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Die Macher kommen aus der "Szene" (huch!), die Köche aus der Spitzengastronomie (uff!). Auch Brad Pitt war hier schon Essen (aha!). Doch das ist dem Captain egal, denn er hält das Bandol sur Mer auch nach der Erstürmung durch Touristen noch für ein perfektes Anarchisten-Restaurant.
Die Torstrasse ist die hässlichste Schneise der Berliner Mitte, besonders hässlich um das Bandol. Das Lokal war davor eine Dönerbude und bei Übernahme eine abgewirtschaftete, vor Dreck und Fett strotzende Immobilie.
Das Bandol ist die Initiative dreier Leute. Des Veranstalters Hans Wichmann, des Weinhändlers und Architekten Peter Ullrich und des Kochs Jean Cohen. Die Inneneinrichtung hat der Clubausstatter Fred Rubin aus dem Fundus des Zentralkomitees der DDR zusammengetragen.
Die Küche von Serge Cohen wird vom Kochberater Mark Belusa beeinflusst. In der Küche stehen neben Cohen noch Denny Brüning und Alexander Hiller (beide werkten einst im VAU). Begleitend zwei Servicekräfte: Der dunkle 35- Quadratmeter-Raum muss ganz schön viele Mägen stopfen, nicht nur die der Gäste.
Das Bandol ist aber auch Erbe der Guerilla-Küchen, die in Berlin vor Jahren Furore machten. Das waren leerstehende, spontan besetzte Räumlichkeiten, schnell aufgestellte Herde, Pfannenschwinger, die mit Zutaten um sich warfen und spätnachts Champagner erbrachen. Freibeuter des Fressens. Das Bandol führt diese anarchistische Bewegung in die Legalität.
Leider Bandol und wenig Bordeaux
Die Köche des Bandol orientieren sich am Markt und an der Saison. Erdebeeren im März? Gibt es hier nicht. Spargel nur, wenn seine Stechzeit beginnt. Das klingt so logisch, dass man sich fragt, warum nicht alle Berliner Lokale mit kulinarischem Anspruch so handeln?
Auf dekoratives Beiwerk verzichtet man, nicht ohne die Anordnung der Komponenten am Teller zu gestalten. Die Gänseleber, in den Härten der Konsistenz hervorragend durchmischt, hat eben nur ein paar Brocken Gelee an der Seite. Die Fischsuppe nur die klassische Sauce und den Reibekäse. Die Suppe ist dickflüssiger und würziger als vergleichbare in Frankreichs Süden. Das ist Absicht, denn man kocht hier nicht stur nach, was die Nachbarn an Tradiertem hergeben.
Leider hält die Fleischqualität des nun folgenden Entrecote den Erwartungen nicht stand. Die grüne Sauce aus Butter und Kräutern bringt zudem einen leicht muffigen Ton mit an den Gaumen. Das Kartoffelgratin jedoch ist herausragend, die letzte Order, eine Creme Brulleé, kann es nirgendwo besser geben.
Flaschen bis ins Klo
Peter Ullrich entkorkt Weine aus der Kühltheke, die aus Platzmangel bis in die Damentoilette reicht. Viel Unbekanntes darunter, abseits der Einkaufsrouten eingeladen, leider auch vieles, das man zu Recht nicht kennt. Das meiste jedoch unaufdringlich. Auch schwafelt Ulrich nicht um den Alkohol herum. Das ist wohltuend. Dennoch wäre es besser, das Lokal hieße Bordeaux, denn dort lassen sich noch mehr unbekannte und günstige Chateaus entdecken.
Doch es muss Bandol sein, denn Ulrich liebt die vernachlässigte und vergessene Aussenseiterregion im Süden Frankreichs (hier baut man meistens Grenache-Trauben an). Seine Liebe ruht auf einer symphatischen Nischenromantik. Man muss aber klar sagen, dass es bessere Weine gibt, als etwa den hier gerne servierten 2005er Chateau des Baumelles.
Bandol steht nahezu signifikant für die Versäumnisse im französischen Weinbau, das Pochen auf Tradition (kommt bei generell alternativ gesinnten Menschen gut an), der Kampf gegen die großen Winzer (kommt im linken Berlin selbstredend gut an), das Flennen in der Einsamkeit, abseits der großen Absatzmärkte. Der Bandol ist wie ein Robbenbaby, das vor dem Erschlagen geschützt werden muss.
Bandol (keine Homepage), Torstrasse 167, 10015 Berlin, Tel: +49 (0) 30/67 30 20 51, zwischen € 20 und € 45 p.P (ohne Getränke).
sehr treffend formuliert. ich war im august 2 mal dort. jean ist ein kochfreak wie ich mir immer einen in stuttgart gewünscht habe (bislang ohne erfolg). die foi ist sehr gut und mein entrcote war wie gewünscht blutig und auch qualitativ sehr gut. ein traum ist auch die fischsuppe. beim champagner nicht experimetieren und nur den ruinart nehmen. der andere hat mich etwas enttäuscht. wenn der champus nicht schmeckt tauscht jean denselben auber auch sofort aus und trinkt den anderen selbst. unbedingt besuchen das bandol. super die 3 monitore auf denen der jachthafen von bandol gezeigt wird.