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Daniel Wunderkind Twardowski

Daniel Twardowski, fotografiert von Chris Marmann.
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Der junge Quereinsteiger-Winzer Daniel Twardowski eilt mit seinem Moselprojekt Pinot Noix von einem Triumph zum nächsten. Wie macht er das?
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Neumagen-Dhron Mitte Februar 2019. Der Captain kraxelt mit einem alten Bekannten in der Steillage herum und stellt indiskrete Fragen. Wie viel Geld hast du schon verballert? Ist deine Ex sauer, weil sie nicht mehr mit dir Wein machen darf? Wie kamst Du an die Pinot-Pfropfen von Romanée-Conti?

Völlig unerwartet erhält der Captain Antworten:

  1. Rund 500.000 Euro.
  2. Ja.
  3. Ich bin dort rumspaziert und habe die Arbeiter gefragt, ob ich was von den Schnittabfällen mitnehmen darf.

So ist Daniel Twardowski. Wirkt ein bisschen tapsig und entwaffnend ehrlich wie ein großes Kind. Doch der Eindruck täuscht. Ich habe im Weinbau selten einen so schlauen, nachdenklichen und kühn kalkulierenden Menschen getroffen. Aber ich bin ja auch noch nicht alle durch.

Die mächtigsten Weinkritiker loben Daniels Pinot Noix Ardoise. Noix heißt Nuss. Ardoise heißt Schiefer. Der seltsame Name kommt von den Walnüssen, die kluge Raben über dem von Schiefer durchsetzten Dhroner Hofberg abwerfen, bis die Schalen zerbrechen und im Weinberg rumliegen.

  1. James Suckling: „Twardowski zählt zur obersten Liga deutscher Pinot-Produzenten.“
  2. Jancis Robinson: „Daniel Twardowski macht einen meiner Lieblingsweine.“
  3. Giuseppe Carrus (Herausgeber Gambero Rosso): „Das ist der beste deutsche Rotwein, den ich getrunken habe.“

Twardowski fing 2006 auf einem Steilhang über dem Flüsschen Dhron an, wo ihm karge Schieferböden und kühles Klima zuarbeiten. Ein paar Nusswürfe weiter mündet die Dhron in die Mosel. Damals pflanzte Twardowski auf 3,3 Hektar französische Klone in die schiefe Ebene, die vom Eisenoxid rötlich schimmert. Der verleiht dem Wein seine typische weiche Salzigkeit. Nach einem Jahr musste alles wieder ausgerupft werden. Die Reben kamen mit dem Klima nicht zurecht und verreckten. Alles nochmal von vorne. Man kann das in dem einen oder anderen Artikelchen, das bereits erschienen ist, nachlesen.

Manchmal interessiert sich der Captain aber für die Geschichte hinter der Geschichte. Was für einer ist dieser Daniel Twardowski, der dann am Abend in seinem Wohnzimmer steht und glucksend eine edle Flasche nach der anderen aufmacht und sich am Staunen seiner Gäste ergötzt?

1983 Scharzhofberg Spätlese von Egon Müller, 2015 Meursault von Coche-Dury, 1970 Château Lafleur, 1970 Mouton-Rothschild, 1985 Château Margaux, 2001 Romanée-Conti Romanée-St. Vivant, 1980 Château Yquem, 1863 Niepoort Vintage Port, den Weingenie Dirk Niepoort mitbringt, bevor er an der Tafel Platz nimmt. Diese Weinliste ist bei weitem nicht vollständig.

Aus der Küche schickt Ex-Schwiegervater und Gourmetkoch Josef Viehhauser Gang für Gang herüber. Da will einer ganz befreit seinen Erfolg teilen und fährt das Beste auf, das er hat.

Der Wein wurde Daniel nicht in die Wiege gelegt. Dafür andere Eigenschaften, die zum Wein führten: Beharrlichkeit, Mut, die Fähigkeit zu kalkulieren und ein spezielles Näschen für gute Geschäfte.

Daniel wächst als Sohn selbstständiger Eltern auf. Kleiner Mittelstand. Ein Milieu, das über keine Lobby verfügt, jedoch qua Abgabenlast jenen Wohlstand schaffte, den das Kartell der Steuergeldsäufer (Begriff geklaut) gerade so unbeschwert verprasst. Die Mutter betrieb ein kleines Hotel mit Café. Der Vater war zuerst Kapitän, danach dealte er mit Gebrauchtwagen, Teppichen, Handys. Daniel: „Als Student vertickte ich auf Flohmärkten den Kram meiner Freunde und kassierte gute Provisionen. Das finanzierte meine Weinleidenschaft.“

Daniel sammelt heute noch Pfandflaschen auf, wo er welche findet. Nach dem BWL-Studium kam ein Angebot von Lidl nach Polen zu gehen. Daniel lehnt ab und macht sich als Weinhändler in der Nische selbstständig. Er begann mit Top-Raritäten zu handeln. Das macht er bis heute aus seinem Kellerbüro in Trier. Die Weinschätze lagern im Tresor einer aufgelassenen Bank. Absolut einbruchssicher. Eine Flasche kostet im Durchschnitt 400 Euro. Coche-Dury und Romanée-Conti liegen da auch. Twardowski spürt Weinsammlungen aus Nachlässen auf, verhandelt gut und bietet die Ware eingefleischten Weinfreunden über seinen E-Mail-Verteiler an. Er weiß, welche Flaschen seine Stammkunden lieben.

Von diesem Geschäft lässt es sich gut leben. Oder etwas anderes machen. Zum Beispiel den Traum vom eigenen Wein verwirklichen. Rund 500.000 Euro flossen seit 2006 in das Pinot-Noix-Projekt. Das Jahr 2019 könnte zum ersten Mal gewinnbringend enden.

Steht man in der Baracke, die Twardowski Weingut nennt, versteht man, wo das Wunderkind Prioritäten setzt. Ein hässlicher Zweckbau aus den 1960er-Jahren ist der Ort, aus dem der wahrscheinlich beste Rotwein Deutschlands kommt. Es ist das Haus des aufgegebenen Weinguts Ferdinand Krebs. Neben der Eingangstür stehen Mülltonnen.

Twardowski, der seinen Aufstieg zum Ausnahmewinzer bis ins Detail durchplante, verzichtet auf alles, das nicht unmittelbar auf die Qualität seines Weins Einfluss nimmt. Eine schöne Gebäudefassade gehört jedenfalls nicht dazu. Twardowski konzentriert sich auf das Wesentliche. Empfangsbereich? Verkostungsraum? Weinarchiv? Alles nö. Aber dafür Kellertechnik, Fässer und Korken vom Feinsten.

Zitat Daniel Twardowski: „Ich wollte einmal im Leben die Nummer Eins sein.“ In meinem Podcast erzählt Mr. Pinot Noix, wie er seine erstaunliche Winzerkarriere plante, was danebenging und welchen Rat er anderen Winzern gibt:

„Ich will einen deutschen Spitzenwein machen, keinen Burgunder von der Mosel.“ Wer so etwas sagt, muss sich seiner Sache sicher sein. Woher hat Daniel sein Rüstzeug? Twardowski absolvierte keine Ausbildung zum Winzer. Auf irgendeiner Uni studierte er eine zeitlang Weinwirtschaft. Ich vergaß zu fragen, welche das war. Hat mich nicht interessiert.

Ist das der Grund, warum die wichtigsten Weinmedien Deutschlands, die auf Papier erscheinen, noch keinen Artikel über Twardowski brachten? Darf so einer überhaupt Karriere machen? Wahrscheinlich katapultierte sich Twardowski aus dem Fokus der Weinschreiber, als er die Unverfrorenheit besaß, gleich beim ersten Jahrgang 70 Euro aufzurufen. Teurer Wein, den keiner kennt – das wirkt verdächtig. Im angstvollen Bedürfnis, sich der vermeintlich biederen Gefühlswelt ihrer Leser anzupassen, feiern die Chefredakteure lieber die bekannten Figuren ab. Immer und immer wieder. Das Phänomen ist aus den Talkshows bekannt und hinterlässt ein Gefühl unendlicher Ödnis.

Der Captain schrieb 2016, als es richtig losging:

Guten Tag, ich bin der Neue mit dem 70 Euro-Wein

Twardowski schaute den Großen über die Schulter. Das war seine Weinbaulehre. Zum Beispiel bei Burgunder-Gigant Pascal Marchand. Sicherlich erleichtert der Handel mit Weinraritäten die Kontaktaufnahme mit den Wichtigen der Branche und öffnet Tür und Weingutstor. Ex-Freundin Yquem Viehhauser, Mutter der gemeinsamen Kinder und Kellermeisterin bei Bernhard Huber in Baden, begleitete An- und Ausbau der Jahrgänge 2011 bis 2014. Dann trennte sich das Paar. Der legendäre Weingroßhändler Carlo Wolf (verstarb 2017) förderte Twardowski. Wolf war sein erster Kunde und sorgte dafür, dass der Pinot Noix in hochkarätigen Blindverkostungen landete, wo er Begeisterung auslöste. Wolf war zudem Twardowskis Mentor bei Ausbau und Marketing. Wolf nahm kein Geld von Twardowski und genoss seine Rolle als Geburtshelfer eines großen Weins. Es war sein letztes Projekt. Seine einzige Bedingung war, dass sich der Zögling bedingungslos und ohne Rücksicht auf Verluste einem gnadenlosen Qualitätsdiktat unterwirft. Und nur die allerbeste und sündhaft teure Kellertechnik kam dafür infrage. Daniel ging in seinen Banktresor und opferte eine Kiste Henri Jayer Richebourg und eine Kiste La Tâche von Romanée-Conti, um Geräte und Fässer zu bezahlen.

Die weiteren Förderer und Ratgeber des Pinot Noix-Projekts heißen: Francois Xavier Gaboriaud (önologischer Berater), Julian Haart (Winzertalent aus dem Nachbardorf) und Superwinzer Klaus Peter Keller aus Rheinhessen.

Twardowskis önlogische Vision ist der denkbar kühlste, mineralischste und leichteste Rotwein, der ein deutsches Weingut verlässt. Kein Konzentrat. Nicht die Spur von Süße. Es klingt zwar etwas weit hergeholt, aber er dockt damit an die großen Weine aus dem Faugères an.

In den letzten drei Jahren drückte Twardowski den Alkohol des Pinot Noix von 13,5 auf 12,5 Volumenprozent herunter. Eric Rousseau, Kellermeister der Domaine Armand Rousseau und Sohn von Burgunderlegende Charles Rousseau zeigte sich entzückt von der Leichtigkeit des Pinot Noix.

Ich war in Stilhang und Keller von Daniel Twardowski und ließ mir vom Wunderkind der Mosel die Geheimnisse seines Pinot Noix Ardois erläutern und die kleinen und größeren Tricks erklären, die seinen Wein zu dem machen, was er ist. Eines dieser Geheimnisse ist Genmaterial vornehmster Herkunft, das Daniel von Romanée-Conti an die Mosel holte.

Schaut euch mein Filmchen an, dann wisst ihr, was einen guten Winzer von einem sehr guten Winzer unterscheidet.

Wer Daniels Wein in den Mund nimmt und fühlt, spürt Staub und Dreck in elegantester Ausprägung. Keine Spur von Wohlfühlnoten, wie man sie von manch Spitzengewächsen kennt, die den ungeübten Trinker bei der Hand nehmen und ihn unfallfrei bis zum letzten Schluck begleiten. Ich nenne solche Tropfen Vollkaskowein. Der Pinot Noix ist keiner. Man steht mutterseelenallein vor dieser noblen Kargheit und sagt einfach nur: Wow! Daniel Twardowski: „Ich will den Trinkfluss und Zug eines großen Rieslings.“

Maximal 8.500 Flaschen füllt Twardowski ab. Mehr schafft er nicht als One-Man-Show. Zitat: „Ich wollte einmal im Leben die Nummer Eins sein.“ Daniel ist angekommen. Oder nicht?

Schon steht das nächste Projekt vor der Vollendung. Ein zweiter Wein, ebenfalls Pinot Noir, jedoch auf bis zu 70 Jahre alte Rieslingstöcke gepfropft. Der Name: Pinot Noix Hofberg Alte Reben. Ein Wagnis, denn noch ist nicht klar, ob das Experiment am Ende glückt. Es sieht jedenfalls ganz danach aus. Der erste Jahrgang ist schon im Fass und kommt 2020 auf den Markt. Der Captain durfte probieren und staunte über die straffe Säure, die Daniels Pinot einen Extra-Kick verpasst. Das schmeckt wirklich nach nichts, was man bisher kannte. Neuland auf der Zunge. Daniel Twardowski: „Ich habe eine fixe Idee vom besten Spätburgunder Deutschlands.“

 

Datum: 23.5.2019
 

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