Vor wenigen Tagen erzählte ich dir in meinem → Newsletter die Geschichte des wütenden Weinfälscher-Jägers Laurent Ponsot, der 2017 seiner Sippschaft den Familienbetrieb vor die Füße warf und mit dem jüngsten Sohn ein neues Weinhaus gründete, das genauso heißt wie er selbst.
In jenem Beitrag ging es um Pinot Noir. In diesem geht es um Chardonnay, der aus einer kleinen Rotwein-Enklave mitten im Weißweinmeer der Côte de Beaune stammt. Für detailverliebte Weinfreunde erkläre ich gleich seine Herkunft.
Es ist der hochelegante → Meursault Blagny Cuvée du Myosotis von Laurent Ponsot, der aus Trauben von verschiedenen Weinbergen (hier sind fast alle 1er-Cru-benamst) kommt.
Dieser Wein kostet so viel wie Weine dieser Herkunft halt kosten. Manche sind noch viel teurer. In der 4,46 Hektar kleinen und ziemlich unbekannten Rotwein-Appellation Blagny (die mitten im Weißweinparadies Côte de Beaune liegt) befinden sich 7 Premier-Cru-Weinberge. Es handelt sich um Hügelland auf 340 bis 400 Metern Höhe.
Generell besteht der Boden aus Mergel, der von Kalksteinschutt überlagert ist. Tiefer unten liegen Ton-Kalk-Böden. Es heißt, zwischen einigen der Premiers-Crus-Weinbergen sind deutliche Unterschiede festzustellen.
Blagny selbst ist ein Weiler, der zwischen den Gemeinden Puligny-Montrachet und Meursault angesiedelt ist.
Das ist eine einzigartige Ausnahme von der etablierten Hierarchie im Burgund. Normalerweise sind Gemeinden die einzigen Siedlungen, die eine eigene Appellation besitzen.
Noch komplizierter wird es dadurch, dass der Weinberg Hameau de Blagny Premier Cru sowohl für Blagny als auch für Puligny-Montrachet zugelassen ist. In der Praxis wird er meist mit der letzteren Bezeichnung versehen.
Die Bezeichnung Blagny wurde 1937 eingeführt, um die Rotweine aus den Weinbergen rund um das Dorf zu kennzeichnen und sie dadurch von den Weißen abzuheben.
Ponsot nennt seine Getränke „Haute-Couture-Weine“ und genauso schmecken bzw. sehen sie aus: très chic.
Ponsots Chardonnay aus Blagny ist dicht gewobene Trauben-Poesie mit viel aufregender Spannung. mineralischer Frische und Konzentration. Zum Niederknien schön: Im Glas helles Gelb. In der Nase dicht und betörend, zart-buttrig, elegant und sinnlich. Ich rieche Meeresfrüchteplatte, Grapefruit, Mandarine, Selleriestange und bin begeistert von so viel olfaktorischer Vielfalt. Im Mund große Spannung aus Würze und Extrakt. Ich schmecke das klare Filtrat von Multivitaminsaft mit Aprikose, Banane, Birne und Limette. Am Gaumen feinste Bitternoten. Großartig, aber eigentlich viel zu früh geöffnet. Dieser Wein legt mit Sicherheit noch gewaltig zu.
Angesichts der Bepreisung dieses feinen Tropfens wäre alles andere eine herbe Enttäuschung. Aber auch die gibt es im Burgund zur Genüge. Ich probierte ähnlich teure Burgunder derselben Qualitätsstufe und erlebte einige Desaster.
Auch das muss man mal sagen: In KEINEM Anbaugebiet der Welt liefert die offizielle Klassifikation Sicherheit für Genuss. Österreich und Deutschland eingeschlossen.
Auf nähere Erklärungen seiner neuen Weine verzichtet Ponsot. Auf der Firmenwebsite findet sich ein bisschen Weinschwurbel-Blabla. Viel präsenter ist das Grafik-Design. Der Winzer hat begriffen: keep it simple.
Im Fachbuch → Luxury Wine Marketing steht:
„Ein Wein kann noch so differenziert sein, wenn die Geschichte, die ihn umgibt, nicht klar ist, wird er sich nie in den Köpfen der Verbraucher festsetzen. Die Story ist eines der wichtigsten Elemente beim Aufbau einer unverwechselbaren Marke. Mit dem zunehmenden Wettbewerb im Bereich der Luxusweine wird sie immer wichtiger.“
Ein deutscher Winzer, der das mit der Story klar verinnerlicht hat, ist Superprofi Wilhelm Weil, der im Herbst 2020 einen Luxus-Riesling für über 100 Euro auf den Markt brachte. War sofort ausverkauft. Inzwischen kostet dieser rare Wein → fast 500 Euro.
Wie Weil das angestellt hat, steht in meiner hier verlinkten Geschichte. Wie erwähnt: Lesen kostet nichts und schärft die Sinne. Die kann man auch gebrauchen, um weniger teure Weine einzuschätzen.