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„Biowein schmeckt nicht besser“

Monsieur Biowein Klaus Herrmann.
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Öko-Fachmann Klaus Herrmann erklärt dem Captain, warum Biowein die Welt zu einem besseren Ort macht, obwohl er gar nicht besser schmeckt.
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Klaus Herrmann, Önologe, Ökowein-Experte und Mitbegründer der Fachzeitschrift „Wein+Markt“, gilt als einer der erfahrensten Biowein-Verkoster Deutschlands. Ist Biowein besser als Wein aus konventionellem Anbau? Bevor ich mit Klaus Herrmann darüber spreche, blende ich zurück zum Ende des Jahres 2018, als dieser Artikel neu erschien.

Ende November 2017. Der Vorgang lässt selbst hartgesottene Zyniker kurz den Atem anhalten. Entgegen der offiziellen Abmachung stimmt der geschäftsführende Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) im Alleingang für die Verlängerung der EU-weiten Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat.

Die Empörung ist heftig aber kurz. Drei Tage später dann diese Meldung: „Hendricks und Schmidt sprechen sich nach Glyphosat-Streit aus.“ Schmidt lässt scheinheilig ein Foto mit seiner Kollegin im Umweltministerium twittern:

Und die Hendricks spielt mit. Irgendwie verstehe ich die Leute, die meinen, das alles sei vorher bis rauf zur Kanzlerin genauso abgesprochen worden. Jetzt hocken die drei Wahlverlierer-Parteien in Berlin beisammen und tüfteln aus, wie sie sich gegenseitig an der Macht halten.

Klaus Herrmann, ein industrienaher Spitzenpolitiker ermöglicht weiterhin das Verspritzen von Pflanzengift. Gleichzeitig erscheint auf Seite eins der „Welt am Sonntag“ ein Leitartikel, in dem ein bekannter Klimaskeptiker erklärt, warum Glyphosat eigentlich gut für die Artenvielfalt sei. Sein Argument: Biolandbau ist ineffizient, weil er zu viel Fläche benötige. Hochproduktive Agrarflächen jedoch, die frei von Unkraut gehalten werden, geben Platz für Biotope frei, in denen sich Insekten, Vögel und Kleinsäuger tummeln. Sind wir Teil einer riesigen Satire oder hat der Mann vielleicht sogar ein bisschen recht? Meiner Meinung nach sollte der Einsatz von synthetisch-chemischen Mitteln in der Landwirtschaft generell ständig hinterfragt werden. Arbeitstechnisch war die Erfindung dieses extrem wirksamen Breitband-Herbizids eine enorme Erleichterung für Landwirte und Winzer, denn es ersetzte harte Handarbeit und intensiven Maschineneinsatz. Aber die Verarmung unserer Böden und der dramatische Rückgang der Artenvielfalt in Flora und Fauna verbieten meiner Meinung nach einen weiteren ungebremsten Einsatz dieses Produkts. Unsere moderne industrielle Landwirtschaft in großflächigen Monokulturen wird ohne Glyphosat eine Reihe von Problem bekommen. Aber im Weinbau haben die Biowinzer längst bewiesen, dass es sehr wohl ohne Herbizide geht, ohne sich wirtschaftlich zu ruinieren. Und die Maschinenbauer haben inzwischen sehr effiziente Geräte zur Bodenbearbeitung entwickelt, die Herbizide im Weinbau überflüssig machen. Die Winzer können die Glyphosat-Aufregung also gelassen betrachten.

Es heißt, in Europa werden 20% aller Pestizide auf Rebflächen ausgebracht, obwohl diese nur ca. 3% der gesamten landwirtschaftlich genutzten Flächen ausmachen. Es gibt also noch einiges zu tun, oder sind wir hysterisch? Diese Zahlen kenne ich. Obwohl ich keine besseren zu Hand habe, bin ich recht skeptisch bei solchen Statistiken. Dennoch, ein bisschen Hysterie kann vielleicht nicht schaden. Denn es gibt sehr wohl noch viel zu tun in Richtung biologische Weinbergsbewirtschaftung. Auch, wenn der erste Ökoweinbauprofessor und Teilzeitwinzer Randolf Kauer, die deutsche Fläche bereits auf rund 8.000 Hektar, also 8% des deutschen Weinbaus schätzt, ist da noch sehr viel Luft nach oben.

Was ist Bio-Wein?

Und die Frequenz der Spritzungen im konventionellen Weinbau ist sicherlich noch viel zu hoch. Auch an den verwendeten Gerätschaften wird immer noch getüftelt, um den Einsatz von Spritzmitteln zu verringern. Aber die Natur hat es den deutschen Winzern in den vergangenen Jahren wahrhaftig nicht einfach gemacht. Wer etwas ernten wollte, musste gewaltig kämpfen mit den beiden Mehltaupilzen. Dabei ist es kein Trost, dass im Obstbau noch sehr viel häufiger zum Spritzen durch die Anlagen gefahren wird. Einen Lichtblick versprechen die Piwis, die neuen pilzwiderstandsfähigen Rebsorten. Der Name hat leider nicht das Zeug zu einem Marketinghit, aber diese Rebsorten reduzieren den unvermeidbaren Einsatz von Chemie im Weinberg auf ein Zehntel. Wenn dann noch Minimalschnitt im Spalier praktiziert wird, hat sich auch die Fahrerei mit Traktoren durch die Weinberge zu einem guten Teil erledigt. Die Natur würde es uns danken.

Wie heißen ihre liebsten Biowinzer? Ich habe keine Lieblingswinzer. Ich kenne nur manche besser als andere. Ich habe großen Respekt vor allen Winzern und Landwirten, die sich zur Schonung von Flora, Fauna und Böden die doppelte Arbeit aufladen und dennoch jedes Jahr aufs Neue riskieren, die Ernte an die Natur zu verlieren. Jede Namensnennung an dieser Stelle wäre unpassend.

Biowein-Trinker werden manchmal für ihre Vorliebe gehänselt. Haben Sie für diese tapferen Weinfreunde ein Universalargument, das ihnen endlich Entlastung verschafft? Tatsächlich? Bei mir hat sich das noch keiner getraut. Bioweintrinken hilft der Umwelt mehr als eine Feinstaubplakette am Auto. Biowein schmeckt nicht besser, ist aber besser für die Umwelt.

 

Datum: 3.1.2020
 

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