der Captain sitzt in Miami fest und wird wohl länger bleiben. Die einzigen Rückflüge nach Europa führen über New York und das ist derzeit kein guter Platz, um sich zwischen Menschen zu mischen. Deshalb steuert der Captain das Schiff bei leichtem Wind und warmem Wetter aus dem geräumigen Appartement seines Freundes Jacob. Zwischendurch wird gekocht und getrunken.
Wein gibt’s 800 Meter entfernt bei Total Wine in einer gigantisch großen Filiale dieser Handelskette mit mehr als 200 Niederlassungen und Milliardenumsatz. Es ist ein Paradies für Weinfreunde: Regale ohne Ende mit Flaschen aus aller Welt. Alleine die Chardonnay-Auswahl ist 75 Meter lang oder länger. Aber nur 1,5 Meter Deutschland. Und was steht da? Unter anderem „Dr. L“ von Ernst Loosen und ein paar Weine, von denen der Captain noch nie gehört hat.
Loosens „Dr. L“ gibt es in Deutschland gar nicht. Er kostet 15 Dollar und ist ein Millionenseller aus zusammengekauften Trauben. Es heißt, vom Geld, das der Massenwein reinspielt, subventioniert der Winzer seinen aufwendigen Steillagen-Anbau an der Mosel.
Ganz in der Nähe der kleinen Deutschland-Abteilung bei Total Wine stehen die Flaschen der Trump Winery.
Aber hallo!
Schon lange wollte der Captain wissen, wie die Weine des US-Präsidenten schmecken und nahm deshalb sofort eine Buddel Sauvignon Blanc Monticello mit.
Wie jetzt, es gibt ein Weingut namens Trump? Jawohl, 2011 kaufte Donald das Anwesen bei Charlottesville im Bundesstaat Virginia inklusive 81 Hektar Rebland. Offizieller Eigentümer ist Trump-Sohn Eric, der den Betrieb gemeinsam mit einer Frau leitet, die den Titel general manager trägt.
Ganz in der Nähe besaß ein anderer Präsident ebenfalls ein Weingut: Thomas Jefferson. Es heißt Monticello, so wie heute das ganze Anbaugebiet. Wein-Fan Jeffferson, der als Diplomat lange Zeit in Frankreich weilte und dort umfangreiche Trinkerfahrung sammelte, experimentierte auf Monticello mit Rebsorten. Der Erfolg war überschaubar. Unter anderem ist eine Sangiovese-Pflanzung schriftlich dokumentiert. Übrigens: Trumps Familie, die ja ursprünglich aus der Pfalz kommt, verfügt auch über eine gewisse Weintradition:
Zurück zum Captain und dem Weinkauf mit der Kundenkarte seines amerikanischen Freundes Jacob. Im Einkaufswagen der beiden wine shopper landeten ein paar argentinische Malbecs, Weißwein aus dem Burgund, Chardonnay aus Kalifornien (immer riskant, wenn man den Winzer nicht kennt) und Trumps Monticello-SB. Zwei Tage später öffnen die beiden Freunde diese Flasche zu Kalbsschnitzel an Kapern-Zitronen-Soße und Kartoffelstampf und blicken fasziniert auf das dunkelgold schimmernde Getränk im Glas, das eher wie Bourbon aussieht. Und plötzlich platzt es aus Jacob heraus: Jetzt weiß ich endlich, warum seit zwei Tagen mein facebook feed voller Trump-Werbung ist!
Jacob zeigt mir seinen feed. Tatsächlich: Trump, Trump, Trump. Höhepunkt ist eine Werbe-Anzeige für dieGold-Card, mit der Wahlkampfspender beglückt werden:
Wie kommt’s? Der Vorgang lässt sich schnell erklären. Offenbar gab Total Wine Jacobs persönliche Daten an Trumps Wahlkampf-Firma weiter, nachdem er sich durch Nutzung seiner Kundenkarte (1% Rabatt auf jeden Einkauf) als vermeintlicher Donald-Sympathisant geoutet hatte. Das muss ein gutes Geschäft für Total Wine sein. Und für Facebook, wo man Jacobs Wein-Vorliebe für gezielte Werbe-Ausspielungen nutzt. Im Auftrag von Donald Trump, der wahrscheinlich ahnt: Wer meine Weine mag, findet auch mich gar nicht so schlecht. Im Fall von Jacob ein klarer Irrtum. Er wählt aus Prinzip demokratisch.
Und wie schmeckt Donalds Sauvignon Blanc Monticello 2015? Im Glas whiskyfarbener Schimmer, also sattes Goldgelb wie die Frisur des mutmaßlichen Weingutsbesitzers. In der Nase Bourbon, etwas Vanille, Zigarrentabak, Eisenkraut. Im Mund kaum sortentypisch, aber technisch blitzsauber. Viel Grapefruit, kandierter Ingwer, wieder Bourbon, Orangenschale, Akazienhonig. Voluminös, eine Wuchtbrumme, die sofort reinhaut. Und das bei nur 12,5% Vol. Ein Getränk, das ganz dem großspurigen Wesen seines Namensgebers entspricht und mit einem klassischen SB nichts zu tun hat. Dieser Wein enthält einen kleinen Anteil Semillon (18%), reifte im Stahltank und ist in Europa nicht erhältlich.
In meiner Bildergalerie kannst du dir ansehen, wie es in der Trump Winery zugeht:
Wie wurde Trump eigentlich Winzer? Die Kluge Winery mit ihrem prachtvollen Herrenhaus war in Schieflage geraten. Im „Wall Street Journal“ steht, dass Donald eine günstige Gelegenheit witterte, sein Immobilien-Imperium zu erweitern. Er fand nur den Preis etwas zu hoch. Deshalb kaufte er rundherum Land auf und sperrte den Zugang zum Haus. Keiner konnte rein oder raus. Auf diese Weise drückte er den Verkaufspreis von 100 Millionen auf 3,6 Millionen Dollar. Typisch Trump.