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Lost in Toskana

Aus CH in den Chianti - Winzer Walter Fromm.
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Der Kies knirscht unter den Sohlen, die wenigen Blätter, die noch an den Kastanienbäumen hängen, rascheln in der lauen Brise. Der schwarze Hund mit seinem dicken Fell, der weißen Blesse auf dem Schnauzenrücken und den braunen Augenbrauen-Flecken wedelt kaum merklich, währen seine Nase den Waldboden nach aufregenden Gerüchen absucht. Wenige Menschen begegnen einem hier im Oktober, obwohl die Toskana eine der beliebtesten Urlaubsregionen Italiens ist.

Die meisten hier sind keine Touristen, sondern Einheimische. Pilzsammler. Förster. Einsame Spaziergänger. Und der Hund wird zum Kuppler. Berner Sennenhunden begegnet man hier selten. „Che bellino! Come si chiama?“ Den Namen „Großepatz“ können sie nur mit Mühe aussprechen, dafür geht die Konversation flüssig weiter. „Woher kommen Sie?“ Aus der Schweiz. Der Hund auch, ja. Er wohnt hier, ich bin nur zu Besuch. Und das Hundesitten wird in dieser Gegend zum Privileg.

Der Herbst in den Hügeln des Chianti ist noch ein bisschen schöner als sonstwo. Seine Farben sind kräftig, die Natur hat sich noch nicht ganz in den winterlichen Ruhestand begeben. Finster Entschlossene wagen sich an der Küste der Toskana auch im Oktober noch ins Meer aber im Chianti lebt man mehr im Rhythmus der Natur.

Der Herbst riecht hier nach sandigem Erdboden, Baumnüssen und Rauchwürsten. Die Luft ist noch warm, einzig die Abende unter freiem Himmel werden schon merklich kühler. Ganz im Gegensatz zu den drückend heißen Sommernächten, durch die sich abertausende von Urlaubern während dem Ferragosto schwitzen. Wenn man auf diesen Streifzügen durch die Kastanienhaine eine Lichtung erreicht, hängt meistens der süße Duft frischer Weinmaische über den akkuraten Rebzeilen.

Eine kurze Autofahrt entfernt liegt das Städchen Montalcino. Wer die lange Treppe zur Spitze des Turms vom Regierungspalast auf sich nimmt, wird belohnt: Der Ausblick reicht bis ans Ende der Welt.

Man pflegt hier auch eine alte Tradition des Ledergerbens. In den kleinen Botteghe hängen Hunderte Gürtel mit glänzenden Schnallen. Taschen in allen Farben, Größen und Formen. Die rahmengenähten Schuhe sind so formschön, dass es als Sakrileg erscheint, sie auch tatsächlich an den Füßen zu tragen. Und über allem liegt dieser süß-herbe Duft von Leder. In seiner intensivsten Ausprägung in den traditionellen Geschäften für Reitzubehör, wo Duft und Anblick unbenutzter Sättel selbst Pferdephobiker dazu verlocken, sich einen zu kaufen.

Doch der Herbst im Chianti ist nicht nur romantisch. Heere von Helfern holen in mühsamer Arbeit die Trauben von den Rebstöcken. Oder furchterregende Erntemaschinen kämpfen sich durch die Pflanzungen.

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Davon merken der Hund und ich in unserem alten Bauernhaus inmitten der Herbstwälder nicht viel. Zu schnell lässt man sich vom Blick über die dunkelgrünen Hügel überwältigen. Hinüber zum Castello di Brolio. Weiter über die Weinberge, bis zu den leuchtenden Wolken, welche die Städte Florenz und Siena an den Nachthimmel projizieren. Nun riecht der Chianti nach Kaminfeuer. Zum Zischen der im Feuer röstenden Kastanien gesellt sich das Zirpen der Zikaden und Grillen. Der Berner Sennenhund schläft und atmet die kühle Luft tief ein.

Unsere Pilzsuche war erfolgreich. Die sanft in der Panade gebratenen Parasole zergehen wie Butter auf der Zunge. Das Apfel-Steinpilz-Carpaccio hat seine sanfte Schärfe vom kaltgepressten Öl, das vom hauseigenen Olivenhain stammt. Und im Ofen wartet ein Zwetschgenkuchen, dessen angenehm-säuerlicher Duft sich mit dem eines frisch gebrühten Mokkas vermischt.

Der Winter steht vor der Tür, aber er lässt sich viel Zeit.

Über die Autorin: Nadja Toya Camesi wuchs in Luzern auf und lebt heute in Berlin, wo sie Kozertkritiken schreibt.

 

Datum: 15.6.2018
 

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