Wie wär’s, wenn wir mal wieder einen Kabinett-Wein trinken? Nichts leichter als das.
Es gibt wohl kaum einen Fachhändler, Internet-Weinshop oder Supermarkt, der nicht mehrere Kabinette im Angebot hat. Apropos leicht: Dieses Attribut wird dem Kabinett gemeinhin zugeordnet.
Es soll Zeiten gegeben haben, in denen das auch eine gewisse Berechtigung hatte. Und ganz früher, also im Mittelalter, wurden besonders gute Weine in klösterlichen Weinkellern in einer besonderen Schatzkammer – dem Cabinet – aufbewahrt, was als Vorlage für spätere Weineinstufungen diente.
Heute ist alles anders. Das deutsche Lebensmittelrecht zeichnet sich allgemein dadurch aus, dass Bezeichnungen in erster Linie dazu dienen, den Verbraucher hinter die Fichte zu führen.
Zitronenlimonade ohne die Spur Zitronensaft, Kalbfleischleberwurst ohne Kalbsleber oder Schwarzwälder Schinken aus Dänemark sind traurige Realität in allen Supermarktregalen. Und der Kabinett-Wein? Ist schlicht und ergreifend alles und nichts.
Das 1971 verabschiedete und seitdem mehrfach novellierte Deutsche Weingesetz schreibt zunächst einmal vor, dass Kabinett-Weine aus einer „Lese von reifen Trauben“ stammen müssen.
Das ist sehr nett, denn wer will schon einen Prädikatswein trinken, der von unreifen Trauben stammt?
Aber was ist reif?
Diese Frage hat der Gesetzgeber elegant gelöst. Im Fall Kabinett muss der in Oechsle gemessene Zuckergehalt des unvergorenen Mostes mindestens 73 Oechsle betragen, in Baden je nach Rebsorte 76 bis 85 Oechsle. Und er darf vor der Vergärung nicht mit Zucker angereichert werden, um den Alkoholgehalt zu erhöhen. Das war’s aber auch schon.
So hat man – anders als in Österreich – auf ein Höchstmostgewicht verzichtet. Daher ist in entsprechenden Jahren so manch Kabinett in Wirklichkeit eine Spät- oder gar Auslese, die aus Marketinggründen herabgestuft wurde.
Auch mit der Reife ist das so eine Sache. Zum einen gibt es Rebsorten, die es auch in klimatisch mäßigen Jahren und in zweifelhaften Lagen regelmäßig locker auf 90 Oechsle bringen. Und zum anderen ist der Versuch, den Begriff der Reife auf den Zuckergehalt zu reduzieren und Aromenausprägung, Extraktdichte, Säure usw. dabei auszublenden ungefähr so, als wenn man das Können einer Balletttänzerin nach ihrer Schuhgröße bewertet. Oder ein Buch nach seiner Seitenzahl.
Was interessieren mich Weingesetz, Mostgewicht und Extraktdichte, denkt jetzt der Weintrinker. Ich will einen Wein, der mir schmeckt. Der unkompliziert ist und nicht in die Birne haut.
Genau das wird dem Kabinett fälschlicherweise immer zugeschrieben.
Aber abgesehen von jener Minderheit der Winzer, welche die Bezeichnungen Kabinett, Spätlese, Auslese tatsächlich noch anhand klarer traditioneller Geschmacksprofile und auch Alkoholgehalte einsetzen, ist Kabinett-Wein inzwischen vollkommen beliebig und undefinierbar. Er kann süß, halbtrocken oder auch trocken sein.
Manchmal findet man (besonders an der Mosel) noch klassische süße Kabinette mit nur 7 bis 8 Prozent Alkohol. Doch auch trockene Wuchtbrummen mit 13,5 Prozent sind im Angebot.
Kabinett kann eine spritzige lebendige Säure haben oder auch dumpf und pappig schmecken. Er hat möglicherweise eine gewisse Lagerzeit auf der → Feinhefe verbracht, was ihm eine leichte Perlage verleiht, oder er wurde husch-husch schon ein paar Wochen nach der Lese abgefüllt. Er lag möglicherweise im Holzfass, bei Rotweinen gar im Barrique-Fass oder einfach im Stahltank. Es ist ein großartiger, ein guter, ein mittelmäßiger oder ein miserabler Wein. Und es ist ziemlich egal, ob er Kabinett heißt oder nicht.
Immer mehr Winzer sehen das mittlerweile ähnlich. Und hoffentlich auch immer mehr Weinfreunde.
Wurde auch Zeit, dass das mal gesagt wird.
Der Begriff Kabinett wollte niemals etwas über den Geschmack aussagen, sondern ist höchstens eine technische Information für Experten. Für den normalen Konsumenten könnte man die freilich auch weglassen. Aber dafür klingt das Wort wahrscheinlich viel zu gut.
O mein Gott, als sei der Artikel allein nicht schon genügend Desinformation. Der Kabinett ist ein (völlig richtiges) weingesetzliches Konstrukt von 1971. Nirgends sonst auf der Welt gibt es auf natürlichem Wege eine solche Weinvielfalt wie in Deutschland. Die immer wieder gerne herangezerrte Weinkultur aus Bordeaux und Burgund ist uns zumindest in den nördlichen Regionen völlig fremd, der VDP mit seiner Klassifikation deswegen auch auf einem Holzweg. Wer den Kabinettbegriff ignorieren will, der tut das wahrscheinlich auch im Sport und vergleicht einen Weltmeister im Fliegen- mit dem im Schwergewicht.
Statt froh über den Kabinett zu sein, weil er etwas hat, um das uns die restliche Welt beneidet, mosert der Deutsche lieber sauertöpfisch herum. Erst ist es der Begriff halbtrocken (international heißt er „semidry“ und damit auch nicht anders), und jetzt wird die Prädikatsweinsau durchs Dorf der Hirntoten getrieben.
Kurz: Wer den Prädikatsweinen ans Leder will, hat nichts, aber auch gar nichts von ihnen verstanden und sollte lieber prüfen, ob er nicht selbst anstelle des Kabinetts abgeschafft werden sollte.
Ob Kabinett auf dem Etikett steht ist eine Sache, aber dass kabinettige Weine gut, ja notwendig sind, ist unzweifelhaft. Aber woran soll man sie erkennen, wenn nicht am Etikett? Deshalb sollte man das Prädikat nicht aufgeben, sondern die Winzer loben, die kabinettige Weine machen und sie Kabinett nennen. Und man muss bereit sein, sie zu bezahlen.
was soll dieses Gepöbele? In dem Artikel geht es nicht um Bordeaux oder den VDP, sondern darum, dass die Bezeichnung Kabinett nichts über einen Wein aussagt – außer über das MIndestmostgewicht.Wollen Sie das etwa bestreiten? Um bei ihrem Sportbild zu bleiben: Es ist ja gerade das Problem, dass sich in der Kabinett-KLasse sowohl Fliegen- als auch Schwergewichtler tummeln. Die Prädikate tragen (leider) nichts dazu bei, den Kunden eine Orientierungshilfe beim Weinkauf zu geben.
Falls sie über dem entgegen stehende Argumente verfügen sollten, wäre ich jedenfalls gespannt, die zu lesen.
Verehrter Linkslotse,
das Mindestmostgewicht ist eine technische Größe. Sie werden doch nicht etwa behaupten, dass diese Größe den Kunden in der Fläche interessiert. Und doch ist ein Kabinett eben nicht nur ein Wein mit einem bestimmten Mindestmostgewicht.
Im Kabinett sehen die Verbraucher einen leichten, eleganten Wein, übrigens unabhängig von der Geschmacksrichtung. Dass vereinzelt Weine erhältlich sind, die das Bild des Kabinetts durch hohe Alkoholwerte konterkarieren, ist nicht dem Kabinett anzulasten, sondern ein grundsätzliches Übel. Dabei könnte bereits die amtliche Prüfungskommission einen Wein als „untypisch“ ablehnen, wenn er nicht seinem Prädikat entspricht. Dazu braucht es keine gesetzlichen Regelungen, sondern nur fähige Verkoster in den entsprechenden Gremien.
Kein Reformbedarf also, was die Prädikate angeht.
Ich finde die klasssiche Aufteilung in QbA, Kabinett, Spätlese…hervorragend. QbA trinke ich nicht, Kabinett steht für leichte, frische Weine, die als Essenbegleiter gut geeignet sind oder einfach zum Saufen, bei höheren Prädikaten darf ich was besonderes erwarten. Das ist für meine Begriffe die Intention dieser Regelung und ich weiß nicht, was daran kompliziert sein soll und bei vielen seriösen Produzenten trifft das auch genau zu und ist dann sehr wohl eine Entscheidungshilfe.
Dass das von vielen Produzenten unterlaufen wird, ist unbestritten. Das ist aber kein Grund, dieses System abzuschaffen. Man muss es vielleicht verbessern, aber nicht abschaffen.
Denn auch in einem anderen System wird es Probleme geben und Versuche, das System zu unterlaufen.
Im Übrigen kann ich Hr. Elflein nur zustimmen, dass die neue VdP-Klassifikation nach Guts-, Orts- Lagenweinen und Großen Gewächsen ein Rohrkrepierer ist. Das ist ja übersetzt auch nix anderes als:
Gutswein = QbA
Ortswein = Kabinett
Lagenwein = Spätlese
Grosses Gewächs = Marketinggag
Oder es führt vielfach zu einer Vermischung. Dann gibt es Ortswein-Kabinette, Ortswein-Spätlesen, Lagenwein-Kabinette usw. Dann wird es erst richtig verwirrend.
Werter Herr Elflein
1.) Wir können ja gerne mal zusammen in einen Supermarkt gehen, und Weinkäufer vor dem Regal fragen, was ihrer Meinung denn einen Kabinett-Wein ausmache. Wir können das auch gerne in einer etwas gehobeneren Weinabteilung wiederholen. Um was wetten wir, dass nicht einmal ein Drittel die von Ihnen genannte Definition kennen wird?
2.)Warum wäre es ein Problem, gesetzlich beispielsweise ein Höchstalkoholgehalt festzulegen?
3.) Glauben Sie ernsthaft, dass die amtlichen Prüfungskommissionen vollkommen unabhängig von den wirtschaftlichen Interessen der jeweiligen Weinbauverbände agieren? Haben Sie noch nie etwas davon gehört, wie in bestimmrten Jahren in bestimmten Regionen an den Kriterien rumgebogen wurde, damit möglichst viele Weine noch eingestuft werden konnten?
Davon abgesehen, dass auch beim VDP einiges an Verwirrung gestiftet wird, ist die Gutswein=QbA etc, -Aufzählung schlicht Unfug. Denn es geht ja gerade nicht – wie bei den Prädikaten – um Mostgewichte, sondern um Lagenbezug.
Sie trinken also keine QbA-Weine. Da entgeht Ihnen so Einiges vom Besten, was deutsche Winzer zu bieten haben. Es gibt nämlich etliche, die den Prädikatsunfug einfach nicht mehr mitmachen. Sie erwarten bei höheren Prädikaten „etwas Besonderes“. Na denn viel Spaß mit den Spät- und Auslesen für 2-3,50 Euro bei Aldi&Co.
1.) Wir können gerne auch auf der Kölner Domplatte einige der Landstreicher fragen. Für mich ist das kein Kriterium. Unwissenheit kann man abhelfen, sie taugt nicht als Argument für Nivellierung. Wer dumm sterben will, den werde ich aber auch nicht davon abhalten.
2.) Gegen einen Höchstalkohol habe ich rein gar nichts, aber sie sind auch nicht zwingend notwendig. Der Alkohol steht zudem mehr oder weniger groß auf dem Etikett, da weiß jeder, was er da kauft – oder eben nicht.
3.) Die amtlichen Prüfungskommissionen sind ein Witz, aber wenn hier ein Mangel besteht, dann sollte zuerst dieser behoben werden, und nicht über angebliche Unzulänglichkeiten des Prädikatssystems schwadroniert werden.
Jetzt kommen wir der Sache schon näher
1.) Für wenn sollen die Prädikate denn nun eigentlich da sein. Für die Kunden ( die eh nicht wissen, was sie bedeuten)? Für die Winzer und Vermarkter (irgendwelche Medaillen oder eben auch Prädikate machen sich ja immer gut))? Oder für ein paar Weinfreaks, die wissen, was gemeint ist? Letztere interessieren mich aber publizistisch nicht und brauchen die Prädikate ohnehin nicht, um ihre Weine zu finden.
2. Bei einem festgesetzten Höchstalkohol gäbe es jedenfalls keinen Kabinett mit 13,5% mehr. Wäre doch ein Fortschritt.
3.) Prüfungskommissionen sind genauso Bestandteil des absurden bis korrupten Weinbusiness‘, wie Landesweinprämierungen, gekaufte Erwähnungen in „Premium-Magazinen“, merkwürdige Punkte-Rankings oder eben auch die weingesetzlichen Prädikate in ihrer derzeitigen Form.. Gehört mittel- bis langfristig alles auf den Müllhaufen der Weingeschichte.
Nur ganz kurz: Da täuschen Sie sich gewaltig.
Kabinett heisst „nicht chaptalisiert“.
Und im internen Preisgefüge des Winzers meistens nicht so teuer wie Spätlese.
Das war´s. Als solches ist das hilfreich.
Alles andere ist „on top“. Ob man es hat oder nicht, egal. Wenn der Winzer damit zusätzlich verbinden will „leichter als Spätlese“ (und als chaptalisierter QbA, lieber „Gast“) gut, warum nicht.
Für die beiden Basisinformationen lohnt sich, die Bezeichnung auch dann beizubehalten, wenn sie nicht im Sinne einer „Leichtigkeitsgarantie“ reformiert wird.
Aber was macht man dann mit den Mosten „nach Klimawandel“, die Anfang-Mitte Oktober schon 12,5% und mehr haben. Soll ja auch bei Riesling vorkommen. „De-alkoholisieren“ oder vorher „grün“ ernten? Brrrr.
So what.
Interessante Diskussion.