Gemütliche abendliche Runde. Am Tisch ein Mensch, der sich mit Weinen auskennt und ein paar, die das nicht tun. Der Kenner schnüffelt am Glas, verzieht entzückt die Miene und fragt die anderen, was sie denn so riechen. Garantiert ist einer dabei, der den Mörderwitz reißt: „Rotwein!“
Tatsächlich riecht man zunächst nicht viel, wenn man beginnt sich mit Wein zu beschäftigen. Der Weintrinker muss sich schon darauf einlassen, was ihm diese Tropfen außer Alkohol sonst noch zu bieten haben. Dann beginnt er allmählich, Unterschiede zu bemerken. Der eine Wein riecht eher nach Brombeere, der andere mehr nach Kirsche.
Eine Möglichkeit, den Geruchssinn zu trainieren, ist ein Dufttagebuch zu führen. Denn die meisten Menschen haben diesen Sinn weitgehend vergessen. Es fällt nur noch auf, wenn etwas extrem riecht. Extrem unangenehm wie Abgase oder extrem angenehm wie der Sonntagsbraten bei Oma. Den Geruchssinn trainieren geht aber ganz einfach.
Sucht euch für jeden Tag drei verschiedene Dinge aus, an denen Ihr riechen wollt. Das kann die Geranie auf dem Balkon sein, eine Gewürzdose in der Küche, ein altes Buch, die neue Zeitung, der Teddybär eurer Kinder. Notiert, was Ihr riecht und welche Gefühle bzw. Erinnerungen das bei euch auslöst. Schreibt alles auf, Erinnerungen, Farben, Situationen. Alles! Am besten macht Ihr das morgens, da sind die Sinne frisch und noch nicht erschöpft von den vielen Eindrücken des Tages. Macht das mal eine Woche lang, dann habt Ihr 21 Gerüche beisammen. Öffnet am Ende dieser Woche eine Flasche Wein, gießt euch ein Glas ein und schnuppert daran. Ich bin mir sicher, ihr werdet überrascht sein, was Ihr nun alles riecht.
Was bei so einem Geruchstraining alles rauskommt, kann recht lustig sein, wie der Captain → in diesem Artikel beschrieb.
Ich mache das jetzt mit einer Flasche Scheurebe vom Weingut Fogt in Rheinhessen. Der erste Eindruck in der Nase ist eindeutig: Hollunderblüte. Und wie! Mit der Zeit gesellen sich ein paar andere Aromen hinzu und machen den Wein erfreulich komplex, ohne ihn gleich zu überfrachten. Ich finde etwas Ananas und geriebene Zitronenschale. Am Gaumen wirkt der Wein frisch und leicht. Kein Wunder, bei gerade mal 11,5 Volumenprozent Alkohol. Mir gefällt besonders seine Balance zwischen Frucht und kräftiger Säure. Die differenzierten Aromen von Hollunder, Ananas und Grapefruit machen den Wein abwechslungsreich. Die knackige Säure verleiht ihm eine frühlingshafte Frische.
Diesen Wein empfehle ich gut gekühlt für einen Sommerabend auf der Terrasse, am Meer oder im Park. Am liebsten möchte ich dazu ein paar Antipasti oder eine geräucherte Forelle genießen.