Ihr fragt euch, warum man einen Wein kaufen soll, der diesen Preis hat? Eine Flasche wohlgemerkt. Nicht eine Kiste. Genau so einen Wein will ich empfehlen. Und auch den Preis verteidigen, obwohl er kaum zu verteidigen ist. Denn ein Wein dieser Preisklasse kostet in der Herstellung selbst bei Einrechnung aller Kostenfaktoren maximal 40 Euro. Landkauf und Pflege inklusive.
Warum also ein Weingut propagieren, das mit überbezahltem Luxus Geschäfte macht? Hier ist es noch dazu kein sympathischer Winzer, sondern ein international agierender Weinkonzern, der mit einer Flasche das Zehnfache der Herstellungskosten verdienen will. Kann ein Wein so viel wert sein?
Ja, er kann.
Die Rede ist von Penfolds Grange. Der Grange ist ein reinsortiger Syrah aus Australien, dem zur Vollendung Jahr für Jahr ein klitzekleiner Anteil Cabernet Sauvignon hinzugegossen wird. Ein klassisch produzierter Spitzenwein, der den Weinbau eines ganzen Kontinents repräsentieren soll. Der Grange sagt: Wir hier, weit weg von euch in Europa und der Wiege des Weinbaus, wir können auch große Weine. Und richtig: Der Grange ist ein großer Wein. Entgegen vieler Vorurteile.
Denn Vorurteile kann man viele aufzählen.
Ach was, wer braucht noch mehr Argumente? Denn keines sticht, wenn der Wein wirklich ausgezeichnet ist. So gut, dass jedes gut gefüllte Glas die 100 Euro wert ist, die es kostet. Um das zu akzeptieren, muss man einen Schritt zurücktreten und die Essenz destillieren. Was bringt der Grange?
So ein teurer Wein muss beim ersten Schluck überzeugen. Er muss seine Existenz rechtfertigen. Geben wir ihm diese Chance.
Im Glas findet sich (wie erwartet) tiefdunkler Saft. In der Nase dann – ganz unerwartet – kaum ein Hauch von Holz. Dafür aber reife Kirsche, viel Mokka, geröstete Nüsse, etwas Rose, Majoran und Salbei. Nur wenig Bitterschokolade, keine Sekunde Beerenmarmelade, keine erdigen Töne, auch keine Idee von Terroir. Ganz am Schluss noch etwas Vanille. Da ist es also, das Holz. Absolut fehlerfrei. Im Mund beglückend perfekt. Auch hier eine Balance, die man großes Weinmachen nennen muss. In den Nuancen überzeugend geradlinig, nichts überbordet, alles nimmt sich Platz, ohne anderen Geschmackseindrücken Platz zu rauben. Wieder Kirsche, dann auch Feigen und orientalische Dattel. Die Tannine sind unglaublich weich und sanft zur Zunge. Am Schluss schmeckt man einen Hauch süßer, gerösteter Kastanien. Und das Beste: Der wuchtige Grange bleibt elegant. Er beherrscht den Gaumen, ohne ihn zu dominieren. Und trotzdem spürt man die Kraft, die diesen Wein noch Jahre Zeit im Keller gibt. Obwohl man ihn schon jetzt gut trinken kann.
Freilich: Es handelt sich um Wein, den kein Mensch braucht. So wie übrigens alle Weine dieser Welt. Wein ist ein Spaßprodukt. Aber wer sich einmal den Luxus eines fantastisch gemachten Weins gönnen will, der wird mit diesem Grange das finden, was er in einem Pétrus nicht findet: Die von allen Einflüssen befreite Perfektion. Und dafür kann man einmal über die Stränge schlagen.
Keinen Wein der Welt m u s s man trinken. Da hat der Captain recht. Es sei denn man ist Alkoholiker. Oder ist ein Professor Unrat, der in irgendeinen blauen Wein-Engel rettungslos verliebt ist.
Die Frage muss deshalb eine andere sein: Ist ein Wein von der Art, dass er im Gaumen ein Fest veranstaltet?!? (Wer ein Fest veranstaltet, rechnet ja auch nicht im Rahmen von Notgroschen…)
Ich meine indessen, dass die offensichtliche Makellosigkeit eines Weines dafür nicht ausreicht. Genauso wenig wie die Anwesenheit der hübschesten Frau möglicherweise nicht davor bewahrt, dass man ein entsetzlich langweiligen Abend verbringt…
Die Frage also muss sein: Schafft es ein Wein jenseits von – scheinbarer – Perfektion zu berühren? Einen in jene Welt zu versetzen, die man Faszination nennt?
Aus allem, was der Captain vom Grange schreibt, vermag ich nur so etwas wie gepflegte Langeweile, wenn auch auf höchstem Niveau herauszuhören: Entschieden zu wenig, entschieden zu weit von einem
F e s t entfernt… Und wenn es sich in der Tat so verhält, dann ist ein Wein dieser Größenordnung wohl doch schlicht sein Geld nicht wert…