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Provo: Widerspruch zu Parker

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Der Captain attackierte Robert Parker in einem Film. Doch einige Winzer und Weinhändler teilen die Kritik an Parker und seinen Wertungen nicht. Hier der Leserbrief eines Weinhändlers.

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Der Captain steht gegen eine weltweit gleiche Weinstilistik und gegen Monopole in der Weinkritik. Für beide Missstände macht er vor allem den einflussreichen Weinkritiker Robert Parker jr. verantwortlich. Doch diese Einschätzung blieb nicht unwidersprochen, zahlreiche deutsche und österreichische Winzer (zugegeben jene, die von Parker gute Wertungen erhalten haben) gingen mit dem Captain in persönlichen Gesprächen hart ins Gericht.

Stellvertretend für alle, die sich über den Captain geärgert haben, veröffentlicht der Captain heute den langen Leserbrief eines Weinhändlers aus Wien. Manches mag hier zu sehr ins Detail gehen oder nur Insider interessieren, doch der Captain freut sich über die intensive Auseinandersetzung, die sein Beitrag mit sich brachte.

Lieber Captain!

Ich muss nun wohl zur Verteidigung von Mr. Robert M. Parker Jr. antreten.

Robert M. Parker jr. ist wohl einer der konstantesten, in sich stimmigsten und leichtest nachzuvollziehendsten Verkoster. Dass er vornehmlich kräftige, üppige und konzentrierte Weine bevorzugt ist wohl hinlänglich bekannt (interessanterweise schätzt er aber auch Ultratraditionalisten wie Henri Bonneau, Giacomo Conterno, Bruno Giacosa, Gianfranco Soldera, Paul Drapper (Ridge), Philip Togni und andere). Deswegen bewertet er nicht nur in den Gebieten, für die er im Wine Advocate selbst zuständig ist (Bordeaux, Rhône, Kalifornien) solche Weine sehr gut, sondern – ersichtlich auf www.eropertparker.com in der Rubrik Hedonist’s Gazette – auch Weine anderer Gebiete.

Beispielsweise gilt RMP als Unterstützer des Jahrgangs 2000 im Piemont. Seine zuständigen Verkoster im Wine Advocate – Daniel Thomases und jetzt Antonio Galloni – bewerten diesen Jahrgang jedoch eher kritisch, weil er ihnen zu üppig erscheint.

Der große Vorteil bei RMP liegt darin, dass er vorher sagt, was ihm schmeckt (ersichtlich auf jeder Ausgabe des Wine Advocate bzw. in jedem von ihm veröffentlichten Buch). Und dass er alle Weine, die er verkostet, auch so bewertet.

Diesen Stil mag man. Oder man mag ihn eben nicht. Man weiß aber, warum RMP einen Wein so bewertet, wie er ihn bewertet. Bei zahlreichen nationalen wie internationalen Verkostern und Magazinen ist das – meiner Meinung nach – nicht der Fall. Meiner Einschätzung nach erkenne ich im Falstaff-Magazin – bei René Gabriel oder anderen Bewertern – nicht, worauf sie bei Weinen hinsichtlich der Qualität wertlegen. Und nach welchen Kriterien die Benotung zustande kommt.

Ja, es gibt einen Robert M. Parker jr.-Stil, aber er bewertet im Wine Advocate nicht alle Gebiete dieser Welt. Dieser Stil gilt daher NICHT für alle Weinbauregionen der Welt! Zwar bewerte Jay Miller (Spanien, Australien, Südamerika) ähnlich wie RMP, David Schildknecht (Österreich, Deutschland, Burgund, Südfrankreich, Loire, Elsass) und Antonio Galloni (Italien, Champagner) bewerten jedoch den sogenannten „eleganten“ Stil wesentlich besser, als den oft titulierten „dicken, fetten Parker-Stil“. Und beide taten dies auch schon, als sie bei Stephan Tanzer’s International Wine Cellar bzw. im Piemont Report schrieben.

Auf Österreich bezogen müssten laut Captain die Weine von Roland Velich/Moric und Uwe Schiefer (die von Schildknecht sehr hoch bewertet werden) bei RMP untergehen. Und so manch anderer in Österreich erfolgreiche (Rot)Wein in den Himmel gelobt werden.

Aufgrund dieses Beispiels kann ich nicht nachvollziehen, dass RMP eien „Weltweinstil“ durchsetzen möchte. Gerade David Schildknecht und Antonio Galloni setzten stark auf eigenständige Weinstile.

Weiters gibt es bei Parker ja auch noch mit Neal Martin (ein Engländer!) den sogenannten „Editor at large“, der oft sehr konträre Meinungen einbringt und diese in seinem Wine Journal auf Parkers Homepage zum Besten gibt. Er schreibt übrigens Artikel zu allen möglichen Gebieten.

Die Behauptung, dass sich der Handel nur nach den Parker Wertungen richtet stimmt auch nur bedingt (am ehesten gilt dies für die Weine aus dem Bordeaux).

Die Bewertungen österreischische Weine im Wine Advocate haben beispielsweise überhaupt keine Bedeutung für den österreichischen Markt. Für den Verkauf ins Ausland sind sie jedoch nicht von Nachteil und tatsächlich sehr wichtig. Allerdings bringen hier auch gute Bewertungen bei anderen internationalen Magazinen Vorteile (z.B. Wine Spectator).

Roederer Cristal ist aus historischen Gründen ein beliebter Champagner in Osteuropa (Champagner der Zaren) und nicht auf Grund seiner Parker Bewertungen – abgesehen davon, dass Parker bzw. The Wine Advocate bei Champagner wenig Bedeutung hat.

Lafite Rothschild gilt der Tradition nach für Asiaten als bester Premier Cru im Bordeaux und hat deswegen (und nicht wegen der Bewertungen von RMP) in diesem Raum eine (absurd) hohe Nachfrage. Interessanterweise sind dort auch Weine dieses Gutes mit „schwachen“ Bewertungen gefragt.

Australien hat im Wine Advocate eigentlich extrem gute Bewertungen. Trotzdem verkaufen sich die Weine nur sehr schleppend (selbst die sehr traditionell produzierten Weine von Henschke verkaufen sich trotzt bester – meiner Meinung nach gerechter Bewertungen – nur sehr schwach).

Über den Stil bei australischen Weinen kann man sicherlich auch trefflich streiten, für mich persönlich gibt es tatsächlich viele sehr gute Preis-Leistungsweine, die vielleicht etwas zu hoch bewertet sind. Die wirklich großen Weine wie Henschke Hill of Grace, Three Rivers Shiraz, Greenok Creek Shiraz Ronnfelt Road oder Run Rig von Torbreck sind meiner Erfahrung nach auch wirklich große Weine (und haben weniger technische Hilfe gesehen, als so mancher österreichischer oder französischer Rotwein…). Bezüglich Penfolds Grange kann ich RMP nur voll Recht geben, einige Jahrgänge sind ausgezeichnet, einige sind deutlich zu schwach für diese Preiskategorie.

Ja, in Kalifornien hat RMP einen gewissen Stil geprägt und Winzer versuchen Weine nach diesem Stil zu produzieren. Ich möchte jedoch anmerken, dass die sogenannten „Cult Cabs“ wie Screaming Eagle, Harlan Estate, Colgin, Brayant Family oder Dalla Valle tatsächlich große Weine sind und bei diversen Blindverkostungen mit den besten Weinen aus Bordeaux mithalten können.

Die Grand Jury d’European hat bei einer ihrer Vergleichsverkostungen bewiesen, dass die meisten europäischen Verkoster kalifornischen Weine nicht erkannt und oft für Weine aus Bordeaux gehalten haben.? Die hohen Preise für kalifornische Weine werden auch von RMP oft kritisiert, man möge hier aber nur in Österreich selbst schauen, was für so machen Wein verlangt wird bzw. bei ebay bezahlt wird.

Ja, RMP hat auch den Stil in Bordeaux verändert. Sein Ruhm beruht ja darauf, dass er die Größe des Jahrgangs 1982 im Gegensatz zu den damals vorherrschenden britischen Verkostern erkannte. Fakt ist, dass Weine wie Mouton Rothschild, Latour, Pichon Comtesse Lalande oder Margaux dieses Jahrgangs große Weine sind. Auch heute noch (was die Engländer auch heute noch nicht glauben…).

Im Verlauf der Jahre ist Bordeaux im allgemeinen sauberer und genauer in der Produktion geworden, dadurch bedingt hat sich der Geschmack der Weine auch verändert. Michel Rolland, der Gottseibeiuns der Parker Gegner, ist dafür, als Verfechter höchster Hygiene und der Ernte ausschlieslich perfekt reifer Trauben, sicher mitverantwortlich. Dass Rolland für einen gewissen Stil steht ist unbestreitbar, RMP bewertet jedoch auch Weingüter sehr gut, die Rolland nicht betreut, wie z.B. Montrose oder Leoville las Cases.

Am Rande sei auch angemerkt, dass RMP die Genialität des 82er Bon Pasteur (das Weingut von Michel Rolland) lange nicht erkannt hat und den Fehler erst viele Jahre später bei einer großen Nachverkostung des Jahrgangs revidierte. Wirkliche Topbewertungen erhalten meist Weingüter mit anerkannt gutem Terroir, die diesen Vorteil auch ausdrücken können.

Viele sogenannte „Garagen-Weingüter“ wie Valandraud, Gracia, Hermitage oder Marojallia (die gute Weine trotz fehlendem Terroirs machen) erhalten gute Bewertungen, wurden meines Wissens aber nach noch nie als „großer Wein“ bezeichnet oder bewertet. Fairerweise muss man auch sagen, dass diese „Garagen Weingüter“ in schwächeren Jahrgängen, wie zB 1997 oder 1999, sehr oft weit bessere Weine produziert haben, als viele Weingüter mit angeblich gutem Terroir.

Bezüglich des Jahrgangs 2008 in Bordeaux kann ich die Skepsis des Captains teilen, leider konnte ich die Weine jedoch nicht verkosten. Man muss Parker jedoch zu Gute halten, dass er ausführlich begründet, warum seine Bewertungen so gut ausgefallen sind. Ob das wirklich stimmt, werden die abgefüllten Weine zeigen. Übrigens war Parker nicht der einzige, der sehr positiv über diesen Jahrgang geschrieben hat. Auch Ian d’Agata hat den Jahrgang für Stephan Tanzer eher wohlwollend bewertet.

Für Burgund hatte Parker meines Wissens nach noch nie große Bedeutung. Er schätzt zwar diverse Jahrgänge der Domaine de la Romanee Conti, im speziellen den La Tâche 1990. Doch da ist er aber ziemlich einer Meinung mit anderen bekannten Kritikern.
Es ist richtig, dass Pierre Antoine Rovani (sein ehemaliger Mitarbeiter und Bewerter dieser Region) in der Burgund nicht sehr beliebt war/ist, speziell wegen seine falschen Einschätzung der weißen Burgunder des Jahrgangs 1996. Für echte Burgunder-Liebhaber sind Stephan Tanzer bzw. Allen Meadows (Burghound) die weitaus wichtigsten Bewerter.

Für Ribera del Duero wäre festzuhalten, dass Parker im speziellen Pingus als neuen Kultwein etabliert hat. Die erwähnten günstigen Weine kamen und kommen nicht nur aus dem Ribera del Duero, sondern auch aus vielen anderen spanischen Anbaugebieten. Sie haben tatsächlich sehr gute Bewertungen erhalten. Wirklich verkaufsfördernd war dies aber nicht in Russland und Asien, sondern vielmehr in Amerika, England (wo sehr viel Wein günstig über die Supermärkte verkauft wird) und teilweise auch in Deutschland.

Im Moment verkaufen sich spanische Rotweine überhaupt eher schleppend, obwohl Jay Miller (Parkers Spanien-Bewerter) einigen Weinen das erste Mal 100 Punkte gegeben hat (bei RMP gab es keinen einzigen 100 Punkte Wein in Spanien!). Spanien hat derzeit auch das Problem, dass es viel zu viele 93-96 Punkte Weine im Preissegment 35,00 – 60,00 Euro gibt, die keiner kauft. Oder neue Kultweine für 100,00 Euro und mehr, die keine Tradition/Geschichte haben und ebenso bleiern in den Regalen der Händler liegen.

Letztendlich glaube ich nicht, dass RMP den weltweiten Weingeschmack bestimmt und dominiert. Viele Produzenten glauben vielleicht, dass sie eine Parker Stil machen müssen, nur um gut bewertet zu werden. Da liegen sie aber oft falsch. Gerade wenn man sich die Bewertungen von Antonio Galloni in Italien, David Schildknecht im Languedoc oder speziell in Österreich ansieht, merkt man, dass beim Wine Advocate viele verschiedene Stile ihre Berechtigung bekommen und dass speziell individuelle, autochtone, unverwechselbare Weine hohe Bewertungen erhalten (zB Mencia Traube.

Ich gebe zu, dass früher, speziell als Pierre Rovani viele Gebiete der Welt bewertet hat, einige nicht ganz nachvollziehbare Bewertungen aufgetaucht sind. Derzeit bin ich jedoch der Meinung, dass Parker so gut ist, wie damals, als er mit seinen Kritiken begonnen hat.

Ich möchte auch anmerken, dass Händler, die nur mit Parker Punkten Weine verkaufen, für mich keine wirklich guten Weinhändler sind, denn ich denke, es ist immer noch die Aufgabe eines guten Weinhändlers für seine Kunden spannende und interessante Weine in den verschiedensten Preisklassen zu finden. Wenn diese Weine dann auch gute Bewertungen haben, ist das nett und hilfreich. Aber die gute Bewertung ist nicht zwingend notwendig.

Beste Grüße,
Hans Martin Gesellmann

 

Datum: 24.1.2010 (Update 18.3.2011)
 

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