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Langhe Nebbiolo: Barolo für Arme?

Banker und Hobby-Mundschenk: Massimo Battaglio.
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Der Captain berichtet von seinem Besuch in Alba, wo er innerhalb einer Woche mehr als 400 Weine probierte, die ihn noch eine Weile auf Trab halten werden.
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[Dieser Artikel erschien im März 2020] Alba, ein Städtchen mit klingendem Namen mitten im Piemont, ist wenig spektakulär. Keine großen Kunstschätze, kein beeindruckendes Straßenbild. Ein paar Restaurants, Kneipen und Trüffelläden. Das war’s.

Und trotzdem gilt Alba als Epizentrum des großen Genusses. Das liegt am Umland, nämlich der Weinregion Langhe, zu der die Anbaugebiete Alta Langa, Barbaresco, Barbera d’Alba, Barolo, Dolcetto d’Alba, Dolcetto di Diano d’Alba, Dogliani, Nebbiolo d’Alba und Roero zählen.

Seit einem Vierteljahrhundert gilt die Langhe als Herkunftsgebiet einiger der edelsten und begehrtesten Delikatessen der Welt.

Ihre heißbegehrten Erdpilze, die feinsten Haselnüsse der Welt (die viel zu teuer sind, um in den Nutella-Fabriken von Ferrero zu landen) und Nebbiolo-Trauben sind Rohstoffe, nach denen sich der globale Gourmet die Finger leckt.

7 Tage lang weilte der Captain vor Ort und besuchte die Verkostungs-Formate Nebbiolo Prima (Blindverkostung der aktuellen Jahrgänge für ca. 50 handverlesene Weinjournalisten aus aller Welt) und Grandi Langhe (Weinmesse der lokalen Hersteller).

Er wurde eingeladen und liebevoll betüdelt vom Winzerverband Albesia, eine Art VDP der Langhe. Was das heißt: jeden Tag konzentriertes Probieren, ein paar Fortbildungs-Seminare, Abendessen mit den Winzern, Party.

Wer es schaffte, besuchte zwischendurch den einen oder anderen Hersteller in seinem Weingut.

Ein charmanter Mundschenk brachte dem Captain vier Tage lang Wein an den Platz und verlor dabei nie den Überblick: Massimo Battaglio, Banker und Weinfanatiker (siehe Foto oben), der sich extra Urlaub nahm, um seinem Anbaugebiet zu dienen. Das nenne ich Hingabe!

Wie so ein Verkostungsaufenthalt aussieht, zeigt dir der Captain in einem brutal zusammengerafften 52 Sekunden langen Video. Das Vorschaubild zeigt die drahtige Präsidentin und Bio-Winzerin Marina Marcarino, die ab Sekunde 31 wie ein 17-jähriges Mädchen abtanzt.

Nebbiolo heißt die Hauptrebsorte der Langhe, aus ihr entstehen der weltberühmte Barolo und der weniger weltberühmte Barbaresco.

Beide Bezeichnungen sind gesetzlich geschützt und herkunftsbezogen. Als grobe Faustregel gilt: Barolo = mehr Tannine und größere Ausdruckskraft. Barbaresco = weniger Tannine und etwas mehr Eleganz. Je nach Hersteller sind die Übergänge fließend. Ausnahmen und Abweichungen bestätigen (wie immer in der Weinwelt) die Regel.

Fährt man mit dem Auto über die kurvigen Straßen der Langhe, wähnt man sich in einer Achterbahn. Es geht auf und ab, links und rechts tun sich pittoreske Landschaftsbilder auf, Hügel neben Hügel, auf vielen eine kleine Burg mit Turm und Dörfchen. Der unendlich weise und trinkerfahrene Langhe-Korrespondent des Captain Christian Wenger (ehemaliger Verlagsmanager und Hobby-Winzer, der im Piemont lebt und dort seinen eigenen Schaumwein herstellt) schreibt:

Vor etwa 12 Millionen Jahren lag das heutige Piemont fast vollständig unter der Wasseroberfläche eines Binnenmeeres, bzw. eines Golfs der über die jetzige Po-Ebene Verbindung zum Meer hatte. Die Böden sind geprägt durch diesen maritimen Ursprung sowie durch sedimentärem Ton-Kalkstein-Mergel, der mit Schichten von Mergel in grau-blauer Farbe und graubraunen und gelblichen Sand- oder Sandsteinschichten durchsetzt ist. Während dieser langen Zeitspanne änderten sich Tiefe und Form des Beckens erheblich. Die Gesteine änderten Zusammensetzung und Textur und erzeugten unterschiedlich geologische Formationen, die sich noch heute in den Weinhügeln beobachten lassen.

Weine aus Nebbiolo-Trauben zeichnen sich durch florale Nuancen, deutliche Noten von Kirsche, komplexe Struktur, subtile Aromatik, gelegentlich recht feste Tannine und ein riesiges Lagerpotenzial aus, das diese Tropfen nach Jahrzehnten in gesuchte, tiefgründige Schätze verwandelt, die über 1.000 Euro kosten.

Die Rebsorte Nebbiolo gedeiht in Italien auch weiter nördlich im Aostatal und im Valtellina, wo sie eine ganz eigene und faszinierende Charakteristik entwickelt, die manchmal ein bisschen nach Blut schmeckt.

Nebbiolo wächst außerdem in Frankreich, Schweiz, Österreich, Kalifornien, Australien und: Deutschland. Ja, der Captain trank schon mal Nebbiolo aus Sachsen. Angepflanzt und ausgebaut von → Martin Schwarz.

Aber eigentlich geht es mir in diesem Artikel gar nicht um Barolo und Barbaresco, sondern um Nebbiolo Langhe, der aus derselben Traube gekeltert wird, jedoch deutlich weniger Geld kostet und manchmal von hinreißender Qualität ist.

Bisweilen ist es gar nicht so einfach, Nebbiolo von einem Barolo oder Barbaresco zu unterscheiden. Es gibt sogar Barolo-Weine, die von ihren Herstellern als Nebbiolo vermarktet werden, weil die Lese des betreffenden Jahrgangs extrem ertragreich war und man fürchtet, dass man das Lager nicht leer bekommt. Um seine Barolo-Preise nicht zu verderben, klebt der Winzer die Bezeichnung Nebbilo Langhe auf die Flaschen. So wird man das gute Zeug los und schafft Platz für die nächste Ernte.

Es kann aber auch sein, dass ein Barolo-Weinberg neu gepflanzt wurde und das Traubenmaterial noch nicht genügend Struktur für einen hochkomplexen Wein hergibt. Auch dann werden die Trauben für Nebbiolo Langhe verwendet.

Um die Jahrtausendwende vermarktete der große Angelo Gaja einige seiner Barbaresco als Langhe Nebbiolo, bis seine Tochter wieder davon abwich.

In der Regel jedoch stammen die Trauben für Nebbiolo Langhe aus anderen Weinlagen als jene, von denen Barolo oder Barbaresco gemacht wird.

Piemont heißt auf Deutsch „Am Fuße des Berges“. Das passt, denn die Weinregion Langhe liegt tatsächlich am Rande der Alpen, die sie vor kalten Winden aus dem Norden schützen. Im Süden weht vom Mittelmeer warme und feuchte Luft herein.

Die Nebbiolo-Traube braucht extrem lange bis zur Reife und wird spät geerntet, manchmal erst im November.

Weil im Herbst viel Nebel über die Langhe zieht (Nebbia = Nebel) heißt Nebbiolo so wie er heißt. Ja, Nebbiolo zu erklären ist einfach. Guten Nebbiolo herzustellen allerdings nicht.

Denn mit dem Nebel geht auch die Gefahr von Pilzbefall einher. Früher griff man rasch zum Chemie-Kanister mit Pflanzenschutz. Heute zieht auch in der Langhe der naturnahe Anbau ein. Immer mehr Winzer arbeiten biologisch, ohne jedoch die Zertifizierug anzustreben. Wenn man im äußersten Notfall doch mal zur Spritze greift, ist das Biosiegel nämlich futsch und der damit einhergehende Rumor erklärungsbedürftig.

Die Traubenhäute des Nebbiolo sind dünn und fügen dem Most nicht viel Farbe hinzu. Nebbiolo-Weine sind hell und wirken beim Hinschauen leicht wie mancher deutsche Spätburgunder. Man ist dann regelrecht erstaunt, wenn sich der Wein im Mund als konzentrierter Edelstoff erweist.

Um dem Wein optisch mehr Gewicht zu verleihen, wurde über lange Zeit an der Farbe herumgebastelt.

In den 1990er-Jahren kam der sogenannte Rotofermenter in Mode, ein Gärtank mit eingebauter Trommel, die sich wie in einer Waschmaschine dreht und im Ruckzuck-Verfahren eine stärkere Extraktion der Farbpigmente bewirkt, ohne dass so viel bittere Gerbstoffe ausgeschwemmt werden, wie das bei langsamer Maischegärung der Fall ist.

Von solchen Tricks kam man inzwischen wieder ab. Hellhäutige Rotweine haben schon länger kein Image-Problem mehr, dem Burgund und seinen teuren Pinots sei’s gedankt.

Feine Säure, edles Markenzeichen der Nebbiolo-Traube, ist in Verbindung mit festen Tanninen noch so ein Merkmal, bei dem sich Kenner wissend zunicken. Ihnen ist klar, dass Barolo oder Barbaresco Zeit braucht, um sein Potenzial zur Entfaltung zu bringen – in der Regel zwischen 5 und 10 Jahre.

Nicht jeder hat so viel Geduld oder Geld. Ein vornehm gereifter Langhe-Brummer kostet nämlich nicht wenig. Um die 40 Euro, meistens jedoch mehr. Wer sparen will und trotzdem gute Weine mag, trinkt: Langhe Nebbiolo. Die wesentlichen Unterschiede zu Barolo und Barbaresco sind Herkunft und Lagerdauer.

  • Barolo: 38 Monate Lagerzeit, davon mindestens 18 im Holzfass; für Barolo Riserva 62 Monate, davon mindestens 18 im Holzfass.
  • Barbaresco: 26 Monate Lagerzeit, davon mindestens 9 im Holzfass; für Barbaresco Riserva 50 Monate, davon mindestens 9 im Holzfass.
  • Langhe Nebbiolo: Kein Holzfass-Zwang, keine Vorschrift bez. Reifezeit; als zusätzliche Rebsorten sind Barbera und Dolcetto (bis zu 15%) erlaubt.

Von den vielen Langhe Nebbiolo, die der Captain Ende Januar 2020 in Alba und Umgebung probierte, stach dieser eine deutlich heraus. Er heißt Langhe Nebbiolo Runcaja von Alberto Burzi, der mit seiner Zwillingsschwester Caterina 2012 die Weinberge der Familie übernahm und allmählich von sich reden macht.

Burzis nach Bio-Grundsätzen hergestellter, aber nicht zertifizierter Langhe Nebbiolo reifte über 6 Monate im 500-Liter-Eichenfass und ist Ausdruck einer neuen Nebbiolo-Generation, die der Traube ihre naturgegebenen Eigenschaften belässt und sanfte Weine mit Biss herstellt. In der Nase warme Noten von Kirsche und Beeren. Im Mund kernig, viel würzige Frucht, straffe Säure, weißer Pfeffer, perfekte Balance. Ein herzlich zupackender Rotwein mit feiner, weichmachender Restsüße und langem Nachhall.

So ein Nebbiolo-Wein trinkt sich am besten in einem bauchigen Burgunderglas.

Langhe Nebbiolo – Barolo für Arme? Nein, eher der jüngere Bruder des Barolo. Dieselbe Rebsorte, derselbe Boden, oft sogar dasselbe Mikroklima. Was ist also der Unterschied? Im Prinzip nur Weinberg, Ausbau und Alterung.

 

Datum: 6.3.2020 (Update 14.12.2021)
 

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