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Etikettenschwindel Cru Bourgeois?

Cru Bourgeois in der Kiste. (Foto: Jacques PALUT/Fotolia)
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Für Captains Lotse Rainer Balcerowiak ist die Bezeichnung "Cru Bourgeois" eine ziemliche Mogelpackung, um einfache Weine teurer verkaufen zu können. Und wie immer gibt es Besseres fürs gleiche Geld.
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Rein theoretisch ist der Kapitalismus ja eine Wettbewerbsgesellschaft, in der die weise Hand des „Marktes“ dafür sorgt, dass die Wirtschaft funktioniert. Zu dieser eher esoterischen Weltanschauung gehört ferner, dass im Wettbewerb letztendlich jeder die gleichen Chancen hat, wenn er denn nur ein Produkt anbietet, für das es genügend Nachfrage gibt. Und auf diese Art und Weise würden sich auch die Preise, also der „Wert“ einer Ware regulieren.

Aber selbst einem makroökonomisch eher desinteressierten Weintrinker dürfte bereits aufgefallen sein, dass diese Art der Wertdefinition ein paar Pferdefüße hat. Denn was da mit allen möglichen Formen der Manipulation und gezielten Verblödung zu erstaunlichen Preisen an den weintrinkenden Bürger gebracht wird, erzeugt nicht selten Kopfschütteln oder gar Übelkeit.

Medoc-Langeweiler mit Wumms

Etikettenschwindel ist Trumpf: So wird die altehrwürdige französische Qualitätseinstufung „Cru Bourgeois“ für Weine aus dem Medoc immer noch benutzt, obwohl die Klassifikation 2007 annulliert wurde und somit derzeit keine verbindlichen Qualitätskriterien mehr existieren.

Die meisten Cru Bourgeois sind daher austauschbare Medoc-Langweiler mit meist hohem Merlot-Anteil, mehr oder weniger deutlichem Holz und oftmals nervigen Alkoholwerten von 14 Prozent und mehr. Wie z.B. der Château Grand Clapeau Olivier 2008. Ein renommierter Weinversender preist ihn als „äußerst wohlgeratenen Wein von einem hierzulande noch unbekannten Château“ an. Dieser dufte „appetitlich nach schwarzen Johannisbeeren und Kirschen, umflort von einer rauchigen Barriquenote. Dank seines hohen Merlot-Anteils hat er gut abgestimmte Tannine und ist schon jetzt schön zugänglich. Ein Preistipp – und ein Kandidat für unsere Kundenfavoriten!“

9,90 Euro soll der „umflorte“ Wein kosten. Und da es – hoffentlich – nicht genug Dumme gibt, die auf diesen Schwall reinfallen und sich somit der Absatz für diesen Preis nur begrenzt realisieren lassen wird, ist dieser „äußerst wohlgeratene Wein“ bei einer Berliner Supermarktkette für schlappe 6,99 Euro erhältlich. Für Importeure ist das eine durchaus übliche Mischkalkulation.

Stellt sich die Frage, ob er wenigstens dieses Geld wert ist? Der Grand Clapeau Olivier ist durchaus unfallfrei trinkbar. Vordergründige Erwartungen wie die Merlot-Kirsche und die Cabernet Sauvignon-Johannisbeere werden ebenso bedient wie die nach Eiche. Doch ein bisschen wirkt das wie aus dem Weinbaukasten, nach dem Motto: Wie bastel ich mir einen Medoc-Wein.

Wie gesagt: Lässt sich trinken, aber warum muss man so was „Cru Bourgeois“ nennen. Die Antwort liegt nahe: um ihn etwas höherpreisiger verkaufen zu können als andere einfache Medoc-Weine.

Versuchen wir’s also mit essen: schließlich soll dieser Wein gut zu Wildgerichten passen. Doch zur bei Niedrigtemperatur gegarten Rehkeule zerfällt er regelrecht in seine Bestandteile und verliert die letzte Andeutung einer Linie.

Hummel – Winzer des Jahres auf dem Schiff

So langsam wird es Zeit, einem Champion der gleichen Preisgewichtsklasse in den Ring zu stellen. Das mit dem Champion kann hier ruhig wörtlich genommen werden, denn nicht umsonst wurde Horst Hummel auf dem Schiff vor einigen Wochen zum Winzer des Jahres gekürt. Aktuell liefert er seinen Villányi Kékfrankos 2008 aus. Der kommt ausgesprochen, saftig, mineralisch und frisch daher.

Süß- und Sauerkirschen setzen sich nach vorne, umspielt von feiner Säure und gewürzt mit einem Schuss Pfeffer. Und für das Duett mit der Rehkeule ist er nahezu prädestiniert. Und jetzt kommt’s:

  • Kékfrankos Villányi 2008 vom Weingut Hummel kostet nur 7,50 Euro.
 

Datum: 23.2.2012 (Update 1.12.2014)
 

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