X
Newsletter
X
X
Login
Passwort vergessen?


Konto erstellen

Troll dich doch nicht, Trollinger!

Lässiger, guter Winzer: Andi Knauß. Und eine der Zukunftshoffnugen des deutschen Rotweins...
Kommentare
Ähnliche Weine
Ähnliche Artikel
Der Captain kann mit dieser Sorte wenig anfangen. Doch Linkslotse Balcerowiak hat einen Trollinger entdeckt, der auch dem Captain schmeckt. Kunststück: Der Winzer ist einer von Captains Lieblingen. Wer kann, der kann auch Trollinger.
Anzeige

Schwaben sind in aller Munde. Neulich hat sich sogar ein bekannter SPD-Politrentner über unsere süddeutschen Mitbürger aufgeregt. Die haben ja bekanntlich den früheren Berliner Szene-Bezirk Prenzlauer Berg okkupiert, und seitdem heißen dort die Berliner Schrippen „Wecken“, was Wolfgang Thierse vollkommen daneben findet.

Das ist mir so was von egal, von mir aus könnte dieses ernährungsphysiologisch ohnehin wertlose Weißmehlgebäck auch Hotzenplotzi oder Umpfelbumpfel heißen. Hauptsache, es schmeckt einigermaßen knackig und besteht nicht – wie die meisten Schrippen oder Wecken – fast nur aus Luft.

Schwaben willkommen!

Ohnehin sind mir Scharen zuwandernder Schwaben in der Berliner Genuss-Diaspora durchaus willkommen – wenn sie denn auch anständigen Wein mitbringen. Den haben sie in ihrer Heimat, nicht nur, aber besonders gehäuft im Remstal. Leider konzentriert sich die Wahrnehmung der Weinwelt auf die großkopferten Produzenten mit dem Vogel auf dem Etikett, also auf diejenigen, die dem Verband Deutscher Prädikatsweinwinzer (VDP) angehören.

Über die Qualität vieler Weine von Aldinger, Ellwanger, Haidle oder Schnaitmann wird in den gängigen Medien episch berichtet, längst zählen sie zu den Elitetruppen des deutschen Rotwein-Aufbruchs. Auch einige Genossenschaften, wie z.B. Cleebronn-Göglingen haben mittlerweile (zu Recht) eine richtig gute Rezeption.

knaussdreidrei.jpg

Andi Knauß im Remstal. Landschafliche Schönheit ein paar Kilometer von Stuttgart entfernt…

Doch was ist mit der zweiten Reihe? Also jene Winzer, die zwar weit entfernt vom VDP operieren, aber selbst abfüllen und nicht selten gute bis sehr gute gebietstypische Tropfen produzieren? Natürlich geht es dabei auch wieder um die alte Frage, ob man aus der schwäbischen Nationalrebsorte Trollinger wirklich Wein machen kann. Immerhin sollte man nicht vergessen, dass es sich eigentlich um eine Tafeltraube handelt. Mit entsprechend limitierten Ressourcen für die Kelterung.

Man kann. Im Weingut Knauß in Weinstadt können sie es jedenfalls. Etwas ältere Reben (25-27 Jahre), ein für Trollinger relativ geringer Ertrag (70 Liter pro Ar), selektive Handlese, Spontanvergärung auf der Maische und Ausbau im gebrauchten Holz sind die Basis eines hochwertigen „einfachen“ Trollingers, wie er reintöniger kaum sein könnte.

Hier wird nicht durch reichlich Zucker vor der Vergärung aufgeblasen oder mittels Erhitzung marmeladisiert, sondern klare Traubenfrucht mit einer Spur Süßkirsche in den Mittelpunkt gestellt.

Hier werden keine Tannine simuliert und keine färbenden „Deckrotweine“ verwendet. Dieser Trollinger darf ein Trollinger bleiben, ohne dabei wässrig-säuerlich oder – das andere weit verbreitete Extrem – pappig süß zu wirken. 1,6 Gramm Restzucker und 4,4 Gramm Säure stehen ihm ausgesprochen gut, den in vielen Fällen zu Recht geschmähten biologischen Säureabbau hat er gut verkraftet und mit Schwefel ist der Winzer angenehm dezent umgegangen.

knaussviervier.jpg

Treckerfahr´n im Remstal

Ein nicht zu warm zu trinkender Wein; unkompliziert, leicht (11,5 % Alkohol) mit großem Spaßfaktor, leichtem Prickeln am Gaumen und natürlich gut aufgehoben in der Gesellschaft von anderen bodenständigen Genüssen der Region, wie z.B. Linsen mit Spätzle. Oder einfach zum „Wegschlotzen“. Und zwar bald, denn Lagerungspotenzial dürfte dieser Wein eher nicht haben.

Womit wir wieder beim beliebten Thema Punktbewertung wären. Da dürfte dieser Trollinger vermutlich Mühe haben, die 80 Punkte-Latte einigermaßen souverän zu überwinden. In der Nase gibt er nicht viel her, das Aromenspiel ist nicht sonderlich komplex und der Abgang äußerst verhalten. Ist es deswegen also ein minderwertiger oder gar schlechter Wein?

Kriegt er Punkte?

Natürlich nicht! Vielmehr kommt er als glaubwürdiger, authentischer Vertreter einer bestimmten Spielart der unermesslich vielfältigen Weinkultur daher. Das ist deutlich mehr, als so manch hochkonzentrierte, aber seelenlose 90+ Punkte-Aromabombe von irgendwoher über sich behaupten kann. Die Weinwelt wäre ärmer, wenn es solche gradlinigen, leckeren Weine nicht mehr geben würde. Mehr mag ich dazu gar nicht sagen. Lieber noch ein Glas von diesem Trollinger trinken.

 

Datum: 24.1.2013 (Update 12.1.2015)
 

Ähnliche Weine

 

Ähnliche Artikel