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Antonio Rallo: der DOCe von Sizilien

Der Chef in seinem Keller.
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Antonio Rallo ist Chef der sizilianischen Qualitäswinzer und ein Weinbau-Manager von modernem Zuschnitt: leise, zugewandt, strategisch. Dem Captain erklärt er, wie er seine Insel ganz nach vorne bringt.
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[Dieses Interview erschien im Januar 2020] Im Wettrennen der großen italienischen Anbaugebiete liegt Sizilien noch im Mittelfeld, befindet sich allerdings im Vollsprint. Das ist Winzer Antonio Rallo und einer Handvoll Kollegen zu verdanken.

2011 gründeten sie das Consorzio Vini Sicilia DOC und legten los. Heute gehören rund 7.500 Winzer auf der Insel und vorgelagerten Eilanden zu dieser Schutzgemeinschaft, die 2019 rund 80 Mio. Flaschen füllte und in alle Welt verschickte. Auch nach Deutschland, das als wichtiger Abnehmer gilt. Laut einer Datenerhebung wuchs der Anteil von Sizilien-Käufern unter deutschen Italien-Trinkern von 3% auf 15% und liegt nun auf Augenhöhe mit Prosecco. Bald will man zum Chianti aufschließen.

DOC-Präsident Rallo ist der analytische Typ, das spürt man schnell. Ihm und seiner Schwester José gehört die Weingutsgruppe Donnafugata mit 5 Standorten im Anbaugebiet Sizilien. Für die Zeitung Corriere della Sera hat man mal die Bilanzen der wichtigsten Weingüter des Landes analysiert und festgestellt, dass Donnafugata zu den profitabelsten Betrieben zählt. Der Captain traf Rallo in Catania und fuhr mit ihm rauf zum Ätna, wo die Rallos ihre jüngste Kellerei betreiben. Wichtigster Satz im Gespräch: Es ist viel schwieriger guten Wein zu verkaufen als guten Wein zu machen.

Antonio Rallo ist ein scharfer Denker und kontrollierter Sprecher. Emotionen leitet er mit Ironie ab. Warum hat es so lange gedauert, bis ihr endlich eine eigene DOC hattet? Wir Sizilianer schlafen gerne und viel. Besonders, wenn die Sonne scheint. Und die scheint hier übers ganze Jahr. Mein Vater Giacomo, Diego Planeta und Lucio Tasca d’Almerita starteten das DOC-Projekt. Vorher hat sich keiner darum gekümmert. Die Energie dieser Männer war der Treiber. Es war für sie ein Abenteuer. Heute repräsentieren wir eine großen Teil der Weinwelt Siziliens: 7.500 Weinbauern, die 80 Mio. Flaschen füllen. Bald packen wir die 100 Millionen. Besonders die Rebsorte Grillo boomt. Aber wir promoten nicht nur Weine, sondern fördern auch die wissenschaftliche Forschung nach neuen Rebsorten und Klonen, um immer bessere Weine zu produzieren. Sizilien ist eine der ältesten Weinregionen der Welt. Wir blicken auf 3.000 Jahre Weingeschichte zurück und verfügen über 3.000 Sorten.

Wie das aussieht, wenn die Winzer des Consorzio Vini Sicilia DOC über 100 Weinjournalisten aus aller Herren Länder zur Profi-Verkostung einladen, hat der Captain im Frühjahr 2019 mit seinem Handy gefilmt. Und danach mitprobiert:

Sizilien war mal eine einzige riesige Weinfabrik, die billigen Industriewein in den Norden pumpte. Das tut sie bis heute. Doch daneben hat sich ein zweites Sizilien etabliert. Eine Insel für Weinfreunde, die nach Abwechslung suchen. Und das ist hauptsächlich drei Familien zu verdanken: den Rallos, den Grafen Tasca d’Almerita (Regaleali) und den Planetas.

Sie gaben in den 1980er-Jahren den Startschuss für das andere Sizilien. Planeta lockte mit Premiumweinen aus Syrah, Chardonnay und Merlot internationale Aufmerksamkeit auf die Insel. Die Rallos holten Anfang der 1990er-Jahre den magischen Weinberater Giacomo Tacis (Vater der Supertoskaner Sassicaia, Solaia, Tignanello usw.) zu Donnafugata, um mit der Sorte Nero d’Avola einen Supersizilianer zu kreieren: Mille e Una Notte, ein Verschnitt aus Nero d’Avola und ein bisschen Perricone, eine sizilianische Urtraube.

Es blieb ihm gar nichts anderes übrig, als Kraut und Rüben gemeinsam auszubauen, denn die älteren Nero d’Avola-Pflanzungen von Donnafugata wurden im gemischten Satz angebaut. Das war damals auf Sizilien so üblich. Heute hat der Mille eine andere Zusammensetzung, enthält unter anderem Syrah und Petit Verdot und kostet 45 Euro. Tiefdunkel im Glas. Das Unternehmen hält sich bedeckt, wie die exakte Rebsortenverteilung aussieht. Sicher sind: Nero d’Avola, Petit Verdot, Syrah. Der Rest bleibt Geheimnis. Ich wittere frisch gemahlenen Kaffee, Zwetschgenkompott, Sauerkirsche, durchgekneteten Hefeteig, Räucherspeck. Im Mund sehr erdige Noten und Pflaumensaft, Kirschwasser, lauwarmer Mokka, Dattel, Schokolade mit 60% Kakaoanteil, Blutorange, ein Hauch Minze, Graubrotrinde. Die Säure ist dezent, die Tannine noch etwas straff. Dieser Wein atmet die Hitze Siziliens. Er ist wie ein starkes Pferd, das noch nicht eingeritten ist. Gut für Schmorgerichte oder Wildfleisch. Unbedingt karaffieren oder ein paar Jahre weglegen.

Die Fusion aus internationalen und autochthonen Sorten verbindet das Vertraute mit dem Exotischen und dürfte die perfekte Treibstoffmischung für den Weinboom Siziliens sein. Ja, Sizilien ist drauf und dran zur wine brand zu werden. In Südtirol versucht man Ähnliches.

Wie läuft sizilianischer Wein in Deutschland? Deutschland ist sehr auf bekannte Namen fixiert. Die Leute kennen und trinken Barolo, oder sie trinken billig. Deutschland ist kein einfacher Markt, aber Sizilien verkauft sich gut. Unsere beste Karte ist der Name. Den kennt jeder. Welches Weingebiet in Italien hat diesen Vorteil? Höchstens Toskana, dann ist Schluss. Dass viele von euch bei uns Urlaub machen, hilft natürlich auch. Unsere Marktforschung in Deutschland zeigt, dass die Wahrnehmung der Qualität sizilianischer Weine immer besser wird. Auch bei den weißen Sorten, obwohl eure Weißweine eine harte Konkurrenz sind.

Man sagt, Sizilien könne als eigener Weinkontinent betrachtet werden. Es gibt einen aktiven Vulkan mit über 3.300 Metern Höhe, auf dem im Sommer Schnee liegt und eine Insel auf selber Höhe mit Tunis. Hochgebirge und Tropen und eine Bandbreite von Böden, die seinesgleichen sucht.

Auf welche Weise betrifft euch der Klimawandel? Davon spüren wir nicht viel. Der Sommer 2014 war der kälteste in 50 Jahren. Wir können nicht sagen, dass die Erderwärmung in Sizilien angekommen ist. Vielleicht haben wir Glück durch die Lage im Mittelmeer.

Das Anbaugebiet Ätna wirkt auf das Image des sizilianischen Weins wie eine Dosis Adrenalin. Was wärt ihr ohne den rauchenden Berg? Ja, der Ätna ist einzigartig. Die Weinberge, die Höhe, die vulkanischen Böden, die Mikroklimata. Weißweine, die ewig halten, Frische. Aber vergessen Sie unsere Nero d’Avola aus Westsizilien und aus Noto nicht. Da gibt es großartige Beispiele.

Wein vom Ätna, das ist ganz neu und hilft enorm. Die internationale Weincrowd fährt voll auf die komplexen und mineralischen Vulkanweine ab und endlich lohnen sich die hohen Kosten für Landschaftspflege und manuelles Arbeiten. Unternehmer kaufen Parzellen zusammen und starten Weinprojekte. Aus Kalifornien, Spanien etc. Nur Chinesen hat man am Berg noch keinen gesehen, ist wohl nur eine Frage der Zeit. Deutsche? Der Captain kennt keinen. Der reiche Pharma-Unternehmer Giuseppe Benanti aus Catania war der erste, der investierte, wo über Jahrzehnte nur ein Grüppchen einheimischer Kleinbetriebe durchgehalten haben. Benantis Zusammenarbeit mit Weinberater Salvo Foti war der Startschuss für die großen Weine vom Ätna. Heute kommt man mit dem Verkosten von Spitzentropfen gar nicht mehr nach. Ihre besondere Story und Stilistik entsprechen voll und ganz dem Hype von cool climate. Mit heller Farbe, wenig Alkohol, salziger Mineralik, straffer Säure, ihrer Kühle und Aromatik, die zwischen Nebbiolo und Pinot Noir angesiedelt ist, passen die Roten vom Ätna perfekt zum Geschmack der Zeit. Und die Weißen, hauptsächlich aus Carricante gekeltert, erinnern mit burgundischer Straffheit, Rauchigkeit und bisweilen langem Hefelager an die superhippen Weine aus dem Jura. Strellvertretend für die mächtig angesagten Winzer am Ätna sei der Belgier Frank Cornelissen genannt, der sich im Jahr 2000 gerade noch rechtzeitig 14 Hektar Rebfläche sicherte, bevor die Landpreise in die Höhe schossen. Franks Rotwein Magma aus der Sorte Nerello Mascalese kostet 220 Euro. Der Captain hat vor Kurzem verkostet und wird berichten.

Letzte Frage an Rallo: Wieviel Mafia steckt im sizilianischen Wein? Das Weingeschäft ist kleinteilig und es erfordert langfristiges Denken und Handeln. Es ist einfach nicht interessant für die Mafia. Aber ja, wir haben dieses Problem. Es liegt an uns als Gesellschaft die Mafia zu bekämpfen. Wir haben die Antikörper, aber wir müssen sie aktivieren.

 

Datum: 1.1.2020 (Update 2.11.2021)
 

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