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Horst Hummel

Herr Hummel rührt um (Foto: Peter Klingler)
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Go East. Und ein Winzer des Monats. Captains Maat Peter Klingler über den schwäbischen Berliner Horst Hummel, der in Ungarn Wein macht, wie Wein zukünftig schmecken sollte. Authentisch bis zum Anschlag.
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In Schwaben, wo er herkommt, nennt man solche wie ihn „Neig’schmeckte“ – Zugezogene, die nie ganz ankommen. Auch weil es die Einheimischen nicht zulassen. In Villany, wo er gelandet ist, stimmt das nur bedingt. Für ihn nur bedingt. Für ihn, Horst Hummel.

Villány, im Süden Ungarns, nun schon etliche Male hier am Schiff erwähnt und jetzt ein vorerst letztes Mal im Zentrum der Go-East-Serie. Batthyány Straße 4, im Zentrum des Ortes und nur ein paar Schritte von den Kollegen Bock und Malatinszky entfernt. Hier verbringt Horst Hummel – gebürtiger Schwabe und Wahl-Berliner – inzwischen gut die Hälfte des Jahres.

Das, was er hauptberuflich macht, hat mit Reberziehung, Maischestandzeiten und der Wahl des richtigen Fasses nichts zu tun: Hummel ist Anwalt und Experte in Arbeits-, Presse- und Urheberrecht. Doch was seine eigenen Weine von ihm abverlangen, überspannt seit längerem den Status eines Hobbywinzers. Mindestens so lange ist Horst Hummel kein echter Fremdkörper mehr im so beschaulichen wie überschaubaren Villány. Er ist zu einem geschätzten Menschen und – was seine Weine anbelangt – zu einem immer noch verkannten oder unterschätzten Kollegen geworden.

Ungarische Trotzkopf-Weine

Womit wir dann auch schon beim Thema sind: der Stilistik der Hummel’schen Weine. Denn das Verkennen oder Unterschätzen hat viel damit zu tun, dass seine Weine anders sind, anders schmecken, anders verkauft werden, als die meisten Weine in Villány. Wer in sie reinschmeckt, der schmeckt nicht die klassische Stilistik der Region. Da ist nichts Fettes, nichts Alkoholisches, kein Übermaß an Holz. Es scheint, als wollten manche Weine einem in den ersten Lebensjahren gar nicht den Gefallen tun, gefällig zu sein. Schwäbische Trotzköpfe. Unverschämt fordern sie nach Zeit, Geduld und Zuwendung. Zeit zum Reifen, Zeit zum Lüften. Geduld zum Wahrnehmen, zum Darstellen ihres Selbst.

Der 2009er Portugieser aus der Lage „Jammerthal“ etwa. Kein gängiger Zeitgenosse. Vor allem gesetzt und zurückhaltend. Da will jemand nicht fett keltern, kann es auch nicht. Ein hin und her zwischen kühlem Holz und dunkelroter Kirschfrucht, mit dezenten, diplomatisch bescheiden einwirkenden Säuren – matt adstringierend. Das hat einfach gleich so viel mehr, als die üblichen kraft- und lieblos behandelten Vertreter dieser traditionellen Rebsorte.

Düngen sein lassen, Authentizität gewinnen

Herr Hummel, was ist ihre These? „Wer auf Qualität setzt, kann nur mit der Natur erfolgreich sein.“ Sprich: entscheidend ist vor allem, was im Weinberg passiert. Für Horst Hummel bedeutet das zwingend biologischen Weinbau. Das ist konsequent programmatisch zu verstehen. Und nicht als Trend-Diktat. Konkret und verkürzt heißt das: düngen sein lassen, Authentizität gewinnen. Die Rebpflanze soll gefälligst ihre naturgegebenen Stärken ausspielen und mit dem zurecht kommen, was ihr die Umgebung bietet. Der in Villány vorherrschende schwere Löss trägt ohnehin genug Wuchskraft in sich.

Der Beweis ist die kleine rote Cuvée „Loess“. Für wenig Geld bekommt man ein spannendes Stück Villány, wenig verstellt und nicht verfälscht. Viel Kékfrankos (Blaufränkisch bzw. Lemberger) und ordentlich Portugieser. Mit schöner, saftiger Kirschfrucht und Würze. Etwas Cabernet Sauvignon bringt noch Struktur. Ein eigenständiges Charakterköpfchen.

Herr Hummel, eine zweite These bitte. „Guter Wein macht sich selbst.“ Damit meint Hummel nicht, dass Wein erzeugen ein Selbstläufer ist, er verlagert seine Verweigerung eines beeinflussenden Eingreifens in den Keller. Bloß keine Reinzuchthefen, sondern spontane Vergärung in offenen Gärtanks. Dann harrt alles noch zwei bis vier Wochen zur Mazeration auf der Maische aus. Finalisierend folgt bei den Rotweinen der Ausbau in gebrauchten Barriques, teils aus Burgund. Horst Hummels Liebe für Burgunder spiegelt sich nicht nur in so manch eingesetztem Gebinde wider, sie zeigt sich auch in seinem Bemühen, eine burgundische Stilistik in seinen Weinen abzubilden.

Ein Spatz pfeift burgundisch

Der selektierte Kékfrankos „Spatz“ 2009 aus der Lage Veréb kommt dem burgundischen Stil sehr nahe. In der Nase eine Granatapfel-Blutorangenmischung, Spuren halbgetrockneter Kräuter und dezenter Graphit-Töne. Im Mund sofort präsent, eine weiche, saftig rote, klare, fast transparente Frucht. Nicht aber Fruchtigkeit. Deswegen auch fest und souverän in der Struktur. Und eben nicht verspielt oder oberflächlich. Etwas herbes, metallisches ist da noch, gut adstringierend, mit Mandeln im Abgang. Ein schöner, eigenständiger Blaufränkisch mit Potential.

Herr Hummel, eine dritte These bitte. „Das Terroir Villánys zulassen.“ Für Horst Hummel bedeutet das ein spannendes Spiel mit Gegensätzen. Ein Spiel mit teils extremen kontinentalem Klima und gemäßigt mediterranen Einflüssen. Heiße Hochsommertage und fast ebenso heiße Nächte kontern kalten Lössböden. Doch schon die ersten Spätsommernächte im September wirken mit ihrer frühen, harschen Kälte wieder als Antipoden. Das Spiel lässt sich durch den entsprechenden Rebsortenmix verlängern. So finden sich in Hummels Portfolio neben den „warmen“ internationalen Sorten wie etwa Cabernet oder einfachen Merlot folgerichtig auch die „kühlen“, blauen Sorten.

Andere Wege

Der „Neig’schmeckte“ geht andere Wege. Sein Konzept steht. Die herbe Widerständigkeit und bisweilen aufscheinende Unruhe mancher seiner Weine – exemplarisch sei hier der einfache Portugieser aus 2008 zu nennen – überzeugt vielleicht nicht jeden. Muss er ja auch nicht. Der Faktor Zeit spielt für seine Weine eine große Rolle. Für Horst Hummel offensichtlich auch. Denn was er macht, macht er von Jahr zu Jahr besser.

Und damit tut er nicht nur manchem Gaumen Gutes. Er trägt seinen kleinen, jedoch nicht zu unterschätzenden Teil zu einem neuen, anderen Villány bei. Über den Umweg seiner Berliner Anwaltstätigkeit. Wann führen auch schon die kürzesten, geraden Wege zum Ziel?

 

Datum: 23.5.2011 (Update 1.9.2014)
 

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