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Wein aus dem Mixer???

Nathan Myhrvold, Weinfreund und Wissenschaftler.
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Ein diskreter Trend macht unter Weinfreunden die Runde: Hyper-Dekantieren heißt die Methode, um jungen Wein durch radikale Sauerstoffzufuhr harmonischer zu machen.
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Es fing mit einem kurzen Artikel in einem Kochbuch an. Das war 2011. Da brachte der ehemalige Microsoft-Cheftechnologe und begeisterte Koch Nathan Myhrvold sein Werk „Modernist Cuisine“ auf den Markt.

Myhrvold promovierte in mathematischer und theoretischer Physik und absolvierte ein Post-Doktoranden-Studium bei Stephen Hawking, bevor er eine Softwarefirma gründete, diese an Microsoft verkaufte und in das Management des neuen Eigentümers wechselte. Vielleicht fand Myhrvold damals schon Geschmack an der Popularisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Seine Einführung in die hohe Küche erwarb Myhrvold als Lehrling von Thierry Rautureau im Luxusrestaurant Rover’s in Seattle, wo die reichen Gründer aus dem Silicon Valley zu speisen pflegen. Obendrein ging er auf die Kochschule École de Cuisine la Varenne in Paris.

Das sechsbändige Kochbuch „Modernist Cuisine“ definiert den Begriff moderne Küche ganz neu und beleuchtet mit wissenschaftlichem Ansatz die neuen Methoden der Zubereitung und den Einsatz fortschrittlicher Technologien in der Kombüse: Zentrifuge, Homogenisator und Vakuumierer. Höhepunkt des Werkes ist eine Anleitung für die Zubereitung des angeblich perfekten Cheesburgers, die rund 30 Stunden beansprucht.

Und dann gibt es noch das Kapitel, in dem Myrhvold dazu rät einen Küchenmixer zu verwenden, um Rotweine aufzupimpen.

Wie bitte, einen Mixer?

Ja, einen ganz normalen Küchenmixer, wie man ihn auf einem entsprechenden Vergleichsportal, wie küchengeräte-test.de finden kann.

Eine Küchenmaschine schafft sich natürlich niemand an, nur um Sauerstoff in seinen Wein zu mischen. Dafür sind die Geräte zu vielseitig. Sie können fast alles in der Küche. Daher ist es ratsam, sich vor dem Kauf Gedanken zu machen, welchen Ansprüchen die Maschine genügen muss und was man sonst noch mit ihnen anstellen will. Kompaktgeräte sind dabei sehr beliebt. Sie finden Platz in der kleinsten Küche und helfen gleichzeitig beim Kochen viel Zeit zu sparen, auch wenn nur kleinere Lebensmittelmengen verarbeitet werden. Mit verschiedenen Aufsätzen, wie einem Mixaufsatz, sind sie mit vielen Funktionen ausgestattet.

Und sie eignen sich auch, um einem Wein auf die Sprünge zu helfen.

Der Captain hat das selbst schon viele Male erlebt, seit er vor Jahren von Myrhvolds Experiment las. Es klappte immer. Beim ersten Mal hauchte er einem viel zu jung geöffneten Blaufränkisch aus dem Burgenland so viel Leben ein, dass der Wein nach dem 10 Sekunden langen Mixen plötzlich runder, weicher und vollmundiger schmeckte.

Die ästhetischen Kollateralschäden (Lärm, Optik) waren natürlich schwerwiegend und ich kann nur empfehlen, diese Methode fernab jener Menschen anzuwenden, denen man einen auf diese Weise verbesserten Wein darreichen möchte.

Myrhvold nennt seinen brachialen Trick Hyper-Dekantieren und missdeutet dabei den Begriff Dekantieren. Denn das Zuführen von Sauerstoff durch ausgiebiges Belüften nennen echte Weinkenner Karaffieren.

Dekantieren ist nämlich die Trennung von Wein und Schwebestoffen.

Weitere Missverständnisse zum Thema Sauerstoff und Wein habe ich in diesem Artikel zusammengefasst:

Der große Dekantier-Schwindel

Kein Weinkenner bezweifelt, dass intensive Belüften den Trinkspaß mit jungen und möglicherweise unterentwickelten Tropfen beflügelt.

Gerbstoffreiche, junge und kräftige Rotweine (und auch manche Weißweine) profitieren von der Sauerstoffzufuhr in jedem Fall.

Denn die Gerbstoffe aus den Beerenschalen und Kernen sind reaktionsfreudige Substanzen. Ruppige Geschmackskomponenten werden besänftigt, der Wein wirkt nach dem Belüften harmonischer. Mit so einer Luftkur behandelte Tropfen schmecken danach weicher und reifer.

Das klassische Karaffieren dauert allerdings bis zu mehrere Stunden. Wer warten kann, wird dann mit besserem Geschmack belohnt.

Aber in den Mixer kippen?

Wenn es denn schnell gehen soll, auf jeden Fall.

Neulingen muss die Methode aber behutsam nahe gebracht werden. Spreche ich mit etablierten Sommeliers über Myhrvolds Hyper-Dekantieren, ernte ich nur große Augen. Frage: Zerstört das nicht die Struktur des Weins?

Nein, absolut nicht.

Die rund 1.000 unterschiedlichen Substanzen kümmert es nicht die Bohne, dass sie durchgewirbelt werden. Dafür sind die Molekülketten viel zu klein. Und ob ein superkomplexer 300-Euro-Bordeaux vom Hyper-Dekantieren profitiert, ist sowieso die falsche Frage. Denn den macht vor der offiziellen Trinkreife sowieso keiner auf, der noch alle Sinne beisammen hat.

Geschieht das aus Versehen dennoch, kann man ja den Versuch wagen.

Übrigens, inzwischen hat Myhrvold auch ein aufwändiges Buch über Brot auf den Markt gebracht. Es ist 2.600 Seiten dick, kostet 400 Euro und heißt Modernist Bread„.

 

Datum: 22.1.2018
 

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