Neulich an der Côte d’Azur. Der Captain mit seiner Ehefrau und ein befreundetes Paar. Alles Hedonisten. Und obendrein klatschverliebt. Der Captain war ja mal Promi-Reporter, es ist schon sehr lange her. Das macht ihn aber immer noch interessant bei den Damen. Interessanter als das Weinding. Das interessiert die Leute weniger.
Mindestens einmal im Jahr, meistens noch im Frühling, bevor der große Run beginnt, begibt sich der Captain an die Côte. Entweder mutterseelenallein oder in Gesellschaft. Das ist wichtig nach den trüben Wintermonaten in Deutschland, die depressiv machen
Landung in Nizza und mit dem Helikopter-Taxi gleich hinein ins Gewühl. Der Captain beginnt immer in Monte Carlo. Macht einen Abstecher ins Casino, diese aus der Zeig gefallene Plüschbude, um die Gestalten dort zu betrachten und ein Spielchen zur riskieren. Das er natürlich verliert. Aber ist nicht genau das der Sinn der Übung?
Am besten eignet sich dafür das Pokerspiel, denn davon hat der Captain die geringste Ahnung. Beim Roulette spielt wenigstens der Zufall mit. Aber wer keine Ahnung hat, steht beim Pokern ohne Chance da und benötigt die richtige Taktik. Egal, welche Karten einem das Schicksal in die Hände spielt. Und der Captain hat keine Ahnung. Er ist richtig dämlich, wenn es darum geht, eine Gespür für die richtige Taktik zu entwickeln. Das ist so, als wenn man ihm sagte, er soll bitte einen Wein „richtig“ verkosten. Was heißt „richtig“ verkosten? Lassen wir das besser, ist ein heikles Thema. Kurz: Die Côte ist keine Hirndestination. Eher was für den Bauch. Und andere Körpeteile in der Nähe. Wozu das Geplänkel?
Nun, damit man die Weine versteht, die ich wählte, um sie im Kreise der mitgereisten Gefährten zu probieren. Es wurden natürlich keine Nachdenkweine, über die man stundenlang reden kann. Terroir, Typizität, Tonneaux? Pfeif drauf. Nein, zwei Tropfen, mit denen man sich gepflegt und sonnenbebrillt einen hinter die Binde gießen kann. Und dennoch alles andere als bonbonfarbener Plastikkitsch.
Zum einen steht da der gute alte Rosé Miraval vom Weingut der zwei Traurigen: Angelina und Brad. Die beiden heirateten vor gefühlten 125 Jahren auf Miraval und gründeten mit dem talentierten Marc Perrin ein Bioweingut, das zu Weltruhm kam. Dann die Katastrophe. Erst hieß es, das Anwesen soll trennungsbedingt verkauft werden. Etwas später kam die Entwarnung. Seitdem hört man nichts mehr, was vielleicht auch schon eine gute Nachricht ist. Lest hier meinen Artikel:
Taschentücher bitte wieder einstecken. Denn jetzt kommt der Gegenwein. Noch ein populärer Rosé. Der seit einiger Zeit mit viel Tamtam in den Markt gedrückt wird. Es handelt sich um den hübsch etikettierten Aix Rosé aus der Domaine de La Grande Séouve der beiden Herren Eric Kurver und Saké Weima, die den Berieb in Jouques, etwa 20 Kilometer nordöstlich von Aix-en-Provence gelegen, im Jahr 2009 übernahmen.
Die Besprechungen des Aix in diversen Frisurenfachzeitschriften überschlagen sich vor Begeisterung. Sogar renommierte Händler mit handverlesenem Sortiment, die so ein modisches Zeug sonst nur mit den spitzen Fingern anfassen, schwelgen in erbarmungswürdiger PR-Prosa, dass mir ganz schummrig wird. So etwas finde ich grundsätzlich verdächtig. Der Tropfen wird es also nicht leicht haben bei mir.
Gottseidank sind meine Verkostungspartner anders drauf als ich. Fröhlich, unbekümmert und immer für einen guten Tipp dankbar. Egal aus welcher Quelle. So sind sie halt, die konsumfreudigen Mittvierziger. Die wollen einfach nur was Nettes trinken, während ihnen die Sonne auf die Birne strahlt. Nun denn. Wir machen beide Flaschen auf und gießen ein. Der Aix leuchtet im trüben Pfirsichton. Der Miraval schimmert wie apricotfarbenes Make-up. In der Nase ist hüben wie drüben wenig los. Der Aix verströmt diskrete Pfirsichnoten, der Miraval bleibt olfaktorisch stumm. Dann trinken wir. Der Aix moussiert etwas und ist wunderbar frisch. Ich schmecke reife Erdbeere, Zitrusfrüchte, ein spritziges Kerlchen. Im Abgang kräutrig mit Rosmarin und Lavendel – wie viele Provence-Rosés.
Schnitt, ich will eine Erklärung abgeben: Gute Roséweine von hier kombinieren wunderbar mit der regionalen Küche. Zu Fisch und Krustentieren schmecken sie einfach herrlich. Besonders köstlich sind Oursins, also Seeigel, die man an in Küstennähe an jeder besseren Ecke erhält. Sie sind so frisch und geschmacksintensiv, dass Rosé am besten passt. Ein Weißwein hält nur schwer dagegen. Doch Achtung: Rosé ist nicht gleich Rosé. Rosé soll mittelrosa sein, lachsfarben und auf gar keinen Fall zu dunkel. Und er soll auch nicht aus dem sogenannten Saftabzug gekeltert sein, das ist die billige Methode. Guter Rosé darf kein Nebenprodukt der Rotweinerzeugung sein.
Erkläuterung gefällig? Minderwertiger Rosé entsteht, wenn Most dem für Rotwein vorgesehenem Wein entzogen wird. Das macht man, wenn man dem Rotwein mehr Extrakt geben will. Man entzieht ihm (auf der Maische liegend) also einfach ein paar Hundert Liter seines Saftes. Und bekommt auf diese Weine mehr Kraft in den Roten. Dem Winzer bleibt ein verwertbares Nebenprodukt: Ein meist flacher und schaler Roséwein.
Tatsächlich entstehen ein Großteil der gängigen Roséweine in diesem Verfahren. Man darf sich also nicht wundern, wenn guter Rosé zumindest eine Nuance mehr kostet, als das Endprodukt des Entzugsverfahrens. Dieser ist in Südfrankreich meist sehr dunkel und von Tanninen bewohnt. Nicht wirklich schmackhaft. Guter Rosé muss also immer aus dafür vorgesehenen Trauben gekeltert sein und für sich alleine stehen.
Zurück zu unserem Rosématch: Der Miraval liefert uns Cassis auf die Zunge und schöne Mineralik, am Gaumen Kalk und im Abgang eine leichte Wodkanote, wie einer der Verkoster treffend anmerkt.
Der Aix ist deutlich saftiger als der Miraval, der dafür vornehmer wirkt. Von beiden ist der Aix ganz klar der Fresswein. Ideal als Begleiter von Fleischgerichten, weil die Säure und seine erfrischende Art jede Menge Fett wegstecken und sogar mit Zucker klarkommen. Der Miraval hingegen ist ein Solitär, den man getrost alleine trinken kann. Er steht und steht und wird bei zunehmender Erwärmung sogar noch körperreicher und präsenter. In der warmen Sonne baut der Aix ziemlich schnell ab.
Das Fazit aller Verkoster, die an beiden Weinen genuckelt haben? Den spritzig-kräutrigen Aix zum Essen, den vornehmen Miraval zum Romantisieren im Sonnenuntergang. Da macht es nichts, wenn der beim Knutschen etwas länger rumsteht.