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Muss ich Wein von schlechten Menschen wegschütten?

Prickelnder Nachschub aus dem Gymnasium.
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Der Captain trinkt mit seinem (gläubigen) Kollegen Christoph Hahn und grübelt über Moral und Wein. Das kommt nicht oft vor. Anlass ist eine Nachricht aus dem Kirchenreich.
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In der Kulturszene wird heftig diskutiert – kann man das Werk vom Künstler trennen? Eine neue TV-Dokumentation über Musikgenie und Kinderfreund Michael Jackson und eine Ausstellung über den malenden Antisemiten Emil Nolde in Berlin befeuern die Debatte. Darf man die Kunst von Arschlöchern gut finden? Die Filme von Woody Allen und Roman Polanski – alle verwerflich und mit Boykott zu belegen?

Schreckliche Menschen können großartige Kunstwerke schaffen. Wer das Werk so eines Künstlers mag und daraus schlussfolgert, dass der Schöpfer ein guter Mensch sei, begeht einen Fehler, sagen kluge Denker und verweisen auf das universelle Erbe großer Kunst. Nicht in den Werkstätten und Studios ihrer Schöpfer seien die Werke zu dem geworden, was sie sind, sondern erst in den Augen und Ohren des Publikums. Und deshalb dürfen moralische Abwägungen der Menschheit diese Schöpfungen nicht entziehen.

Gilt das auch für Wein aus den Kellern schlechter Menschen?

2011 wurde der Kriminologe Christian Pfeiffer (2000 bis 2003 für die SPD Justizminister in Niedersachsen) mit der Aufarbeitung des massenhaften sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche Deutschlands beauftragt. Pfeiffers Kriminologisches Zentrum Niedersachsen sollte auf Geheiß der Deutschen Bischofskonferenz einen wissenschaftlich fundierten Überblick auf die Verfehlungen verschaffen. Nach zwei Jahren wurde der Vertrag vor Ablauf gekündigt. Erst jetzt rückte Pfeiffer mit den Hintergründen des aprupten Endes heraus. Er sei vom Missbrauchsbeauftragten der Kirche Stephan Ackermann (seit 2009 Bischof von Trier) unter Druck gesetzt worden, dass er die Arbeit abbreche. Außerdem hätte man ihn bedroht und ihm 120.000 Euro Schweigegeld geboten, behauptet Pfeiffer. Hier geht’s zur → Meldung.

Die Erkenntnisse aus Pfeiffers Untersuchung waren den Kirchenfürsten wohl zu brisant geworden. Bis heute beschäftigen Missbrauchsfälle von Seiten katholischer und evangelischer Geistlicher die Gerichte. Auch in Trier.

Besonders verletzend empfinden Betroffene, dass die Täter oftmals keine Konsequenzen ihrer Taten zu befürchten hatten und die Kirchenstellen ihre Verfehlungen vertuschten.

Es scheint, dass die Oberen der katholischen Kirche Deutschlands der Meinung sind, dass die moralischen Standards, die sie predigen, für sie selbst nicht gültig sind.

Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,

Ich kenn auch die Herren Verfasser;

Ich weiß, sie tranken heimlich Wein

Und predigten öffentlich Wasser.

Aus Deutschland. Ein Wintermärchen von Heinrich Heine

Seit Jahrhunderten baut die katholische Kirche an Mosel, Saar und Ruwer Wein an. In den 1960er-Jahren wurden die drei kirchlichen Weingüter Bischöfliches Konvikt, Bischöfliches Priesterseminar und Hohe Domkirche zusammengeschlossen und firmieren seither unter Verwaltung der bischöflichen Weingüter Trier. Der Betrieb gebietet über Parzellen in weltberühmten Lagen: Piesporter Goldtröpchen, Scharzhofberger, Trittenheimer Apotheke, Ürziger Würzgarten etc.

Seit 2004 gehört auch das Weingut Friedrich Wilhelm Gymnasium in Trier zum kirchlichen Weingutsverbund. Erfolgreichstes Produkt ist die Marke Fritz Willi (Foto oben), die junge Zielgruppen erreicht.

Seit kurzem sind die uralten und weitläufigen Keller der Bischöfe unter der Trierer Altstadt gesperrt. Der offizielle Grund sind notwendige Sanierungsmaßnahmen. Den Kalauer, der sich nun aufdrängt (Leichen im Keller…) erspare ich euch.

Soll man jetzt auch die Weine der Bischöfe boykottieren und Flaschen zu Hause ausschütten, weil die Herren der Kirche nicht in der Lage sind, sich mit den Verfehlungen in ihrem Hause angemessen zu beschäftigen?

Der Captain rät zur Zurückhaltung und plädiert für die Trennung von Werk und Meister. Wenngleich die Männer in den Talaren allmählich spüren müssten, dass es nicht so weitergeht. Die Konjunktur spült den Bischöfen gigantische Summen aus der Kirchensteuer in die Kassen, doch das wird nicht ewig so bleiben. Die Zahl der Kirchenaustritte spricht eine deutliche Sprache. Noch siegt das beharrliche Festhalten der alten Männer am Zölibat über die verzweifelte Sehnsucht einsamer Priester nach Berührung und Befriedigung. Es ist wie bei Automanagern, die lieber betrügen als sich einzugestehen, dass das, was sie tun, im doppelten Sinne schmutzig ist.

Die kirchlichen Weine aus Trier sind nicht schlecht, obwohl es Raum nach oben gibt. Kellermeister Johannes Becker gilt als anerkannter Handwerker in seinem Fach. Unser Weinverkoster Raier Balcerowiak schrieb vor ein paar Jahren über das Weingut: Oft wird den Bischöfen vorgeworfen, dass sie das Potenzial ihrer Lagen nicht ausschöpfen. Dennoch gibt es wohl kein Weingut in der Moselregion, welches die komplette Riesling-Klaviatur von leichten, fruchtsüßen Kabinettweinen über geschliffene trockene, mineralische Spätlesen bis hin zu hochkonzentrierten edelsüßen Spezialitäten so umfassend bespielen kann. Von dem mehr als anständigen Preis-Leistungsverhältnis mal ganz zu schweigen. Die besseren Weine des Guts werden auf der eigenen Hefe in 1.000 Liter fassenden Moselfuderfässern aus Hunsrücker Eiche kühl und langsam ohne Reinzuchthefen vergoren. Das sorgt für lange Haltbarkeit, stabile Frucht und natürlich auch viel Schmelz. Zu jung getrunken wirken die Weine manchmal aber noch recht verschlossen.

Hier geht’s zum ganzen Artikel:

Opium für das Volk

 

Datum: 21.4.2019 (Update 22.4.2019)
 

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