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Rein theoretisch ist der Kapitalismus ja eine Wettbewerbsgesellschaft, in der die weise Hand des „Marktes“ dafür sorgt, dass die Wirtschaft funktioniert. Zu dieser eher esoterischen Weltanschauung gehört ferner, dass im Wettbewerb letztendlich jeder die gleichen Chancen hat, wenn er denn nur ein Produkt anbietet, für das es genügend Nachfrage gibt. Und auf diese Art und Weise würden sich auch die Preise, also der „Wert“ einer Ware regulieren.
Aber selbst einem makroökonomisch eher desinteressierten Weintrinker dürfte bereits aufgefallen sein, dass diese Art der Wertdefinition ein paar Pferdefüße hat. Denn was da mit allen möglichen Formen der Manipulation und gezielten Verblödung zu erstaunlichen Preisen an den weintrinkenden Bürger gebracht wird, erzeugt nicht selten Kopfschütteln oder gar Übelkeit.
Medoc-Langeweiler mit Wumms
Etikettenschwindel ist Trumpf: So wird die altehrwürdige französische Qualitätseinstufung „Cru Bourgeois“ für Weine aus dem Medoc immer noch benutzt, obwohl die Klassifikation 2007 annulliert wurde und somit derzeit keine verbindlichen Qualitätskriterien mehr existieren.
Die meisten Cru Bourgeois sind daher austauschbare Medoc-Langweiler mit meist hohem Merlot-Anteil, mehr oder weniger deutlichem Holz und oftmals nervigen Alkoholwerten von 14 Prozent und mehr. Wie z.B. der Château Grand Clapeau Olivier 2008. Ein renommierter Weinversender preist ihn als „äußerst wohlgeratenen Wein von einem hierzulande noch unbekannten Château“ an. Dieser dufte „appetitlich nach schwarzen Johannisbeeren und Kirschen, umflort von einer rauchigen Barriquenote. Dank seines hohen Merlot-Anteils hat er gut abgestimmte Tannine und ist schon jetzt schön zugänglich. Ein Preistipp – und ein Kandidat für unsere Kundenfavoriten!“
9,90 Euro soll der „umflorte“ Wein kosten. Und da es – hoffentlich – nicht genug Dumme gibt, die auf diesen Schwall reinfallen und sich somit der Absatz für diesen Preis nur begrenzt realisieren lassen wird, ist dieser „äußerst wohlgeratene Wein“ bei einer Berliner Supermarktkette für schlappe 6,99 Euro erhältlich. Für Importeure ist das eine durchaus übliche Mischkalkulation.
Stellt sich die Frage, ob er wenigstens dieses Geld wert ist? Der Grand Clapeau Olivier ist durchaus unfallfrei trinkbar. Vordergründige Erwartungen wie die Merlot-Kirsche und die Cabernet Sauvignon-Johannisbeere werden ebenso bedient wie die nach Eiche. Doch ein bisschen wirkt das wie aus dem Weinbaukasten, nach dem Motto: Wie bastel ich mir einen Medoc-Wein.
Wie gesagt: Lässt sich trinken, aber warum muss man so was „Cru Bourgeois“ nennen. Die Antwort liegt nahe: um ihn etwas höherpreisiger verkaufen zu können als andere einfache Medoc-Weine.
Versuchen wir’s also mit essen: schließlich soll dieser Wein gut zu Wildgerichten passen. Doch zur bei Niedrigtemperatur gegarten Rehkeule zerfällt er regelrecht in seine Bestandteile und verliert die letzte Andeutung einer Linie.
Hummel – Winzer des Jahres auf dem Schiff
So langsam wird es Zeit, einem Champion der gleichen Preisgewichtsklasse in den Ring zu stellen. Das mit dem Champion kann hier ruhig wörtlich genommen werden, denn nicht umsonst wurde Horst Hummel auf dem Schiff vor einigen Wochen zum Winzer des Jahres gekürt. Aktuell liefert er seinen Villányi Kékfrankos 2008 aus. Der kommt ausgesprochen, saftig, mineralisch und frisch daher.
Süß- und Sauerkirschen setzen sich nach vorne, umspielt von feiner Säure und gewürzt mit einem Schuss Pfeffer. Und für das Duett mit der Rehkeule ist er nahezu prädestiniert. Und jetzt kommt’s:
- Kékfrankos Villányi 2008 vom Weingut Hummel kostet nur 7,50 Euro.
Wenn es den Hummel ebenfalls im Supermarkt gäbe, wäre es ein fairer Vergleich, denn ich behaupte mal, es gibt gute Gründe, warum es den beschriebenen Bordeaux im Supermarkt gibt (und das hat übrigens überhaupt nichts mit dem Preis zu tun, denn es gibt in dieser Liga genügend höchst erfreuliche Weine in diesem Jahrgang)…;-)
Nimm doch einfach mal einen vernünftigen Cru Bourgeois (den es nicht im Supermarkt gibt;-)) und versuche es nochmals…
P.S. Natürlich ist das Cru Bourgeois System, ähnlich übrigens wie bei den Grossen Gewächsen in Deutschland, nicht grundsätzlich ein Zeichen von Qualität, was zu bedauern ist, aber fraglos eine Tatsache…
@weinfex
1.)Den Hummel-Wein gibt es für diesen Preis auch in einigen Läden zu kaufen.
2.) Selbstverständlich gibt es richtig gute Cru Bourgeois. Aber natürlich nicht zu diesem Preis. Ohne verbindliche Kriterien ist die Bezeichnung schlicht Etikettenschwindel, um Kunden eine nicht vorhandene höhere Qualität zu suggerieren. Die besseren (und teureren) CB’s könnten die Leidtragenden sein
@Andreas Nagel
Was heißt hier „ergebnisorientiert“? Ich finde es absolut legitim, Weine innerhalb einer bestimmten Preiskategorie zu vergleichen, die anhand ihrer Charakteristik eher schwierig zu vergleichen sind. Auch gab es außer dem Preis eine weitere Klammer. Niemand wird doch wohl bestreiten, dass zu einer Rehkeule sowohl ein guter Bordeaux, als auch ein guter Kekfrankos eine gute Figur machen sollten
CB ist ja eh das niedrigste über den AOCs. Wo ist denn das Problem? Komm nicht mit.
Natürlich gibt es den Hummel in (Fachhandels-)Läden zu kaufen, aber nicht im Supermarkt, dass ist ein himmelweiter Unterschied (zumindest wenn der Einzelhändler weiss was er „tut“)…
Und natürlich gibt es zum Preis von um die 10Euro EVP „sehr ordentliche“ Cru Bourgeois, die den Hummel an die Wand „stellen“…(z.B. versuche es doch mal mit Ch. Devise d’Ardilley, den wirst Du aber garantiert auch nicht im Supermarktsortiment finden)…
zwei Berichtigungen zur Einleitung:
1. Die Fachrichtung der Ökonomie die sich mit Märkten beschäftigt heißt Mikroökonomie, nicht Makroökonomie.
2. Viel wichtiger: Allen Ökonomen ist klar, dass bei asymmetrisch verteilter Information über die Qualität eines Produkts die Märkte nicht mehr zu einem effizienten Preis kommen bzw der Preis nicht dem Wert entspricht, den der Konsument dem Produkt beimessen würde wenn er über die Qualität vollständig informiert ist.
Also hört doch bitte auf mit dem Ökonomen-Bashing an allen Ecken und Enden, insbesondere in einem Artikel über Wein.
Widmet Euch lieber der Beseitigung dieser Informationsasymmetrie
„Rein theoretisch ist der Kapitalismus ja eine Wettbewerbsgesellschaft, in der die weise Hand des „Marktes“ dafür sorgt, dass die Wirtschaft funktioniert. Zu dieser eher esoterischen Weltanschauung gehört ferner, dass im Wettbewerb letztendlich jeder die gleichen Chancen hat, wenn er denn nur ein Produkt anbietet, für das es genügend Nachfrage gibt. Und auf diese Art und Weise würden sich auch die Preise, also der „Wert“ einer Ware regulieren.“
Kleiner Einwurf: Diese Wettbewebsgesellschaft die so funktioniert nennt sich „Marktwirtschaft“, das ist was anderes als Kapitalismus.
Was ich nicht verstehe ist der Vergleich Qualität vs. Preis.
„Qualität“ ist schwer messbar und liegt eher im Auge des Betrachters, der „Preis“ für das Produkt ist tatsächlich.
Oder wie berechnen die Weingüter den Preis ihres Weines ab Hof?
Zu 1.)Mikro- und Makroökonomie lassen sich keinesfalls eindeutig voneinander abgrenzen, da beide Verhaltensweisen von Wirtschaftssubjekten analysieren. Die Nachfrage im Weinsektor isr daher sowohl eine mikro- wie eine makroökonomische Angelegenheit, zumal es sich auch um globale Prozesse handelt.
Zu 2.) D’accord
Zu 3.) Niemand basht hier Ökonomen. Vielmehr soll der Artikel ja gerade dazu beitragen, sich von bestimmten Händlern und Werbefuzzis nicht mehr vera…….. zu lassen
Was bitte ist der Unterschied zwischen Marktwirtschaft und Kapitalismus?
Marktwirtschaft basiert tatsächlich auf Angebot und Nachfrage.
Kapitalismus bedient sich Instrumenten die ausserhalb dieser Paradigmen liegen, die nicht eifach greifbar sind.
Können Sie mir die Frage nach der Preisfindung beantworten?
Wie die einzelnen Weingüter ihre Preisfindung ab Hof handhaben, müssen sie die Betriebsleiter schon selber fragen. Es gibt natürlich grundlegende Parameter wie Produktions- und Vertriebskosten, Investitionen, Abschreibungen, Rücklagen, angestrebter Gewinn etc. Wer allerdings Weiner anbietet, die ausgesprochenen Fetisch-Charakter besesitzen, sei es durch den Adler oder zugkräftige Betriebspaten wie Güther Jauch, kann natürlich noch ganz anders zulangen. Ich habe am Mittelrhein schon kaum unterscheidbare Weine aus benachbarten Parzellen mit identischer Handneigung etc. getrunken, die – mit bzw. ohne Adler – elf bzw. sieben Euro kosteten.
Ansonsten bleibe ich dabei: Das Grundelement des Kapitalismus ist die so genannte Freie Marktwirtschaft. . Dass in den „moderneren“ Varianten dieser Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung noch andere wesentliche Paradigmen dazukommen, ist natürlich unbestritten
Sie wirken ja beleidigt, das wollte ich nicht.
Haben Sie denn den Betriebsleiter eines Gutes mal befragt?
Kann ich eigentlich nicht glauben, sonst würden Sie solche lustigen Sachen wie “ Es gibt natürlich grundlegende Parameter wie Produktions- und Vertriebskosten, Investitionen, Abschreibungen, Rücklagen, angestrebter Gewinn etc“ schreiben.
Die Weinpreisfindung läuft folgendermassen ab: Was kostet der Wein vom Nachbar? Ich denke meiner ist besser deshalb schlage ich 1 Euro drauf.
So läufts. Kein Gerücht.