Irgendwann war er da. Irgendwann vor dreißig Jahren. Auf einmal schenkte man in Münchner Galerien keinen Champagner mehr aus – der bis dahin der einzige Grund, die langweiligen Frizzante, ein einfacher Perlwein aus der Proseccotraube. Und der hat mit echtem Prosecco so gut wie nichts zu tun.
Was mit echtem Prosecco schon gar nichts zu tun hat, das ist die gleichnamige Ortschaft oberhalb von Triest. Der Ort Prosecco, knapp 500 Einwohner groß und nur ein paar Meter von der slowenischen Grenze entfernt, gab der Traube bloß den Namen. Im späten Mittelalter brachte man sie aus dem Julischen in das Veneto, genauer gesagt in die Region zwischen der Stadt Treviso und den Dolomiten; eine robuste Weißweintraube, die Kälte gut aushält und für leichte und verhalten fruchtige Weine bekannt ist. Leider kein autochthoner Superstar wie Sauvignon-Blanc oder Gewürztraminer, folglich auch keine Rebsorte, der in der Welt Erfolg hat. Außer als Schaumwein.
Hilfe, der Prosecco kommt!
Der Privatgelehrte Francesco Maria Malvolti entdeckte am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, dass sich die fade Proseccotraube vorzüglich für eine zweite Gärung eignen würde. Denn nach der ersten blieb bloß ein schaler Nachgeschmack. Der Prosecco war geboren.
Die Flaschen blieben vor allem in der Region. In Venedig tranken sie die Dogen leer, an der Brenta die Großgrundbesitzer. Und bei Feierlichkeiten auch das einfache Volk, das auf die Gnade eines spendablen Feudalherren hoffen durfte. Erst mit dem Proseccoboom Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts wurde die Anbaufläche der Traube dramatisch vergrößert. Und zwar über die Region hinaus.
Auf einmal kam Prosecco selbst aus Kalabrien. Der einfache Frizzante wohlgemerkt, der leider nach der Traube benannt war; industriell gefertigt, meist im Tank vergoren oder ganz simpel mit Kohlensäure versetzt. Diese Plörren überschwemmen seither die Supermärkte der Welt. Deswegen hat die Anbauregion die Notbremse gezogen und den zweiten Namen der Traube zum ersten gemacht.
Prosecco heißt nicht mehr Prosecco
Die Proseccotraube heißt seit letztem Jahr „Glera„, der Name Prosecco darf nur mehr für jene Weine verwendet werden, die im Anbaugebiet (Valdobbiadene und Conegliano) erzeugt wurden. Weiter hat die Region hat ihre Ursprungskontrollen verschärft. Wer ganz sicher gehen will, kauft einen Prosecco mit der Bezeichnung DOCG (Denominazione di Origine Controllata e Garantita). Das garantiert die Ernte und Herstellung im Anbaugebiet.
Wer es noch exklusiver haben will, der trinkt Prosecco aus dem Anbaugebiet Cartizze. Drei Gemeinden unterhalten hier knapp 106 Hektar Land. Das klingt viel, ist aber im Vergleich zum restlichen Anbaugebiet der Region (5024 Hektar) winzig. Man kann froh sein, eine Flasche Cartizze zu bekommen. Und selbstredend ist Cartizze auch die teuerste Anbauregion im Prosecco.
Extreme Steilhänge und bessere Qualitäten
Das besondere an Cartizze sind die extremen Steilhänge in den Voralpen. Hier können die Trauben nach den oft sehr ergiebigen Regenfällen schneller trocknen, da mehr Sonne an die Rebstöcke kommt. Das wiederum verringert die Zahl des schadhaften Rebmaterials. Prosecco aus Cartizze, etwa von Ruggeri oder der Villa Sandi, sind also die Königsklasse dieser Schaumweine, kräftig, fruchtig, meist knochentrocken, delikat. Und deswegen von völlig anderer Qualität, als die Frizzante, die man selbst in angesehenen Restaurants auf den Tisch gestellt bekommt. Ein Beleg, dass man sich in Deutschland bei Prosecco kaum auskennt. Und dass der Spumante bei Weinhändlern kein Thema ist. Prosecco muss vor allem billig sein, das Schnäppchen ist sein Käfig.Daran ist die Region nicht unschuldig gewesen, die lange Zeit auf billigen Wein und schnelles Geld gesetzt hat.
Man setzt auf Hochwertiges
Doch jetzt formiert sich der Widerstand in Kleinstädten wie Treviso oder Conegliano. Zahlreiche Bars schenken hochwertige Prosecco aus und die Gastronomie reagiert mit dem Ausschank der vorhandenen Vielfalt, von der selbst Einheimische nichts gewusst haben. Nebenbei erweitern die klassischen Prosecco-Produzenten, wie etwa Carpene-Malvolti (der einzige Prosecco, der in Harrys Bar in Venedig in den Bellini darf), ihr Repertoire und produzieren auch Schaumweine aus Kerner und Sauvignon. Ziel ist es, mit qualitativ hochwertigen Produkten aus dem Korsett namens Prosecco auszubrechen. Das führt leider – so erfreulich die Produkte sind – zu mehr Verwirrung als Klarheit. Doch jetzt soll auf einmal alles sehr schnell gehen im Prosecco.
Da bleibt vieles auf der Strecke, was früher nicht unbedingt schlecht war. Die wunderbaren Prosecco aus Aquilea beispielsweise, eine Region nahe der Lagunenstadt Grado. Diese Weine dürfen nur mehr Spumanti heißen und sind seit dem Namensverbot auf der Suche nach einer neuen Identität. Wie so oft heißt das, dass sie billiger und schlechter werden. So hat dieser regionale Aufbruch auch Nachteile. Doch auf „Prosecco Frizzante“ aus Kalabrien können wir gerne verzichten. Wie gut, dass dieser Mist nicht mehr Prosecco heißen darf.
So wie es mir scheint, hat sich der Captain entschlossen, nur mehr über teure und repräsentative Weine zu schreiben und alles, was normal erscheint herunterzumachen. Wie gut, dass es noch andere Matrosen gibt, die hier die Bodenhaftung behalten haben. Auch guter und günstiger Frizzante kann Spaß machen, vor allem, wenn er von einem Winzer hergestellt wird,
Fehlt nur noch, dass ich wieder lesen muss, wie notwendig Champagner ist. Gosset, Bollinger oder sowas.
man sollte nicht vergessen, dass der allergrösste teil der prosecco produktion eher minderer qualität ist. um nicht zu sagen: wasser + co2 + zucker = prosecco.
dabei gibt es welche die richtig gut sind, aber diese halt in der minderheit sind.
und das hat nichts mit elitärer oder snobistischer haltung zu tun – wenn man das ganze mal probiert, was es da am markt gibt………kommt man unweigerlich zu diesem fazit.
wenns um das thema prosecco oder champagner geht, wird es bei den kommentaren immer so-was-von-emotional. warum?
freu mich darüber, dass man am schiff dieses thema wieder aufgreift. mille grazie.
die proseccostraße ist eine wunderbare region, die ganz schön süchtig machen kann …
hallo 5terre,
die proseccostrasse – der begriff gefällt mir. ja die ist sicher schön & kann auch süchtig machen……. es ist aber leider so der seeeeehr viel prosecci seeeeehr billig produzuertt sind & auch so schmecken……..
Prosecco ist ja auch nur eine Marke , wenn man es so sieht ! Die durch einheimische Winzer hergestellten Schaumweine werden deshalb meist nur “ Secco“ genannt !
Seccos oder Schaumweine sind bestimmt keine “ BILLIGWARE “ oder schlechte Qualität.
Wir nutzen z.B nur Hochwertige Grundweine für unsere Seccos ( beim SinnS ist als Grundwein eine Spätlese genutzt woden ) . Preislich sind sie deswegen
so günstig ( im Vergleich zu Sekt oder Champagner ) weil das Produzieren wesentlich einfacher ist !
Dem Grundwein wird nur die Kohlensäure zugesetzt und dann abgefüllt. Kein aufwendiges Flaschenrütteln usw.
Zur Geschichte : Um die deutsche Marine zu finanzieren wurde ( vor 100 und Jahren ) die Sekt und Champagner Steuer eingeführt ! Um dies zu umgehen wurden Schaumweine hergestellt, die nicht unter diese Versteuerung gefallen sind , aber dennoch (fast) Genauso SCHMECKEN !
http://www.weinshop-becker.de
Hier finden Sie qualitativ Hochwertige Seccos !
guten abend sigi hiss,
ja, stimmt, sie haben recht, es wird viel billig erzeugter sprudel verschleudert. man muss schon ordentlich recherchieren, damit man am richtigen ort ankommt.
habe „meine hausaufgaben“ brav gemacht und wurde mit genialen proseccostraßen-tagen bei bisol in den cartizze-hügeln belohnt.
übrigens, bisol hat vor über einem jahr auf burano-mazzorbo ein altes anwesen zum hotel & restaurant umgebaut /reno- viert. da kann man quasi zwischen san marco in harrys bar mit seinem carpene-malvolti und burano-mazzorbo mit bisol auf einer prosecco-lagunenstraße dahingleiten. man muss nur auf der fondament nove umsteigen …
p.s. und paola budel kocht sehr gut.
mein schönstes prosecco-erlebnis hatte ich mit einem carpene malvolti aus den sechzigern. der war in der form seines lebens und bewegte sich geschmacklich bequem auf augenhöhe mit grand cru champagner aus derselben zeit. dabei profitierte er von der hohen dosage und dem sich daraus entwickelnden karamellton, bei aparter säure. im übrigen traue ich der traube allerdings immer noch nicht viel zu.