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Papa, ich mach jetzt mein Ding

Cecilia und Toni Jost. Foto von Christian Schiller
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Der Captain trank einen göttlichen Spätburgunder vom Mittelrhein. Es war der rote Spitzenwein von Cecilia Jost, ihr Meisterwerk. Es war nicht leicht, alles darüber herauszufinden.
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Wenn man sich die offiziellen Pressefotos von Winzerin Cecilia Jost anschaut, möchte man fast Mitleid fühlen.

Etwas gequält lächelt die Tochter von Mittelrhein-Star Peter Jost in gestellter Pose für die Linse des Fotografen. Ich glaube auch, dass ihr die knallfarbigen Klamotten, die sie dabei trägt, gar nicht behagen.

Da schwatzte ich lieber dem Wissenschaftler und begeisterten Weinblogger Dr. Christian Schiller einen Schnappschuss ab, der eine völlig in sich ruhende Cecilia mit ihrem Vater zeigt. Das Bild gefällt mir richtig gut. Schillers Frau Annette bietet unter dem Label „ombiasy WineTours“ geführte Kellereibesuche an. Die machen offenbar sehr gute Laune.

Das Weingut Toni Jost liegt im höchst beschaulichen Städtchen Bacharach. Rheinromantik total.

Jost gilt als die führende Adresse für Topweine aus der Region Mittelrhein, die immer noch mit einem durchwachsenen Image zu kämpfen hat. Dabei tut sich einiges zwischen Bonn und Bingen, das dem Captain nicht verborgen bleibt.

Alles klar am Mittelrhein

Aber diese Geschichte handelt nicht von einem Newcomer, sondern von der Tochter des Platzhirschen am Mittelrhein. Eigentlich handelt sie nur vom Wein der Tochter des Platzhirschen, einem Spätburgunder aus der Lage Im Hahn. So heißt das 6 Hektar große Filetstück des Weinguts Toni Jost. Es befindet sich im Alleinbesitz der Familie. Von diesem Schieferhang kommen noble Rieslinge, die in punkto Würze und Mineralität ganz vorne mitspielen.

Mit ihnen will ich mich jedoch (noch) nicht beschäftigen. Das geschieht ein anderes Mal. Sondern mit dem Ehrfurcht gebietenden roten Solitär von Cecilia, die seit 2009 als Nachfolgerin ihres immer noch vitalen Vaters Peter das Regiment im Jost-Keller anführt.

Irgendwo las ich eine euphorische Notiz über diesen Spätburgunder und bestellte ihn sogleich. Es ist der erste große Wein der Tochter eines selbstbewussten Winzers. Die ödipale Botschaft war einfach zu verlockend. Ist dies der finale Stich ins Herz des übermächtigen Vaters? Wenn man ständig auf der Suche nach Themen ist, schießt einem so etwas durch den Kopf. Und man verrennt sich gelegentlich dabei. Da stand er nun, mein Ödipuswein, und harrte der Verkostung.

Ich hatte Glück, denn nur wenige Flaschen davon werden abgefüllt. Seit 2013 jährlich 1.000 an der Zahl, sagt Cecilia Jost. Oder der Wein hatte Glück, dass er bei mir gelandet ist (ein bisschen Größenwahn ist schon erlaubt), denn Cecilia wunderte sich sehr, wie ich auf diesen Tropfen kam: Eigentlich sind wir für Riesling bekannt.

Gourmets lieben den roten Hahn. In Helsinki, Honkong, Hamburg und anderen Städten steht er in den feinsten Lokalen auf der Karte. Und jetzt bei mir am Tisch. Aber nichts war über diesen Wein in den geschwätzigen Weiten des Internetz zu finden. Einzelheiten lässt die Schöpferin nur nach hartnäckigem Nachfragen raus.

Gell Frau Jost, Marketing ist nicht ihr Ding…? Ich habe Bock drauf, geile Weine zu machen und das Loben den anderen zu überlassen.

Alles klar. Violettrot und etwas trüb lümmelt der Hahn in meinem Glas herum. Was ist die Idee hinter diesem Wein, wollten sie etwas schaffen, das Aufsehen erregt, Ihr Können zeigt, waren Sie einfach neugierig, ob sie so einen Wein hinbekommen? Die erste Idee war etwas zu schaffen, was mein Vater nicht gemacht hat und damit zu zeigen, was ich kann und was am Mittelrhein möglich ist. Natürlich möchte ich sehen, wie weit ich meine Reben und meinen Wein bringen kann und was alles möglich ist.

Ich rieche hinein. In der Nase enorm dichte Noten von Pflaumenkompott, Mandelsplittern, Tomatenblättern, etwas Anis. Im Mund eine druckvolle und hochmineralische Wucht. Frucht, Tannine und Säure sind perfekt austariert. Dieser Wein hat die Statik eines gotischen Kirchturms. Ich spüre Sauerkirsche und weißen Pfeffer, kalkige Trockenheit, einen Hauch Eselsalami aus den Abruzzen, grüne Currypaste und rätselhafte Wärme. Ja, das ist ganz großes Pinot-Kino! Im fruchtigen Abgang nochmal viel Frische.

Möchten Sie für mich die Stilistik begründen? Eine Stilistik im Sinne eines Masterplanes liegt dem Ganzen nicht zugrunde. Ich versuche mit der Säure des Spätburgunders die Weine so elegant und fein zu halten wie möglich. Alles weitere ergibt sich in den kommenden 40 Jahren.

Nach Cecilias Studium und den obligatorischen Lehr- und Wanderjahren, die in die Weingüter Bercher, Burkheim, Wöhrle, Lahr, F.X. Pichler (Wachau) und Sherwood Estate (Waipara, Neuseeland) führten, stellte sich nach der Rückkehr die Frage, was zu Hause geschehen soll. Schnell kam die Erkenntnis, dass das, was der Vater gemacht hat, gar nicht so schlecht war.

Peter und seine Tochter verständigten sich darauf, dass sie beim Stil der Weißweine (80% Riesling, 5% Weißburgunder) sehr behutsam vorgehen und jedes Jahr nur ganz kleine Änderungen vornehmen wollten, sodass die Kunden am besten nichts merkten. Nach 8 Jahren hat sich dennoch viel getan: Immer mehr Riesling wird im Holzfass ausgebaut, ohne nach Holz zu schmecken, der Säurestruktur und den Schiefernoten wurde mehr Raum gewährt.

Bei den Spätburgundern jedoch war alles anders. Hier durfte Cecilia sich ihre Spielwiese abstecken und uneingeschränkt walten. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Durch die Erfahrung in Baden und Neuseeland kam sie mit anderen Methoden der Weinbereitung in Berührung, die sie reizten. Längere Mazerationszeiten, offene Maischegärung, neue Fasshölzer und Toastings. Und im Weinberg noch mehr Konzentration bei der Ertragsregulierung, Laubarbeit und Aussortierung bei der Lese.

Die Idee beim roten Hahn war, ein wirklich großes Gewächs zu erschaffen. Von einem halben Hektar Rebstöcken, die der Vater vor 30 Jahren pflanzte. Das ist fürwahr gelungen. Also kein Vatermord. Der alte König Laios sitzt in Theben und schlürft gemütlich Riesling, sorry: Retsina. Derweil die Tochter im Wingert an den Blättern zupft. Das nennt man Generationenvertrag.

 

Datum: 8.7.2019
 

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