Weine im Flugzeug – das ist ein schwieriges Thema. Jahrelang ließ ich die Finger von allen Bordweinen. Sie haben mir nie richtig gut geschmeckt. Irgendwann lernte ich, warum. Schuld ist das Tomatensaft-Phänomen. 1.7 Millionen Liter schenkt die Lufthansa jedes Jahr davon aus. Menschen, die am Boden monatelang keinen Tomatensaft anrühren, schütten sich den im Flugzeug becherweise rein. Weil er im Flieger phantastisch fruchtig schmeckt. Ganz anders, als am Boden. Dort wirkt er meistens muffig wie Pappkarton. Merkwürdig. Was macht das Zeug in der Luft so köstlich?
Daran sind die geringe Luftfeuchtigkeit und der Kabinendruck schuld. Beides betäubt unsere Geschmacksempfindungen. Deshalb wird nachgeholfen. Ein völlig überwürzter Tomatensaft schmeckt in der Luft einfach herrlich frisch. Aus demselben Grund sind alle Speisen im Flugzeug dermaßen stark gewürzt, dass sie bei Tests am Boden fast schon ungenießbar sind.
Der Sommelier Andrea Robinson wählt seit 2008 für die Fluglinie Delta Airlines die Weine aus und erklärte das Phänomen in der New York Times so: In der Flugkabine gehen subtile Noten verloren.
Konsequenz für die Luftfahrt-Sommeliers: Es werden Weine ausgewählt, die ein ganz klares Geschmacksprofil haben und zum Beispiel sehr fruchtig wirken. Ein mineralisch-feingliedriger Moselriesling hätte nämlich in 10.000 Metern Flughöhe keine Chance. Da bliebe nur noch scharfe Säure im Mund übrig. Bei Rotwein schaut man übrigens, dass ordentlich Tannine drin sind, weil das in der Höhe gut ankommt.
Das führt mich direkt zu einem interessanten Wein, der 1994 vom sehr marketingbewussten Winzer, Weinsammler und Gourmetkritiker Armin Diel extra für die Business Class von Lufthansa kreiert wurde und auch am Boden außerordentlich schön schmeckt. Es handelt sich um die weiße Cuvée Diel de Diel vom Schlossgut Diel aus den Rebsorten Grauburgunder, Weißburgunder und Riesling, die mit Naturhefen vergoren und in Teilen jeweils im Holzfass und im Stahltank reiften, um optimale Balance zu erzielen. Das Weingut liegt in Rümmelsheim im Weinbaugebiet Nahe im Bundesland Rheinland-Pfalz. Im Glas recht hell und betörenden Duft nach weißen Blüten verströmend, dann Holunder und Honigmelone. Das macht richtig Lust auf den ersten Schluck. Und der gefällt mit viel Melone im Vordergrund. Es folgen Quittengelée und eine Spur Ananas. Die belebende Säure macht den Wein sehr klar und wunderbar erfrischend. Dieser Wein ist aromenstark und zupackend. Genau so muss es sein, wenn man Wein für die Flugzeugkabine entwickelt, weil unter den veränderten Druckbedingungen alles stärker ausgeprägt sein soll, damit Geruchs- und Geschmackssinn etwas wahrnehmen.
Wenn ein Wein für eine so große Kundengruppe wie die Business-Class-Passagiere der Lufthansa gemacht wird, dann muss er den Geschmack vieler Menschen treffen. Oft geraten solche Weine etwas gefällig. Und aus besagten Gründen (trockene Luft, Kabinendruck) eindimensional. Nicht so dieser Wein.