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Was ist Kabinett-Wein?

Riecht süß.
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Etiketten verstehen, das ist oft gar nicht so einfach. Weintester Rainer Balcerowiak erklärt das Durcheinander bei der Bezeichnung "Kabinett".
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Wie wär’s, wenn wir mal wieder einen Kabinett-Wein trinken? Nichts leichter als das.

Es gibt wohl kaum einen Fachhändler, Internet-Weinshop oder Supermarkt, der nicht mehrere Kabinette im Angebot hat. Apropos leicht: Dieses Attribut wird dem Kabinett gemeinhin zugeordnet.

Es soll Zeiten gegeben haben, in denen das auch eine gewisse Berechtigung hatte. Und ganz früher, also im Mittelalter, wurden besonders gute Weine in klösterlichen Weinkellern in einer besonderen Schatzkammer – dem Cabinet – aufbewahrt, was als Vorlage für spätere Weineinstufungen diente.

Heute ist alles anders. Das deutsche Lebensmittelrecht zeichnet sich allgemein dadurch aus, dass Bezeichnungen in erster Linie dazu dienen, den Verbraucher hinter die Fichte zu führen.

Zitronenlimonade ohne die Spur Zitronensaft, Kalbfleischleberwurst ohne Kalbsleber oder Schwarzwälder Schinken aus Dänemark sind traurige Realität in allen Supermarktregalen. Und der Kabinett-Wein? Ist schlicht und ergreifend alles und nichts.

Das 1971 verabschiedete und seitdem mehrfach novellierte Deutsche Weingesetz schreibt zunächst einmal vor, dass Kabinett-Weine aus einer „Lese von reifen Trauben“ stammen müssen.

Das ist sehr nett, denn wer will schon einen Prädikatswein trinken, der von unreifen Trauben stammt?

Aber was ist reif?

Diese Frage hat der Gesetzgeber elegant gelöst. Im Fall Kabinett muss der in Oechsle gemessene Zuckergehalt des unvergorenen Mostes mindestens 73 Oechsle betragen, in Baden je nach Rebsorte 76 bis 85 Oechsle. Und er darf vor der Vergärung nicht mit Zucker angereichert werden, um den Alkoholgehalt zu erhöhen. Das war’s aber auch schon.

So hat man – anders als in Österreich – auf ein Höchstmostgewicht verzichtet. Daher ist in entsprechenden Jahren so manch Kabinett in Wirklichkeit eine Spät- oder gar Auslese, die aus Marketinggründen herabgestuft wurde.

Auch mit der Reife ist das so eine Sache. Zum einen gibt es Rebsorten, die es auch in klimatisch mäßigen Jahren und in zweifelhaften Lagen regelmäßig locker auf 90 Oechsle bringen. Und zum anderen ist der Versuch, den Begriff der Reife auf den Zuckergehalt zu reduzieren und Aromenausprägung, Extraktdichte, Säure usw. dabei auszublenden ungefähr so, als wenn man das Können einer Balletttänzerin nach ihrer Schuhgröße bewertet. Oder ein Buch nach seiner Seitenzahl.

Was interessieren mich Weingesetz, Mostgewicht und Extraktdichte, denkt jetzt der Weintrinker. Ich will einen Wein, der mir schmeckt. Der unkompliziert ist und nicht in die Birne haut.

Genau das wird dem Kabinett fälschlicherweise immer zugeschrieben.

Aber abgesehen von jener Minderheit der Winzer, welche die Bezeichnungen Kabinett, Spätlese, Auslese tatsächlich noch anhand klarer traditioneller Geschmacksprofile und auch Alkoholgehalte einsetzen, ist Kabinett-Wein inzwischen vollkommen beliebig und undefinierbar. Er kann süß, halbtrocken oder auch trocken sein.

Manchmal findet man (besonders an der Mosel) noch klassische süße Kabinette mit nur 7 bis 8 Prozent Alkohol. Doch auch trockene Wuchtbrummen mit 13,5 Prozent sind im Angebot.

Kabinett kann eine spritzige lebendige Säure haben oder auch dumpf und pappig schmecken. Er hat möglicherweise eine gewisse Lagerzeit auf der → Feinhefe verbracht, was ihm eine leichte Perlage verleiht, oder er wurde husch-husch schon ein paar Wochen nach der Lese abgefüllt. Er lag möglicherweise im Holzfass, bei Rotweinen gar im Barrique-Fass oder einfach im Stahltank. Es ist ein großartiger, ein guter, ein mittelmäßiger oder ein miserabler Wein. Und es ist ziemlich egal, ob er Kabinett heißt oder nicht.

Immer mehr Winzer sehen das mittlerweile ähnlich. Und hoffentlich auch immer mehr Weinfreunde.

 

Datum: 26.9.2019 (Update 3.3.2022)
 

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