Der Captain trank und sprach mit Martin Foradori, Eigentümer des Weinguts J. Hofstätter in Tramin und Weinlobbyist in Südtirol. Ein Teil des Gesprächs ist hier auf Tonspur (Neudeutsch: Podcast) verfügbar. Aufgenommen in den Hügeln von Mazon, die als wertvollste Weinlage Südtirols gelten.
Hört euch den ersten Podcast des Captain an! Foradori sorgt daheim in Südtirol für Aufregung, weil er Parkplätze abschafft und die Lagen-Idee einführen will. Sehr zum Unwillen mächtiger Genossenschaften.
Und das erzählt Martin Foradori im Herbst 2018 zwischen den Rebstöcken von Mazon dem Captain in seinem Podcast-Beitrag:
So ist er, der Martin Foradori, und das ist gut so. Menschen, die anecken, schenkt der Captain gerne sein Ohr. Und besucht sie zu Hause.
Dieses Zuhause liegt in Tramin und heißt Weingut J. Hofstätter, zu dem eine hübsche Zahl von Weinbergen und Höfen links und rechts der Etsch gehört. Darunter befinden sich Betriebe mit uralten Namen: Kolbenhof, Steinraffler, Barthenau, zu denen viele alte Wingerte gehören.
Man ahnt (oder weiß) es bereits, das Örtchen Tramin gab der Rebsorte Gewürztraminer seinen Namen. Hier zeigt Foradori dem Captain die Spitzenlage Söll, eine sonnenbeschienene Landschafts-Terrasse, von der man bis zum Kalterer See blicken kann.
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Martin Foradori, der nicht ganz zufällig so heißt, wie eine sehr berühmte Öko-Winzerin im Trentino (mehr dazu im Podcast), verkörpert in Gestalt und Rede ganz wunderbar das Klischee des Gutsherren und Großgrundbesitzers.
Kein Wunder, dass der stattliche Mann nicht nur Bewunderung auf sich lenkt, sondern auch Wut. Dieser Foradori nahm nämlich anderen Menschen liebgewonnene Gewohnheiten weg. Zum einen als Vizebürgermeister, der Parkplätze mitten in der malerischen Altstadt von Tramin beseitigen ließ, wo Foradori das eigene Auto in einer riesigen Garage seines burgähnlichen Weinguts abstellt. Zum anderen als Weinlobbyist, der ein bequemes Klassifizierungssystem bedroht, das den zahlreichen Weinbauerngenossenschaften von Südtirol die Vermarktung ihrer Produkte erleichtert.
70% des Weins aus Südtirol werden in solchen Betrieben gekeltert. Anders jedoch als in Deutschland gelten Genossenschaftsweine nicht automatisch als gering. Ganz im Gegenteil. Aber weil diese Weine von den Parzellen vieler Weinbauern sehr vereinfacht ausgedrückt in ein Fass zusammengeschüttet werden, erübrigt sich ein Lagensystem von selbst. Sagen die einen.
Foradori sagt etwas anderes.
Und weil Foradori nicht irgendwer ist, sondern ein angesehener Winzer und obendrein Vizepräsident des Konsortiums Südtirol Wein (die Lobbyorganisation aller Weinproduzenten des Landes), wiegt das, was er sagt, nicht wenig.
Foradori zum Captain: Um die Lage kommt man in Südtirol nicht mehr herum, auch wenn viele Leute Angst davor haben und die Präsidenten der Genossenschaften absurde Ideen verfolgen – wie zum Beispiel Lagen-Cuvées. Aber um als Nischenanbieter im internationalen Wettbewerb zu bestehen, brauchen wir echte Lagenbezeichnungen.
Apropos Lage, die Rebstöcke seiner teuersten Rotweine (bis zu 200 Euro pro Flasche) stehen im Gemeindegebiet von Mazon an den Hängen des Etschtals.
Ein paar dieser Weine vernaschte der Captain gemeinsam mit Foradori. Siehe weiter unten. Etwa den eleganten Prestigewein von Hofstätter, den edlen Blauburgunder Ludwig Barth zu Barthenau, der einem Vorfahren des Winzers gewidmet ist. Barth war Chemieprofessor in Wien und einer jener Tiroler, die auf Anregung des Kaiserbruders Erzherzog Johann den Pinot Noir in der Heimat ansiedelten und den Weinbau in der bitterarmen Region (wo heute Autofelgen blitzen) nach vorne brachten.
Dieser Blauburgunder mit dem putzigen Namen Barth von Barthenau war der erste Pinot Noir, den Martin Foradoris Großvater im Jahr 1959 vinifizierte. Manche behaupten, dieser Wein sei der beste Pinot Nero ganz Italiens. In der Nase erfrischend, Kirschsaft, etwas kalter Kamin, dann Süßkirsche, der Geruch von Zuckerguss. Der Tropfen ruhte 12 Monate hauptsächlich in neuem Holz. Im Mund kühle und mineralische Aromatik mit samtener Textur. Ich spüre elegante Kirschnoten, Hagebutte, dunkle Schokolade, rassige Säure, viel Frische. Im Abgang Schmelz.
Hier erklärt Winzer Foradori, was die Weinberge um Mazon so besonders macht:
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Wer Martin Foradori näher kennenlernt, versteht, warum dieser Mann bemerkenswert, aber dennoch kein Publikumsliebling ist. Es gibt Menschen, die wollen gefallen. Andere nicht. Foradori gehört zur zweiten Gruppe. Das gilt im Übrigen auch für seine Weine, die ihre Wirkung erst entfalten, wenn man sich mit ihnen näher beschäftigt.
Aus dem Hofstätter-Sortiment war der Captain besonders von den Gewürztraminern und Spätburgundern, pardon: Blauburgundern, angetan. Was Wunder, gilt der Betrieb bei diesen beiden Sorten als wegweisend. Mit seiner ausgeprägten Aromatik von weißem Pfeffer erinnerte der Gewürztrainer Vigna Kolbenhof den Captain gar an einen alten Sauternes von Château d’Yquem. Um die genauen Verkostungsberichte zu lesen, müsst ihr auf die Flaschenfotos klicken.
Dieser weit über 10 Jahre lang gereifte Gewürztraminer wiederum brachte das Geschmacksbild der Sorte ins Wanken. Denn die Süße war weitgehend weg!
Für diesen würzigen Blauburgunder wurden für die Pressung 25% der Trauben an ihren Rappen (Stielen) belassen:
Der Blauburgunder Vigna S. Urbano Barthenau steht trotz geringer 13,5 Volumenprozent Alkohol (eine Leistung im brüllend heißen Südtirol) seinen Kerl und schmeckt konzentriert und edel:
Als krönender Abschluss seines Besuchs machte Foradori für den Captain noch drei Weinexperimente auf.
Einen Gewürztraminer (Jahrgang 2010), der ein halbes Jahr lang in einer Amphore auf der Maische lag. In der Nase dominanter Quittenton, Schmelz, altes Plastikspielzeug. Auf der Zunge gute Süße-Säure-Spannung, Frische und Pikanz. Das Experiment wurde jedoch beendet. Foradori: „Solche önologischen Ausflüge überlasse ich lieber meiner Kusine Elisabetta.“
Dann einen Blauburgunder namens Vigna San Urbano, der nicht verkäuflich ist. In der Nase zunächst Kuhstall und Graubrotrinde total. Dann etwas Gemüseauflauf und ein Löffel Preiselbeermarmelade. Im Mund herrlich saftig und betörend: Mon Chéri-Praline, Bratensoße, frische Kräuter. Auch das Schicksal dieses Tropfens ist besiegelt. Er wird niemals verkauft.
Dann die dritte Flasche. Ein Projekt-Wein, der (als der Captain zu Besuch war) noch keinen Namen hatte und dem Ripasso-Trend folgt. 2015 ließ Foradori eine Traubentrocknungsanlage installierent. Rosinierte Lagrein-Trauben wurden eingemaischt und vinifiziert. In der Nase Brennnessel, Schmelz, Rote Beete, Sachertorte, etwas Preiselbeergelee. Im Mund alles andere als typisch Lagrein, aber auch kein Amarone. Trotzdem konzentriert, durchaus elegant und salzig.