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Arbeit muss sich wieder lohnen!

Erntehelfer bei der Arbeitspause im Sorentberg.
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Zwei junge Winzer aus Deutschland und Südtirol machen Mosel-Riesling von Uralt-Rebstöcken, der 65 Euro kostet.
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Schaut euch diesen Steilhang an. Vor ein paar Jahren war hier alles kahl. Ausgerissen mit Stumpf und Stiel. Fast. Denn eine kleine Parzelle hatte plötzlich Aufmerksamkeit erregt.

Auf dieser Parzelle standen wild überwucherte alte Rebstöcke, die keiner mehr auf dem Schirm hatte. 25 Jahre lang vergessen.

Heute trinke ich den Wein von diesen Stöcken. Für euch. Damit euch diese Rarität nicht entgeht. Denn dieser Wein ist ein ganz besonderer Saft. Der nicht wenig kostet: 65 Euro.

Ich finde das gut.

Wein zu solchen Preisen muss es geben. Denn sonst verlieren die Ehrgeizigen unter den Winzern ihre Lust, spektakuläre Weine zu erschaffen.

Es ist wie in der Architektur. Ohne irre Projekte gibt es keinen ästhetischen und technologischen Fortschritt. Ich sehe auch die Hamburger Elbphilharmonie unter diesem Aspekt als wichtiges und mutiges Bekenntnis, das uns Steuerzahlern weniger ärgern sollte, als die Anschaffung von Kriegsgerät.

Lest hier meinen Arikel über den jungen Quereinsteiger Daniel Twardowski, der an der Mosel einen umwerfenden (und teuren) Spätburgunder macht:

Guten Tag, ich bin der Neue mit dem 70 Euro-Wein

Aber der Reihe nach.

Zwei junge Winzersöhne kennen sich seit der gemeinsamen Ausbildung in der Agrarhochschule von Geisenheim.

Beide beschließen einen spektakulären aber brachliegenden Steilhang in einem Nebental der Mosel zu kaufen. Ewig lange hat sich keiner mehr dorthin gewagt. Denn die Bewirtschaftung ist gefährlich und obendrein sauteuer, weil das extreme Gefälle zur Handarbeit zwingt.

Während der Rodung und Rekultivierung entdecken sie eine kleine Parzelle mit rund 1.000 alten Rebstöcken. Die Herzen schlagen höher. Die Stöcke werden geprüft. Jubel, fast alle stehen noch im Saft! Das Abenteuer kann beginnen.

Das ist die Kurzversion jener Berichte, die 2013 und 2014 in der Weinwelt herumgereicht wurden. Tobias und Ivan sind inzwischen selber Chefs in ihrem jeweiligen Familienweingut.

Lest hier, wie mir ein Sauvignon Blanc aus dem Keller von Ivans Weingut Castelfeder geschmeckt hat.

Die volle Aromatik

Aber ich will wissen, was die beiden jungen Herren aus ihrem kühnen Projekt inzwischen gemacht haben.

Mit viel Vorschusslorbeeren starteten Tobias Treis (Sohn aus dem Weingut Julius Treis an der Mosel) und Ivan Giovanett (Sohn im Weingut Castelfeder an der Südtiroler Weinstraße) ihre italo-deutsches Joint-Venture namens Weingut Sorentberg.

Sorentberg, so heißt nämlich die vergessene und wiederbelebte Lage.

Was macht dieses Stück Land besonders?

Die Stöcke wurzeln in Rotem Schieferboden mit viel Muschelkalk. Hier war mal Meer. Südhang, extreme Steigung. Das Terroir ist einmalig.

So ein Boden existiert nur hier. Und das Seitental der Mosel, in dem der Sorentberg liegt, ist kühler und windiger als der Rest des Anbaugebietes. Ein Vorteil im Klimawandel.

Im Februar 2012 kauften Tobias und Giovanett die Flächen. Als der Papierkram erledigt war, ging die Knochenarbeit los. Der Hang wurde gerodet und gegen Wild eingezäunt, Wege angelegt und neue Reben gepflanzt.

Stolz präsentierten die beiden ihren Eltern den neuen Weinberg.

Giovanetts Vater Günther aber stutzte. Denn inmitten der neuen Herrlichkeit, im steilsten Stück, standen völlig verwildert noch ein paar Reben.

Die beiden jungen Männer hatten mit der Plackerei im neuen Weinberg so viel zu tun gehabt, dass sie sich darum bislang nicht kümmern konnten. Aber jetzt gab es keine Ausrede mehr.

In den folgenden Wochen legten sie Stück für Stück knapp 1.000 rund 70 Jahre alte wurzelechte Reben frei.

Ein Vierteljahrhundert hatte sich niemand um sie geschert. Die Pflanzen sahen schrecklich aus. Treis und Giovanett schnitten sie zurück und siehe da – fast alle trieben neu aus.

Den Wein bauten sie teilweise in großen, alten Fudern von Treis Urgroßvater Julius aus, teilweise in neuen, ungetoasteten Fässern aus Pfälzer Eiche. Den ersten Jahrgang (2013) legten sie sich selber in den Keller. Es waren gerade mal 300 Flaschen.

Ich schenke mir ein Glas ein und rieche hinein. Und rieche. Und rieche.

Das ist keine alltägliche Rieslingnase!

Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, während ich mich an Aromen von Karamell, Honig, kandierten Früchten und vollreifen Pfirsichen erfreue. Eine Spur von Uhu-Kleber ist auch da, die stört aber keineswegs.

Auch der erste Schluck ist ein Erlebnis. Knackige Säure schafft großartige Spannung und packt aufs Schönste die rund 15 Gramm Restzucker ein. Ich schmecke eine wunderschöne Würze und Salzigkeit, dazu vollreife gelbe Früchte, etwas Honig und Karamell.

Der Abgang dauert und dauert und dauert.

Wie muss dieser Wein erst schmecken, wenn er 5 Jahre auf dem Buckel hat?

Das ist eine echte Rarität zum Trinken. Und der Beleg, dass so ein besonderer Wein ruhig mal das 4-fache eines üblich-guten Rieslings kosten darf.

Eine erfahrene Managerin aus der Weinwirtschaft empfahl den Abenteurern sogar, diesen Tropfen für nicht unter 100 Euro loszuschlagen. Das haben sich die beiden dann doch nicht getraut.

-§-

Wem die 65 Euro zu viel sind, dem empfehle ich, zum Riesling aus den neu gepflanzten Reben am Sorentberg zu greifen. Der ist bedeutend günstiger aber auch eine richtig feine Sache.

Lest hier meinen Verkostungsbericht:

In der Nase ähnelt er seinem großen Bruder, Lage und Handschrift der Winzer ist unverkennbar. Dabei bleibt der Wein aber deutlich einfacher. Und bietet ein sensationelles Preis-Leistungs-Verhältnis.

 

Datum: 23.11.2017 (Update 4.12.2017)
 

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