Immer wieder dieselbe Szene. Ich bin eingeladen. Der Abend wird spät und später. Und irgendwann raunt mir der Gastgeber verschwörerisch zu, er habe da noch ein ganz besonderes Fläschchen Merlot, die will er jetzt entkorken.
Das kann wirklich wundervoll werden. Ein paar der besten und teuersten Rotweine der Welt sind aus dieser Traubensorte gemacht. Ein Beispiel gefällig? Ganz einfach: Pétrus.
Lest hier unseren Verkostungsbericht über den Pétrus, einen der teuersten Weine der Welt.
Aber es gibt auch gruselige Tropfen, mit der ich nicht mal meine Soßen kochen würde. Bei Merlot ist alles möglich.
Soll Merlot Spitzenweine ergeben, hat er enorm hohe Ansprüche an Boden, Wetter und Pflege. Die Weinberge von Pétrus stehen auf Kies mit einem Untergrund aus eisenhaltigem Ton. Dieser Untergrund macht die Weine üppig, rund und voll, dafür sind sie berühmt.
Aber: Merlot wächst auch auf anderen, ja fast auf allen Böden und dort, wo man eigentlich keine Reben pflanzen muss. Aus solchen Trauben kann zwar kein Kellermeister der Welt tolle Weine machen, aber was Rotes, das irgendwie merlotmäßig schmeckt, bekommt er im Keller schon hin.
Merlot treibt früh aus. Deshalb ist es ein Risiko, ihn an Orten zu kultivieren, wo es spät im Jahr nochmal kalt werden kann. Dann erfrieren Triebe und Blütenansätze. In Bordeaux (da kommt die Rebsorte her) gibt es in Jahren mit späten Frösten wenig bis manchmal gar keinen Merlot. Der frühe Austrieb ist ein Nachteil aber dafür sind die Beeren auch eher reif. Das wiederum freut den Winzer. Den während die Kollegen mit anderen Rebsorten noch um einen schönen Spätsommer und Herbstanfang bangen, hat er seine Trauben längst im Keller.
Die Beeren des Merlot haben eine dünne Schale. Deshalb sind sie anfällig für verschiedene Krankheiten. Der Winzer hat zwei Möglichkeiten. Erstens: viel Handarbeit im Weinberg. Er muss das Blattwerk so pflegen, dass immer ein frisches Lüftchen durch die Pflanze wehen kann. So bleibt alles trocken, das verhindert Krankheiten. Die Arbeitskraft dafür ist natürlich teuer. Zweite Möglichkeit: Der Winzer spritzt. Und spritzt. Und spritzt nochmal…
A propos Handarbeit. Die ist noch aus einem anderen Grund nötig, wenn ein Spitzenmerlot entstehen soll. Die Rebe produziert viele Trauben. Das freut zwar den Hersteller von billigen Massenweinen, macht dem Topwinzer aber viel Mühe. Er muss andauernd in den Weinberg, um Trauben rauszuschneiden. Dann konzentriert die Rebe all ihre Kraft in den verbliebenen Früchten. Ergebnis: konzentrierte und geschmacksstarke Weine.
Merlot kommt gut an. Die Weine müssen nicht lange reifen, um ihren Höhepunkt zu erreichen. Ihre oft sehr dichten Aromen von Pflaumen und dunklen Beeren schmecken vielen. Wenig Säure und wenig Tannin machen Merlot leicht trinkbar.
Dabei sind reinsortige Merlot-Weine eher selten. Die Winzer schätzen Merlot vor allem wegen seiner Fähigkeiten als Partner im Zusammenspiel mit anderen Rebsorten. In eine Cuvée bringt er Fülle, Dichte, Weichheit und runde Geschmacksnoten mit ein. Sein Lieblingspartner ist der Cabernet Sauvignon, mit dem er in Bordeaux meist vermählt wird.
Wofür die ganze Vorrede? Damit Weinfreunde mit weniger Erfahrung auch etwas davon haben. Denn darum geht es uns bei CaptainCork.
Ich habe einen reinsortigen Merlot entkorkt, und zwar einen aus der Top-Linie Sebastian vom Weingut Holz-Weisbrodt aus Weisenheim am Berg in der Pfalz.
Dieser Wein reifte im kleinen Barrique, also 225 Liter-Eichenfass. Das ist Voraussetzung, um im Rahmen unserer Holzfasswoche hier aufgemacht zu werden, die wir gemeinsam mit dem Barrique Forum Pfalz abfeiern.
Das Barrique Forum Pfalz ist eine Art Fasslobby, die gegen das Gerücht antritt, dass Barriqueweine vordergründig nach Holzausbau schmecken. Das Gegenteil ist der Fall – wenn der Winzer sein Handwerk versteht. Sagt das Barrique Forum Pfalz und pickt sich jedes Jahr im Rahmen einer großen Verkostung die besten Beispiele für besonders gelungene Rotweine aus dem kleinen Eichenfass heraus.
Jetzt aber zum Merlot vom Weingut Holz-Weisbrodt. Im Glas schimmert der Wein in kräftigem Rubinrot, ein paar granatfarbene Reflexe sind zu sehen.
Dieser Tropfen ist ein absoluter Nasenschmeichler. Warm und weich steigen mir Düfte von frischer Pflaume und reifer Kirsche entgegen. Sie begleiten ein Hauch Vanille, eine Spur Himbeere, etwas Zimt und Noten von geröstetem Brot. Am Gaumen geht es genauso schmeichlerisch weiter. Der Wein hat geradezu verschwenderische Aromen von Pflaume und Kirsche, von Vanille und Karamell, von dunkler Schokolade und Kaffee. Die nicht sonderlich vielen Tannine sind anschmiegsam weich, die Säure zurückhaltend.
Der Merlot Niederkirchen Klostergarten mit seinen 14 Volumenprozent Alkohol ist etwas für Freunde dichter, weicher und aromatischer Weine. Eine Samtkissenschlacht für den Gaumen. Und was soll auf den Teller? Ich finde, Ossobuco oder ein Wildragout passen perfekt dazu.