Schwaben sind in aller Munde. Neulich hat sich sogar ein bekannter SPD-Politrentner über unsere süddeutschen Mitbürger aufgeregt. Die haben ja bekanntlich den früheren Berliner Szene-Bezirk Prenzlauer Berg okkupiert, und seitdem heißen dort die Berliner Schrippen „Wecken“, was Wolfgang Thierse vollkommen daneben findet.
Das ist mir so was von egal, von mir aus könnte dieses ernährungsphysiologisch ohnehin wertlose Weißmehlgebäck auch Hotzenplotzi oder Umpfelbumpfel heißen. Hauptsache, es schmeckt einigermaßen knackig und besteht nicht – wie die meisten Schrippen oder Wecken – fast nur aus Luft.
Schwaben willkommen!
Ohnehin sind mir Scharen zuwandernder Schwaben in der Berliner Genuss-Diaspora durchaus willkommen – wenn sie denn auch anständigen Wein mitbringen. Den haben sie in ihrer Heimat, nicht nur, aber besonders gehäuft im Remstal. Leider konzentriert sich die Wahrnehmung der Weinwelt auf die großkopferten Produzenten mit dem Vogel auf dem Etikett, also auf diejenigen, die dem Verband Deutscher Prädikatsweinwinzer (VDP) angehören.
Über die Qualität vieler Weine von Aldinger, Ellwanger, Haidle oder Schnaitmann wird in den gängigen Medien episch berichtet, längst zählen sie zu den Elitetruppen des deutschen Rotwein-Aufbruchs. Auch einige Genossenschaften, wie z.B. Cleebronn-Göglingen haben mittlerweile (zu Recht) eine richtig gute Rezeption.
Andi Knauß im Remstal. Landschafliche Schönheit ein paar Kilometer von Stuttgart entfernt…
Doch was ist mit der zweiten Reihe? Also jene Winzer, die zwar weit entfernt vom VDP operieren, aber selbst abfüllen und nicht selten gute bis sehr gute gebietstypische Tropfen produzieren? Natürlich geht es dabei auch wieder um die alte Frage, ob man aus der schwäbischen Nationalrebsorte Trollinger wirklich Wein machen kann. Immerhin sollte man nicht vergessen, dass es sich eigentlich um eine Tafeltraube handelt. Mit entsprechend limitierten Ressourcen für die Kelterung.
Man kann. Im Weingut Knauß in Weinstadt können sie es jedenfalls. Etwas ältere Reben (25-27 Jahre), ein für Trollinger relativ geringer Ertrag (70 Liter pro Ar), selektive Handlese, Spontanvergärung auf der Maische und Ausbau im gebrauchten Holz sind die Basis eines hochwertigen „einfachen“ Trollingers, wie er reintöniger kaum sein könnte.
Hier wird nicht durch reichlich Zucker vor der Vergärung aufgeblasen oder mittels Erhitzung marmeladisiert, sondern klare Traubenfrucht mit einer Spur Süßkirsche in den Mittelpunkt gestellt.
Hier werden keine Tannine simuliert und keine färbenden „Deckrotweine“ verwendet. Dieser Trollinger darf ein Trollinger bleiben, ohne dabei wässrig-säuerlich oder – das andere weit verbreitete Extrem – pappig süß zu wirken. 1,6 Gramm Restzucker und 4,4 Gramm Säure stehen ihm ausgesprochen gut, den in vielen Fällen zu Recht geschmähten biologischen Säureabbau hat er gut verkraftet und mit Schwefel ist der Winzer angenehm dezent umgegangen.
Treckerfahr´n im Remstal
Ein nicht zu warm zu trinkender Wein; unkompliziert, leicht (11,5 % Alkohol) mit großem Spaßfaktor, leichtem Prickeln am Gaumen und natürlich gut aufgehoben in der Gesellschaft von anderen bodenständigen Genüssen der Region, wie z.B. Linsen mit Spätzle. Oder einfach zum „Wegschlotzen“. Und zwar bald, denn Lagerungspotenzial dürfte dieser Wein eher nicht haben.
Womit wir wieder beim beliebten Thema Punktbewertung wären. Da dürfte dieser Trollinger vermutlich Mühe haben, die 80 Punkte-Latte einigermaßen souverän zu überwinden. In der Nase gibt er nicht viel her, das Aromenspiel ist nicht sonderlich komplex und der Abgang äußerst verhalten. Ist es deswegen also ein minderwertiger oder gar schlechter Wein?
Kriegt er Punkte?
Natürlich nicht! Vielmehr kommt er als glaubwürdiger, authentischer Vertreter einer bestimmten Spielart der unermesslich vielfältigen Weinkultur daher. Das ist deutlich mehr, als so manch hochkonzentrierte, aber seelenlose 90+ Punkte-Aromabombe von irgendwoher über sich behaupten kann. Die Weinwelt wäre ärmer, wenn es solche gradlinigen, leckeren Weine nicht mehr geben würde. Mehr mag ich dazu gar nicht sagen. Lieber noch ein Glas von diesem Trollinger trinken.
Das Fazit hat mir sehr gut gefallen. Es darf auch mal kein hammermäßiger Aromenbomber sein sondern was unauffälligeres was regional hoch geschätzt wird. Irgendwo im Netz las ich mal den Wunsch einfach nur einen Wein zu finden der nach Wein schmeckt und nicht nach Früchten, Beeren oder sonst was – einfach was dezentes, was als Tischgetränk zum Essen passt.
An den letzten Tagen hab ich aus der Kategorie einen Discounterwein getrunken, hat einen tollen Namen, schmeckt aber so wie im aufgeschnappten Zitat, also ein Wein der nach Wein schmeckt aber fein schmeckt. Er heißt Château Veissière, ist aus Frankreich, Rhône-Gebiet im Übergang zum südlichen Languedoc; Costières de Nîmes. Der stand schon lange bei mir herum, war mir immer zu langweilig und siehe da, hat mir jetzt doch sehr gut geschmeckt mit seiner unaufgeregten Art. Wenn ich mich nicht irre war der Preis um die 3,50 EUR und ist schnell zu ergoogeln.
Wir hier an Bord geben bei solchen Weinen immer zu bedenken, dass diese nur in agrarischer Ausbeutungswirtschaft erzeugt werden können. Solle heißen: Herbizide, Funghizide und wahrscheinlich sogar Pestizide. Naturbelassene Weine müssen mehr kosten..
Sehr schöner Beitrag! Auch wenn ich aus persönlicher Erfahrung als zeitweiser Exil-Badener weiss, dass der Schwabe an sich kein Genussmensch ist und eher für’s arbeiten lebt, muss man ehrlich zugeben, dass sich im Remstal tatsächlich so etwas wie Weinkultur manifestiert hat! 🙂
Ich sitze hier 2 Ortschaften von Strümpfelbach entfernt und bin stolz, was gerade im Remstal bezüglich dem Weinbau passiert. Andis Weine sind nur ein Beispiel für die aufstrebende neue Generation schwäbischer Weinbauer. Es gibt einige bekannte und noch unbekannte Wengeter, die es verstehen aus einem Trollinger, Riesling oder auch Sauvignon Blanc!!! guten und sauberen Wein herzustellen.
So wieauch Jochen Beurer aus Stetten, der mit biodynamischen Weinbau, eine der besten Rieslinge Württembergs (m.E. sogar Deutschlands) mit Terroir und Charakter vinifiziert. Aber sein Sauvignon Blanc ist das Beste, was mir je in Deutschland untergekommen ist. Da kann sogar, meiner Meinung nach, der Herr Schnaitmann einpacken.
Ich hoffe wir werden hier noch mehr solche Artikel über das Remstal lesen. Danke dem Linkslotsen und dem Captain.
Deutschland einig Winzerschlaraffennachwuchsland!
Sorry Captain, aber Herbizide und Funghizide sind Unterkategorien von Pestiziden.
Ansonsten d’accord: Weine, bei denen auf diese chemischen Kampfstoffe verzichtet wird, sind in der Regel teurer in der Herstellung, was sich auch beim Preis ausdrüclen muss.
Selbst im Ermstal, dass schnell zum Remstal werden kann, tut sich was. Bächners gelingt dort auf weißem Jurakalk in 550m Höhe ein respektabler Spätburgunder. Das ist etwas exotisch, aber auch sehr erfreulich.
Ich finde eure Seite wirklich sehr gelungen und informativ.
Nur diese Überschriften! Ab und zu ein Kalauer ist ja ganz
nett, aber doch nicht ständig, bitte habt Erbarmen mit mir
oder ich schreibe bei euch einen Artikel, wie wäre es mit:
Silvaner für Silvia.
Leider können wir kein Erbarmen zeigen, Kalauern geht mit uns durch..