X
Newsletter
X
X
Login
Passwort vergessen?


Konto erstellen

Roger Coulon: Schafe kacken in meinen Bio-Champagner

Champagner-Schafe im Weinberg.
Kommentare
Ähnliche Weine
Ähnliche Artikel
Der Captain trinkt aufregend guten Öko-Champagner, der nicht viel kostet. An der Herstellung waren auch ein paar Wollschafe beteiligt.
Anzeige

Du siehst ganz oben die Hauptdarsteller dieses Artikels: Schafe im Weinberg der Familie Coulon. Was machen die da?

Der Captain zitiert aus einem Text der Forstschule Rottenburg, wo derzeit ein Forschungsprojekt zu diesem Thema läuft:

„Kaum 70 Jahre ist es her, dass Weidetiere in Weinbergen relativ häufig und keine Ausnahme waren. In der Weidetierhaltung war das Futter knapp und Rebflächen boten eine Nahrungsgrundlage – speziell im Winter. Gleichzeitig war Kunstdünger teuer oder überhaupt nicht verfügbar. Der Weinbau war also auf die Ausscheidungen der Tiere angewiesen. Je nach lokalen Gegebenheiten (z. B. Stockdichte, Erziehungsform) wurden unterschiedliche Beweidungsformen in Weinbergen praktiziert. Nicht nur Schafe, sondern auch Gänse, Enten, Hühner und sogar Kühe und Schweine waren – zumindest temporär – Gäste des Weinbaus. Heute sorgen Schafe im Weinberg für viel Erstaunen und bei manchem Winzer auch für Kopfschütteln. Gleichzeitig suchen viele Schäfer in Europa nach Futterflächen und würden deshalb vor allem im Winter gerne auch Rebflächen bestoßen. Wiederkäuer sind ein natürlicher Bestandteil unserer Ökosysteme und ermöglichen bzw. stärken ökologische Prozesse, die von Mensch oder Maschine nur schwer substituiert werden können – so z. B. ein weidetypisch vitales Bodenleben. Schafe sind also potentiell ein ökologisch zielführender Baustein der ganzheitlichen Bewirtschaftung von Weinbergen.“ ENDE DER EXKURSION. Hier geht’s zur Quelle.

In kurzen Worten: Schafe im Weinberg machen Sinn. Das wissen auch die Lieferanten meines heutigen Abendweins Champagne Heri-Hodie Premier Cru Extra Brut von Roger Coulon.

Die Familie Coulon produziert etwa 10 Kilometer westlich von Reims Champagner, und zwar seit über 100 Jahren. Das ist viel Zeit, spielt aber keine Rolle. Solche Zahlen sind pures Marketing und geben keinen Hinweis auf Qualität im Wein, denn wer Wein macht, muss jedes Jahr aufs Neue beweisen, dass er sein Handwerk versteht. Soviel zum Traditionsgeprotze in der Weinwelt, das den Captain manchmal ein bisschen nervt.

Die Eheleute Eric und Isabelle Coulon besitzen 10 Hektar Rebland in den 1er-Cru-Dörfern Vrigny, Coulommes und Pargny. Die wichtigsten Eckdaten: keine Herbizide, natürliche Hefen und wenig Schwefel. In den Weinbergen der Coulons wächst sogar wilder Spargel zwischen den Rebzeilen. Der Rest ist Geschmack und der ist im Hause Coulon ziemlich grandios.

Der Captain liebt solche unbekannten Champagnerwinzer, die was können, weil sie jedes Mal ein Statement gegen die investorengetriebenen Megahäuser sind, die zur Firmengruppe irgendeines Milliardärs gehören. Nichts gegen Milliardäre solange sie keine Waffen verticken. Aber bis der Captain nicht selbst einer ist, schlägt sein Herz eher für kleine und mittelgroße Betriebe.

Lies dir meinen Trinkbericht über den leistbaren und dabei erdig-apfelig-strahlend wirkenden Champagner Heri-Hodie Premier Cru Extra Brut von Roger Coulon durch und überlege schnell, ob du dir diesen Bio-Champagner aus spontanvergorenen Grundweinen der Sorten 90% Meunier, 10% Pinot Noir und Chardonnay besorgen willst. Besonderheit: Dieser Schäumer wurde im Solera-Verfahren (wie bei Sherry) zusammengesetzt – mit Weinen, die seit der Lese 1995 eingebracht wurden.

Trinkbericht: Im Glas bernsteinfarben mit orangen Reflexen. In der Nase ein dampfender Hefekloss, viel Birne, Anis. Sehr sinnlicher und ungewöhnlicher Eindruck. Im Mund lebendiges und feines Perlenspiel, dann geriebener gelber Apfel, Kräuterwürze, Kümmel, Earl-Grey-Tee und viel rassige Säure, die an Apple-Cider erinnert, aber deutlich nobler wirkt, und als lebendiger Kontrapunkt die ganze heimelige Erdigkeit aufmischt und diesem Trank zu strahlendem Glanz verhilft. Für Zahlenfreaks: 3 Gramm Dosagezucker.

Die Solera ist ein Lagerungs- und Verschnittsystem, das auch bei der Herstellung von Madeira, Malaga, Bränden und hochwertigem Essig zur Anwendung kommt. Das Prinzip ist die fortlaufende Reifung. Jedes Jahr entnimmt der Kellermeister einen Anteil Wein aus der Solera für die zweite Flaschengärung und füllt jungen Wein aus der neuen Ernte nach. Auf diese Weise verbleibt immer ein Anteil, der schon seit Jahrzehnten reift. Als Vorteil des Solera-Verfahrens gilt die über die unterschiedlichen Jahrgänge hinweg gleichbleibende Qualität des Endprodukts. Nur ganz wenige Häuser der Champagne nutzen ebenfalls die Solera.

Heri-Hodie heißt übrigens „gestern und heute“. Und was heißt Extra Brut (oder Extra Herb)? Antwort: der Schaumwein enthält 6 oder weniger Gramm Dosage-Zucker pro Liter. Hier ist die Süße meist noch gar nicht bemerkbar. Der Schaumwein schmeckt trocken, wirkt aber in der Regel etwas weicher und zugänglicher als ein Zero-Brut-Sekt.Was Brut und all die anderen verwirrenden Begriffe auf Schaumweinflaschen bedeuten, erzähle ich dir hier:

Sekt: Was ist der Unterschied zw. trocken und brut?

 

Datum: 20.12.2020 (Update 6.1.2021)
 

Ähnliche Weine

 

Ähnliche Artikel